Die schwere Geburt eines Staates

Russische Blockade bereitet Kopf­zerbrechen

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Doch der Sekt schmeckt inzwischen schal, die Partylaune ist verflogen. Kommenden Samstag tritt die neue, kosovarische Verfassung in Kraft, die den Übergang in eine von der EU überwachte Unabhängigkeit abschließen soll. Allein, das hoch gelobte Grundgesetz, das den ethnischen Minderheiten mehr Rechte als sonstwo in Europa einräumt, droht ein Papier ohne Bedeutung zu bleiben.

Der Kosovo, den Serbien als „Wiege“ seiner mittelalterlichen Kultur wie ein Totem für sich reklamiert, ist zwischen die Mühlsteine der Weltpolitik geraten. Denn Russland unter Wladimir Putin hat die Chance ergriffen, sich auf dem Balkan zum Fürsprecher der serbischen Ansprüche aufzuschwingen. Auf der Ebene des Weltsicherheitsrats blockiert Moskau jede Veränderung des Status quo. Festgeschrieben ist dieser in der Sicherheitsratsresolution 1244 aus dem Jahr 1999, die den Kosovo – vorübergehend – als einen Teil Serbiens definiert. Damit ist aber auch die UN-Verwaltung Unmik, die in der neuen Verfassungsordnung schlicht nicht vorgesehen ist, einzementiert. Sie wird am 15. Juni die Schlüssel nicht an die von der EU gestellte Überwachungsmission Eulex übergeben.

Verkalkuliert. Die westlichen Führungsnationen – USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich – haben sich verkalkuliert. Nicht nur, dass eine breite Welle der diplomatischen Anerkennung der neuen Republik Kosovo ausblieb. Nur 42 Länder, davon 20 der 27 EU-Staaten, unter ihnen Österreich, taten bislang diesen Schritt – gewichtige Länder wie China, Indien und Spanien nicht. Offenbar verschätzte man sich auch hinsichtlich der Zugänglichkeit von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon für eine kreative Auslegung der Resolution 1244. Zu Jahresbeginn hatte man nämlich noch durchaus geglaubt, dass der Südkoreaner seine Vollmachten dahingehend ausschöpfen würde, die Ersetzung der Unmik durch die Eulex und das Amt des Zivilkoordinators Peter Feith per Generalsekretärs-Ukas zu verfügen. Denn in der Resolution 1244 ist tatsächlich nur vage von einer „internationalen Präsenz“ die Rede – warum sollte die nicht auch ohne neuen Sicherheitsratsbeschluss vom UN-Vormann „rekonfiguriert“ werden können? Ban folgte diesem Gedankenflug bislang jedoch nicht und schien sich eher an Mos­kaus Lesart zu halten, dass nur das Weltgremium selbst derlei beschließen dürfe.

Derzeit sei es für die EU „eine Operation zur Wahrung des Gesichts“, meinte unlängst ein Diplomat in Pristina. Die ursprünglichen Pläne seien Makulatur. Ban hat allerdings sein letztes Wort noch nicht gesprochen. Der UN-Generalsekretär wollte sich noch in dieser Woche, nur wenige Tage vor dem Stichtag, zu den Veränderungen im internationalen „Überbau“ des Kosovo äußern. „Da wird, wie so oft, bis zum letzten Moment an Lösungen gebastelt“, sagt eine Mitarbeiterin des neuen Zivilkoordinator-Amtes: „Aber es herrscht eigentlich schon Konsens dar­über, dass die Unmik-Präsenz sukzessive heruntergefahren wird.“ Immerhin hat die Unmik schon vor der Unabhängigkeits­erklärung viele Kompetenzen an die Kosovo-Institutionen übertragen. Die 1800 Mann starke Eulex soll mit entsandten Richtern, Staatsanwälten und Beamten den Kosovaren vor allem beim Aufbau eines funktionierenden Rechtsstaats und Jus­tizwesens helfen. Infrage gestellt wird sie durch die unnachgiebige Haltung der Serben, welche die von ihnen bevölkerten Enklaven mit tätiger Mitwirkung Belgrads zunehmend aus dem Land auskoppeln. Die EU-Mission wird dort als „illegal“ eingestuft und wird möglicherweise in diesen Gebieten nicht arbeiten können.

Den Kosovo-Albanern sind wiederum durch die zahlreichen Auflagen des finnischen UN-Unterhändlers Martti Ahtisaari die Hände gebunden – Auflagen, die Voraussetzung dafür waren, dass die westlichen Führungsnationen die Unabhängigkeit anerkannten. Serbisch bewohnte Gebiete werden oft bis zum letzten Weiler in neue Autonomie-Territorien eingegliedert, die über ein Ausmaß an Selbstständigkeit verfügen, das die Funktionsweise des Gesamtstaates infrage zu stellen droht. Und die neue kosovarische Fahne und Hymne müssen „neutral“ gehalten sein, sie dürfen nicht auf den vorwiegend albanischen Charakter des Landes anspielen. „Wir sind so etwas wie ein ungeborener Staat“, brachte es ein Journalist in Pris­tina auf den Punkt.

Von Gregor Mayer, Belgrad