Präsidenten und Kirche

Die Präsidenten und die Kirche: Wie hast du’s mit der Religion?

Wie hast du’s mit der Religion?

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Der Part fiel „Presse“-Chefredakteur Andreas Unterberger zu. Kurz vor Sendungsschluss wagte er sich an den Präsidentschaftskandidaten mit der Gretchenfrage („Wie hast du’s mit der Religion?“) aus Goethes „Faust“ heran.

„Ich gehe nicht in die Kirche, ich bin kein gläubiger Mensch, ich bin ein Agnostiker“, bekannte Heinz Fischer am 4. Jänner in der ORF-„Pressestunde“ freimütig. Er respektiere die wichtige Rolle der Religion, sei selbst aber nicht Mitglied einer Glaubensgemeinschaft und überdies nur standesamtlich verheiratet. „Das allerdings seit mehr als 36 Jahren“, fügte er keck hinzu.

Ein kleiner Seitenhieb auf Kontrahentin Benita Ferrero-Waldner? Deren erste Ehe wurde vom Vatikan soeben für nichtig erklärt. Kurz vor Weihnachten hatte die Außenministerin ihren Francisco Ferrero Campos somit auch kirchlich heiraten können. Ein aus ihrer Sicht wohl notwendiges Signal an die christlichen Wähler.

Könnte Heinz Fischer sein fehlendes Glaubensbekenntnis im Wechselwähler-Pool des katholischen Österreich die entscheidenden Prozentpunkte im Präsidentschaftswahlkampf kosten?

„Nein“, meint der Meinungsfoscher Werner Beutelmeyer (market-Institut). „Wir sind eine säkularisierte Gesellschaft. Die Österreicher sind moderner, als viele glauben.“ Und außerdem: „Viele wissen mit dem Begriff Agnostiker ja überhaupt nichts anzufangen. Die glauben, dass hat etwas mit einer Krankheit zu tun“, so Beutelmeyer. Laut „Brockhaus“ ist Fischer jedoch pumperlg’sund und weigert sich lediglich, „all jene Phänomene anzuerkennen, die über die sinnliche Wahrnehmung hinausgehen“.

Wolfgang Bachmayer (OGM) sieht dies ähnlich: „Das wird sich nicht auswirken. Die kirchennahe Wählerschaft wählt Fischer ohnehin nicht.“ Allerdings sei die große Wählergruppe der Pensionisten in Bezug auf die Religion doch etwas sensibler. „Aber da Fischer kein Homestory-Politiker ist und seine Lebensführung bescheiden und normal rüberkommt, ist dieses Manko aus Sicht der älteren Wähler wieder wettgemacht.“

Auch Caritas-Präsident Franz Küberl macht sich keine allzu großen Sorgen: „Das Wesentliche an allen bisherigen Präsidenten war, dass sie unabhängig ihrer Weltanschauung auf ein ausgewogenes Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften Wert gelegt haben.“

Die sozialdemokratischen Staatsoberhäupter nach 1945 waren zumeist noch ausgesprochen antiklerikal geprägt.

Karl Renner, der erste Präsident der Zweiten Republik, war zwar katholisch aufgewachsen, hatte sich aber alsbald von der Kirche entfernt. Ausschlaggebend war die Selbsterfahrung des sozialen Abstiegs ins Proletariat, bedingt durch die Versteigerung des elterlichen Bauernhofes. „Die persönliche Gottvorstellung litt Schiffbruch in den Katastrophen meines Vaterhauses. Ein gütiger Vater konnte solches nicht geschehen lassen“, notierte Renner. Als er dann noch während einer Beichte vom Pfarrer über intime Details ausgefragt wurde, war der Bruch endgültig vollzogen.

Mit dem philosophischen Grundgerüst der Weltreligionen beschäftigte sich Renner jedoch zeit seines Lebens. Auch an Messen nahm er bei offiziellen Anlässen teil. Was von katholischer Seite als Indiz gewertet wurde, dass Renner in den Schoß von Mutter Kirche zurückgekehrt sei. Laut Renner-Biograf Siegfried Nasko eine Fehlannahme.

