Auf dem Flug nach Österreich

„Der höllische Wunsch, gegen die Deutschen zu kämpfen“

Richard Moultons Bomber wurde abgeschossen

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Richard Wentworth Moulton, Schüler im US-Bundesstaat Massachusetts, war 17 Jahre alt, als er im August 1943 in die US-Luftwaffe aufgenommen wurde. Er hatte sich freiwillig gemeldet. Wie viele Gleichaltrige in den Vereinigten Staaten, sagt er, habe er „den höllischen Wunsch“ gehabt, „gegen die Deutschen zu kämpfen“. Jung, naiv, habe er den Krieg als Abenteuer betrachtet.

Nach einem Jahr Training als Bordschütze flog Moulton in einer „wunderschönen, glänzenden B-24“ nach Süditalien. Dort wartete auf den mittlerweile 18-Jährigen ein Bomber, übersät mit (geflickten) Einschusslöchern aus vielen Einsätzen: „So war es, die jüngsten Crews bekamen die ältesten Flugzeuge.“ Der erste Auftrag hieß Sprengung einer Brücke in Avignon, Südfrankreich.

Schon am nächsten Morgen – es war der 26. Juni 1944, wieder war um fünf Uhr früh Tagwache – wurde das Ziel bekannt gegeben: die Ölraffinerie Moosbierbaum im Westen von Wien, eine der damals wichtigsten Produktionsstätten von Flugbenzin. Moulton: „Man hat uns gesagt, dass wir uns auf heftigen Widerstand gefasst machen sollen und dass 604 Flugabwehrgeschütze und Staffeln feindlicher Jäger uns begrüßen werden.“ Moultons Crew sollte in der alten B-24 sozusagen den Schwanz der gesamten Mission bilden: „‚Tail End Charlie‘, mit 649 Flugzeugen vor und keinem hinter uns.“

Über Ungarn begannen die Motoren zu stottern, der Bomber wurde langsamer, fiel zurück, wurde sofort von einer deutschen Me-109 beschossen, der rechte Treibstofftank ging in Flammen auf, der Pilot befahl Notausstieg: „Das ist es, Männer, in die Fallschirme!“

Misshandelt. Richard „Dick“ Moulton ging zu Boden, Blut strömte über sein Gesicht, er sah das deutsche Jagdflugzeug abstürzen, das ihn abgeschossen hatte, und fand sich umringt von slowakischen Soldaten. Nach einigen Wochen in Gefangenschaft wurde ihm und mitgefangenen GIs bedeutet zu fliehen: Moultons Bewacher waren jener Teil der slowakischen Armee, der im Sommer 1944 gegen die faschistische Tiso-Regierung und die heranrückenden Deutschen den Aufstand wagte. Auf der Flucht wurden die US-Soldaten von slowakischen Bauern versorgt, bis einer sie an die Deutschen verriet. Die Gruppe wurde nach Wien gebracht, und jedes Mal, wenn Dick Moulton jetzt Wien besucht, geht er den Weg, den er vor Weihnachten 1944 getrieben wurde: vorbei am Stephansdom zum Donaukanal, wo die Gestapo-Zentrale stand. Hier wurde der 18-Jährige schwer misshandelt, von den 14 US-Soldaten in seiner Gefängniszelle wurden elf im KZ Mauthausen ermordet, ihm wurde das Erhängen angedroht.

Am meisten beunruhigten den US-Flieger jedoch die Angriffe durch die US-Bomber, die er als Gefangener hilflos in der Zelle miterlebte: „Einmal sah ich durch das Gitterfenster, wie eine B-24 direkt getroffen wurde. Von ihr blieb nichts, nur schwarzer Rauch.“

Moulton wurde im Mai 1945 befreit und startete in den USA eine Karriere als Investmentbanker. Die in Wien erlebten Bombenangriffe verfolgten ihn jahrelang: „Wenn ich zurückdenke, frage ich mich, wie die Menschen in England und Deutschland dem jahrelangen Bombardement standhalten konnten.“ Glücklicherweise, so der jetzt 78-Jährige, mussten Zivilisten in den USA das nie durchmachen.

Dick Moulton ist überzeugter Anhänger der Republikaner. Noch einmal vor die Entscheidung des Jahres 1943 gestellt, würde er sich wieder zur US Air Force melden: „Wir haben für die Befreiung Europas gekämpft, und ich weiß, dass das richtig war.“