Die Kronprinzen - Pröll und Faymann

Das 'Gute-Laune-Team' der Koalition

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Werner Faymann hatte sich die Oster­woche gemütlicher ausgemalt. Eigentlich war ein Skiurlaub mit Familie geplant. Aber dann hieß es: Krisensitzung. Also blieb der Infrastrukturminister nolens volens in Wien. Josef Pröll hatte den Wochenbeginn in Brüssel verbracht: EU-Umweltministerrat. Es war wohl eine willkommene Ablenkung von den kleinkarierten Auseinandersetzungen in Wien. Zur Wochenmitte fanden sich die zwei an einem Tisch wieder. Sie spielten die Moderatoren zwischen Kanzler und Vizekanzler, die – wieder einmal – einen Ausweg aus der Regierungskrise suchten. Das entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie. Schließlich werden immer wieder Faymann und Pröll genannt, wenn es um die Nachfolge der glücklosen Koalitionsführer geht. Eloquenz, bodenständiges Auftreten, aber vor allem gute Persönlichkeitswerte brachten den beiden den Ruf der Kronprinzen ein. Während Kanzler Alfred Gusenbauer und sein Vize Wilhelm Molterer laut OGM-Meinungsforschungsinstitut Vertrauenswerte um minus 19 bzw. minus 12 Prozent verbuchen, schneidet Faymann mit 19 Prozent recht anständig, Pröll mit 45 Prozent nachgerade brillant ab.

Doch damit ist allenfalls ein Blumenstrauß, aber noch lange keine Wahl gewonnen. Viktor Klima etwa hatte als Kanzler stets hohe Sympathiewerte – und schickte die SPÖ 1999 doch in ein historisches Tief. Wolfgang Schüssels Beliebtheit wiederum hielt sich in sehr überschaubaren Grenzen – und doch errang er 2002 für die ÖVP den Platz eins in der Wählergunst. Um an der Spitze erfolgreich zu sein, braucht es weit mehr als ein Dauerlächeln. Macht etwa und das Wissen, wie man diese am besten einsetzt. Hier ist der bald 48-jährige Faymann seinem konservativen Gegenüber eindeutig voraus. Geschult in der Sozialistischen Jugend, sozialisiert in der Wiener SPÖ und quasi „ausgebildet“ in der Wiener Landesregierung, weiß er, wie man sich Netzwerke schafft und Fraktionen bildet. Pröll, der vor seinem Regierungseintritt 2002 nie ein politisches Amt innehatte und es schon als „Risiko“ empfand, von der Landwirtschaftskammer in den Bauernbund zu wechseln, hat da einigen Nachholbedarf.

Der Marsch durch die Institutionen brachte Faymann naturgemäß auch Gegner ein. Seine Männerfreundschaft zu „Krone“-Herausgeber Hans Dichand, sein großzügig dotiertes Budget für Werbung und Zeitungsinserate in eigener Sache, aber auch die allzu durchsichtigen Avancen auf den Wiener Bürgermeistersessel sorgten in Wien für unfreundliche Nachrede. Pröll hingegen hatte in seiner kurzen Politikkarriere noch nicht wirklich Gelegenheit, Fronten gegen sich aufzubauen. Schon nach den letzten Nationalratswahlen hätte er die Möglichkeit gehabt, Schüssel zu beerben. Und das, obwohl er fast noch als „Quereinsteiger“ galt. Mit dem Bauernbund, der Wirtschaft und nicht zuletzt Onkel Erwin Pröll im Rücken hätte „der Neffe“ beste Chancen gehabt. Doch er zögerte, und so kam Wilhelm Molterer zum Zug. Pröll wurde mit der „Perspektivengruppe“ abgespeist, die moderne Konzepte für die ÖVP skizzieren sollte. Damit hat er weder viel an- noch ausgerichtet. Fragt man VP-intern nach, wer Molterer folgen könnte, fällt immer noch spontan der Name des knapp 40-Jährigen, ohne Wenn und Aber. Für Faymann ist die Sachlage schon diffiziler. Nur wenn heuer noch gewählt wird, gilt es als ausgemacht, dass Faymann Gusenbauer nach verlorener Wahl beerbt. Weil er der kleinste gemeinsame Nenner ist, auf den sich die SPÖ-Chefs der Länder derzeit einigen könnten. Für ihn wird ins Treffen geführt, dass er „mit allen kann“, geduldig ist und ein untrügliches Gespür für Machbares hat. Gegen ihn spreche, dass er „zu pragmatisch“ sei. Für den linken Flügel in der Partei heißt das mit anderen Worten: Er würde SPÖ-Standpunkte so lange verwaschen, bis sie nicht mehr erkennbar sind. Weil ihm die Ergebnisse wichtiger sind.

Das kann man auch „lösungsorientiert“ nennen, noch so eine Eigenschaft, die von Regierenden zu Recht erwartet wird. Durch ideologisch-brillante Statements ist Faymann nie aufgefallen, wie im Übrigen auch Josef Pröll nicht. Nur logisch ist es daher, dass das Klima der Koalitions­koordinatoren nicht von parteipolitischen Justament-Standpunkten getrübt ist. Während um sie herum die Koalition zerbricht, redet Pröll von „vertraulichen, gu­ten Gesprächen“, und Faymann sieht das „auch so“. Während die Regierungsmitglieder einander verbal mit Schlamm bewerfen, appelliert Faymann, „nicht das Trennende vor das Gemeinsame“ zu stellen, und Pröll pflichtet ihm bei. So kommt man auch zu guten Imagewerten. Parteiintern wird ihnen dies eher krummgenommen. „Gurr, gurr“, blödelt so mancher SPÖ-Funktionär, wenn er der „Friedenstaube“ Faymann ansichtig wird. Seine auch intern gebetsmühlenartig vorgebrachten Mahnungen, doch nicht auf Konfrontationskurs mit dem Partner zu gehen, kratzen bei vielen an der Geduldsgrenze.

Prölls beschwichtigende Art wird aus einem anderen Grund etwas nachsichtig belächelt. Sein „Lebensministerium“ gehört nicht unbedingt zu jenen Ressorts, die dem rauen Wind der Alltagspolitik ausgesetzt sind. Im Vergleich zum Innenminis­terium oder dem Finanzressort ist es nachgerade die Wellnessabteilung der Regierung. So mancher ÖVP-Mann stellt sich daher die Frage: Wie wird sich Pröll schlagen, wenn er weit Unangenehmeres als den „Feinkostladen Österreichs“ zu verkaufen hat? Denn dickhäutig ist Pröll nicht. Er lamentiert vor Publikum, wenn in einem Zeitungskommentar beiläufig erwähnt wird, er habe „öffentlich abgenommen“. Und es kann ihn schon heftig irritieren, wenn ihm ein Grün-Abgeordneter am Rande des Parlaments-Plenums scherzhaft zuruft, er möge mit seinem „Öko-NLP“ aufhören. Auf einen Verbündeten können jedenfalls beide zählen: auf die „Kronen Zeitung“. Sollte es sich tatsächlich so fügen, dass Pröll und Fay­mann an der Spitze einer Regierung sitzen, dann hat das Kleinformat endlich die Koalition, die es sich wünscht.