Der rote General. Nachfolger Theodor Körner, der „rote General“, war als hochdekorierter Offizier der k. u. k. Armee römisch-katholisch. Nach Ausrufung der Ersten Republik wandte er sich der Sozialdemokratie zu und stellte sich als militärischer Berater in den Dienst des „Schutzbundes“ – und stand damit den katholisch-autoritären Heimwehren gegenüber.

Sein Verhältnis zur Kirche in der Zweiten Republik blieb ein korrekt-indifferentes. Als Bundespräsident nahm er des Öfteren an gemeinsamen Feierlichkeiten mit dem Wiener Kardinal Theodor Innitzer teil. Einmal bemerkte Körner launig: „Eminenz, wir beide heißen Theodor. Es ist aber doch ein großer Unterschied zwischen uns beiden: Sie, Herr Kardinal, sind außen rot und innen schwarz, ich aber bin außen schwarz und innen rot.“

Besonders ambivalent war das Verhältnis von Adolf Schärf zur Amtskirche. Über seine Nominierung für die Hofburg meinte er: „Ich hatte im Hinblick auf meine Nicht-Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche gerade mich als den ungeeignetsten Kandidaten angesehen.“ Als Präsident bemühte sich Schärf um die Aussöhnung der SPÖ mit der Kirche. Als das Tauwetter einzusetzen begann, soll Schärf zu Kardinal Franz König gemeint haben: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich aus der Kirche gar nicht auszutreten brauchen.“

Schärfs Tochter Martha Kyrle erinnert sich im profil-Gespräch: „Mein Vater hat als Jugendlicher aus politischen Gründen die Kirche verlassen. Wir Kinder sind jedoch evangelisch erzogen worden.“

Gemeinsam mit seiner Frau Margarete war Schärfs Nachfolger Franz Jonas (SPÖ) in jungen Jahren aus der Kirche ausgetreten. Vor allem in den Bundesländern wurde ihm dies während des Präsidentschaftswahlkampfs 1965 angekreidet. Gewählt wurde er trotzdem. Als Präsident war der Agnostiker Jonas 1971 gar zur Privataudienz bei Paul VI. geladen, in dessen Verlauf der Papst von Österreich als einer „Insel der Seligen“ gesprochen haben soll.

Nach Jonas kam die Zeit der katholischen Bundespräsidenten. Den Anfang machte just der SPÖ-Kandidat Rudolf Kirchschläger. Der parteifreie vormalige Außenminister war ein tiefgläubiger Mensch und erhielt wegen seiner weihevollen Reden den Beinamen „Pater Rudi“. Er fügte der Gelöbnisformel als Erster ein „So wahr mir Gott helfe“ an. Die ebenfalls parteifreien Diplomaten Kurt Waldheim und Thomas Klestil, beide weltanschaulich klar christlich-sozial positioniert, taten es ihm nach.

Mit Benita Ferrero-Waldner könnte die Ära der katholischen Präsidenten eine Fortsetzung erfahren. Allerdings ist man gerade in der Kirche derzeit nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen. Der Grund: ihre Eheannullierung. Üblicherweise wird striktes Stillschweigen gewahrt. Doch die Kandidatin und ihre Partei hatten Interesse daran, dass die Kunde von der kirchlichen Wiederverheiratung an die Öffentlichkeit dringt. Ein Sprecher des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn beklagte sich gegenüber der „Kleinen Zeitung“: „Das ist eine schlechte Optik.“

Zufall oder nicht: Beim roten Wahlkampfauftakt vergangenen Freitag im Wiener MAK wurden Fotos aus Heinz Fischers Leben auf eine Leinwand projiziert. Auffällig oft darauf zu sehen: Heinz Fischer mit Kardinal König und mit Papst Johannes Paul II.