Die Regenbogen- Revolution

Die Regenbogen-Revolution

Die Regenbogen-Revolution

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Amerika hat derzeit wahrscheinlich die reaktionärste Regierung der letzten hundert Jahre. Den bigottesten Präsidenten. Und auch sonst: Das Klima kann antiaufklärerischer nicht sein. Dennoch fegt eine demokratische Revolution durch das Reich des George W. Bush. Es geht um die Gleichberechtigung der Schwulen und Lesben.

Vorläufiger Höhepunkt dieser erstaunlichen Entwicklung war die Mitte Mai gefällte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von Massachusetts, wonach das Recht auf Eheschließung nicht nur Heteros, sondern auch Homos zusteht. Darauf strömten bereits in der ersten Woche etwa 1700 Lesben- und Schwulenpaare vor die Standesämter, um sich ihren Traum zu erfüllen, wie die „Normalos“ ganz offiziell den Bund fürs Leben einzugehen.

Der „Boston Globe“ feierte: „An diesem Tag können die Bürger von Massachusetts stolz sein, wieder an vorderster Front einer Revolution zu stehen.“ Die sich in andere Bundesstaaten ausbreitet, wo zahlreiche Bürgermeister ebenfalls bereits Trauscheine für Schwule und Lesben ausstellen.

Noch vor kurzem konnte George W. Bush damit rechnen, mit seiner vehementen Ablehnung der Homo-Ehe zu punkten. Das scheint jetzt vorbei zu sein. Da ist viel in Bewegung: Die Gallup-Demoskopen berichten, dass im Dezember vergangenen Jahres 31 Prozent der Amerikaner den Schwulen und Lesben das Recht auf Ehe zugestehen wollten, im Mai aber schon 42 Prozent dafür sind. Und auch politisch befindet sich die rosa-lila Revolution auf der Siegerstraße. Symptomatisch: Arnold Schwarzenegger, der republikanische Gouverneur von Kalifornien, der zunächst Bush in dieser Frage die Stange hielt, erkannte den Zeitgeist und hat neuerdings „kein Problem“ mehr mit der Homo-Ehe.

Da ist eine gewaltige Umwälzung der Mentalitäten im Gange. Auch in Europa. In Belgien und Holland dürfen einander Gays bereits seit einiger Zeit vor dem Standesbeamten den Ring an den Finger stecken. Nun folgen die größeren EU-Staaten.

Der jüngst siegreiche spanische Sozialisten-Chef Luis Zapatero kündigte gleich bei seiner Regierungserklärung an, das Heiraten von Schwulen zu legalisieren. Und das im katholischen Spanien!

Auch in Frankreich geht’s in dieselbe Richtung. Dort gibt es – eingeführt von der damaligen Linksregierung – zwar bereits seit Ende der neunziger Jahre das Institut der eheähnlichen „eingetragenen Partnerschaft“. Jetzt drängen die oppositionellen Sozialisten und Grünen darauf, den letzten Schritt in Richtung der Gleichberechtigung zu tun. Was auf vehementen Widerstand der konservativen Regierung stößt.

Die Argumente dagegen, die noch vor kurzem so selbstverständlich erschienen, klingen aber heute seltsam alt. Die Behauptung, konstitutiv für eine Ehe sei das Erzeugen und die Aufzucht der Kinder, wird von der Realität widerlegt. Fortpflanzung und Ehe haben sich voneinander gelöst. Heute, wo sich Scheidungen und Hochzeiten die Waage halten, wo immer mehr Kinder unehelich geboren werden (weil „illegitimer“ Nachwuchs nicht mehr diskriminiert wird) und viele Ehen wiederum bewusst kinderlos bleiben – in dieser Zeit erscheint die Verteidigung der Ehe als einziger und geheiligter Ort der Reproduktion höchst anachronistisch.

Auch gegen die weniger traditionalistische Versicherung, man habe ja nichts gegen die rechtliche Gleichstellung, was Mieten, Pensionen, Erbschaften und Ähnliches betrifft, aber die Verwendung des Begriffs der Ehe sei doch wirklich nicht notwendig, lässt sich Stichhaltiges einwenden. Die erzwungene Ehelosigkeit war immer schon ein Herrschaftsinstrument: Zölibatär leben mussten in der Vergangenheit ja nicht nur katholische Priester, sondern auch Knechte, Mägde, andere Domestiken und Sklaven – noch im 19. Jahrhundert auch Lehrerinnen.

In diesem Kontext wird klar, dass die Einführung der Homo-Ehe ein gewaltiger Schritt auf dem Weg zur Gleichheit vor dem Gesetz ist: die endgültige Anerkennung des Faktums, dass sexuelle Orientierung nicht eine Frage von Normalität oder Abweichung, von Moral oder Sünde, von Natur oder Widernatur ist. Und schließlich hat das Hochzeiten für Homos die gleiche Bedeutung wie für Heteros: das feierliche Publikmachen einer privaten Verbindung. Und nicht zuletzt auch die öffentliche und solenne Ankündigung, dass man sich aus der Herkunftsfamilie gelöst hat.

Wie tief und gewaltig diese Regenbogen-Revolution ist, die wir jetzt erleben, erahnt man, hält man sich vor Augen, dass in unseren Breiten noch vor knapp dreißig Jahren sogar die Liebe zwischen erwachsenen Männern Gefängnis bedeuten konnte und weitere zwei Jahrzehnte vorher Schwule in unseren Breiten kastriert oder im KZ ermordet wurden.

Skandalös muss empfunden werden, dass in Österreich das Thema nicht einmal politisch diskutiert wird und keine Partei – auch nicht die Grünen – wagt, offensiv für die Einführung der Homo-Ehe einzutreten. Wir befinden uns im tiefen Hinterwald.
Um nicht depressiv zu enden, sei zweier österreichischer Ex-Politiker mit Dankbarkeit gedacht. Heide Schmidt hat sich und ihr Liberales Forum nicht zuletzt mit ihrem mutigen Engagement in dieser Frage ins politische Out manövriert. Und der steirische ÖVP-Mann Gerhard Hirschmann fand vor drei Jahren goldene Worte: „Wenn zwei Menschen gerne füreinander sorgen und sich wirklich gern haben, wieso sollen die, weil sie das gleiche Geschlecht haben, schlechter gestellt werden?“ Und er fügte hinzu: „Selbstverständlich kommt das auch in Österreich. Wir wissen, dass sich gesellschaftliche Prozesse nicht durch Staatsschranken aufhalten lassen. Das ist früher oder später gemeinsamer europäischer Konsens.“