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Die Insider-Republik

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VoestAlpine-Chef Franz Struzl ist ein überführter Insidertrader, der einer - angesichts der Beweislage so gut wie sicheren - strafrechtlichen Verurteilung nur entging, indem er in eine so genannte Diversion einwilligte, seinen unrechtmä ßig erworbenen Gewinn von 250.000 Euro karitativen Zwecken spendete und der Republik ein Bußgeld von 50.000 Euro zahlte.

Die Aufsichtsräte der VoestAlpine halten Struzls Vergehen nicht für sonderlich relevant und sprachen ihm in einer außerordentlichen Sitzung am Freitag vergangener Woche einstimmig ihr Vertrauen aus.

Dass Franz Struzl sein eigenes Wohl über jenes des Unternehmens und der Aktionäre stellt, bewies er im vergangenen Jahr, als er versuchte, aus seinen Informationen über die bevorstehende Übernahme der VAE AG nebenbei und ganz privat rasch mal ein paar hunderttausend Euro Profit zu schlagen. Und er bewies es neuerlich, indem er nun, nachdem die Affäre durch profil-Recherchen publik geworden war, einen Rücktritt kategorisch ablehnte.

Die Ursache für den Verlust jeglicher Perspektive dafür, was vertretbar oder akzeptabel ist, mag mit Struzls offensichtlich überaus ausgeprägtem Erwerbstrieb zusammenhängen. Ein kleines Insidergeschäft ist eine recht lukrative Angelegenheit, solange man dabei nicht erwischt wird. Der Job eines VoestAlpine-Generaldirektors ist eine überaus einträgliche Tätigkeit, solange man sie ausüben darf.

Dass der VoestAlpine-Aufsichtsrat einem Generaldirektor den Rücken stärkt, ihn einstimmig im Amt bestätigt, obwohl dieser sowohl nach den Kriterien des Hausverstands als auch nach den an den Kapitalmärkten geltenden Regeln und Usancen längst untragbar geworden war, ist freilich bestürzend.

Dass Rudolf Streicher, ein erfahrener Manager und ehemaliger Minister der Republik Österreich, Struzls Handlungen bloß als nicht eines "Schönheitspreises" würdig einstuft und als Präsident des VoestAlpine-Aufsichtsrats dem Insiderhändler das Vertrauen ausspricht, lässt Streichers Wertmaßstäbe in sehr schrägem Licht erscheinen.

Dass die ÖIAG-Vorstände Peter Michaelis und Rainer Wieltsch in ihren Funktionen als VoestAlpine-Aufseher den gänzlich disqualifizierten Generaldirektor in seinem Amt bestätigen, wirft die Frage auf, wessen Interessen die Herren eigentlich vertreten.

Die Aufsichtsräte der VoestAlpine haben mit ihrem Votum nicht nur dem Unternehmen und der ÖIAG als dessen größ- tem Aktionär Schaden zugefügt. Sie haben auch dem Vertrauen in den heimischen Kapitalmarkt und dem Glauben in die Seriosität der Wiener Börse einen Bauchschuss versetzt.

Denn ihre Botschaft ist eindeutig: Insidertrading wird hierorts toleriert. Das Vertrauensvotum für Struzl ist folglich geradezu eine Aufforderung an Manager börsenotierter Unternehmen, vertrauliche Informationen - widerrechtlich - zum persönlichen Vorteil auszunutzen. In erster Linie natürlich dann, wenn es sich um Unternehmen im Umfeld der ÖIAG handelt. Vom entstandenen Imageschaden sind aber selbstverständlich auch alle anderen an der Wiener Börse notierenden Aktien betroffen.

Besser zwar, man lässt sich beim Insiderhandel nicht erwischen. Aber wer doch ertappt wird, der braucht keine allzu unangenehmen Konsequenzen zu befürchten. Mit der Staatsanwaltschaft Diversion vereinbaren, den Gewinn abliefern, eine kleine Geldbuße zahlen, dem Aufsichtsrat ein paar treuherzige Wortspenden liefern - und alles ist paletti.

Wer bislang immer noch glaubte, dass in Österreich ein fairer und transparenter Kapitalmarkt existierte, muss sich nun der grob fahrlässigen Naivität zeihen lassen. Wer meinte, dass überführte Insidertrader, wenn schon nicht verurteilt, so doch zumindest aus ihren Funktionen entfernt würden, wurde eines Schlechteren belehrt. Wer jetzt noch heimische Aktien kauft, ist folglich selber schuld.

Die Reaktion von Wertpapieranalysten und Börsenexperten auf die Entscheidung der VoestAlpine-Aufsichtsräte schwankte zwischen Empörung und Zynismus. Richard Schenz, Kapitalmarktbeauftragter der Republik Österreich und als früherer langjähriger OMV-Generaldirektor besonders qualifiziert, Struzls Handlungen und dessen Konsequenzen für den Finanzplatz Wien zu beurteilen, war am Freitag der Vorwoche am deutlichsten: Die Angelegenheit werde international einschlagen "wie eine Handgranate".

Blöd dran sind allerdings jene, die VoestAlpine-Aktien bereits besitzen. Diese Papiere sind nun, solange Struzl noch an der Spitze steht, mit einem Insidermalus behaftet - was sich auf die Kursentwicklung mutmaßlich nachteilig auswirken wird.

Das größte Paket mit 34,7 Prozent an VoestAlpine-Aktien steht im Eigentum der ÖIAG. Die Verstaatlichtenholding will diese Papiere demnächst verkaufen. Normalerweise besucht der Chef eines Unternehmens zu diesem Behufe potenzielle Investoren, um ihnen Strategie und Zukunftsaussichten des eigenen Konzerns zu erläutern. Den Insidertrader Franz Struzl auf Besuchstour zu internationalen Fondsmanagern zu schicken wäre nun freilich eher kontraproduktiv. Und wer auch immer aus dem VoestAlpine- Vorstand dieses Schicksal an seiner statt auf sich nehmen wird, der hat einige vermutlich ziemlich unerquickliche Unterhaltungen zu erwarten.