Die guten Taten des George W. Bush

profil: 'Es war nicht alles schlecht'

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Seine Amtszeit läuft zwar noch ein Jahr, das Urteil darüber ist aber längst gesprochen. Und außer ein paar ganz verbissenen Neocons sind sich alle einig: George Walker Bush war als 43. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika auch der „schlechteste aller Zeiten“: Das sagen wortgleich so unterschiedliche Zeitzeugen wie der Tycoon Donald Trump, die Schauspielerin und Friedensaktivistin Susan Sarandon, der Grünen-Politiker Ralph Nader, der legendäre Journalist Seymour M. Hersh und der Popstar Pink – ganz zu schweigen von ungezählten Unbekannten, die in Blogs oder bei einschlägigen Internet-Umfragen (zum Beispiel bei Spiegel online) ihre Einschätzung der Ära Bush abgeben.

Die Unappetitlichkeiten des „Kriegs gegen den Terror“, die von der Legitimierung der Folter bis zur radikalen Einschränkung der Bürgerrechte reichen; die unilaterale Außenpolitik; der Anstieg der Arbeitslosenrate und der Staatsverschuldung – es ist nicht leicht, positive Aspekte der Amtszeit von Bush zu benennen. In den USA steht mittlerweile nur noch ein Drittel der Bevölkerung hinter seiner Politik, noch weniger befürworten seinen Wirtschaftskurs. Und 75 Prozent sind der Meinung, dass im Land das meiste „schiefläuft“. Außerhalb der USA dürfte der Befund tendenziell noch schlechter ausfallen.

Und doch: Es war nicht alles schlecht unter George W. Ausgerechnet in einigen Bereichen, die dem durchschnittlichen (europäischen) Bush-Gegner besonders am Herzen liegen, hat der verhasste Präsident unleugbar Gutes bewirkt – oder es zumindest versucht.

Migration: Legalize it
„Einwanderung ist kein Problem, das gelöst werden muss. Es ist ein Zeichen für eine selbstbewusste und erfolgreiche Nation.“ Einen solchen Satz würde derzeit kein einziger europäischer Staats- oder Regierungschef aussprechen. George Bush formulierte ihn 2001 bei einer Einbürgerungsfeier auf Ellis Island – jener Insel bei New York, die für Immigranten jahrzehntelang das Tor zur Neuen Welt war.

Gerade in der Einwanderungsfrage war Bush stets ein überzeugter Liberaler. 2007 plante er die umfassendste Reform der amerikanischen Immigrationspolitik seit den sechziger Jahren. Sein Ziel: Rund zwölf Millionen Menschen, die illegal in die USA gekommen waren, sollten ein Aufenthaltsrecht bekommen. Im Juni vergangenen Jahres scheiterte das Gesetz an der eigenen republikanischen Partei im Senat. „Der Kongress schuldet dem amerikanischen Volk noch den Beweis dafür, dass er sich in schwierigen Fragen auf Lösungen einigen kann“, sagte Bush später unverdrossen.

Dass man Bush vieles, aber sicher keinen Rassismus vorwerfen kann, ist an seinem Regierungsteam zu sehen. Afroamerikaner und andere Minderheiten hatten es bei den Republikanern vor ihm bislang nie in hohe Regierungsämter geschafft. Bush hat dieses Tabu gebrochen: Zuerst ernannte er Colin Powell zum Außenmi­nister, später seine enge Beraterin Condoleezza Rice.

Entwicklungshilfe: Besser als Bill
Wer glaubt, dass es seit Bushs Amtsübernahme mit der Entwicklungshilfe für die Dritte-Welt-Länder im Jahr 2000 berg­ab gegangen wäre, täuscht sich: Tatsächlich haben sich die US-Staatsausgaben für Entwicklungshilfe im Vergleich zur Regierung Bill Clinton mehr als verdoppelt.

Das bestätigen auch unabhängige Institute. Das in Wa­shington ansässige Center for Global Development (Zentrum für globale Entwicklung) hat erhoben, dass die gesamten US-Mittel für Afrika von 2,1 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 4,3 Milliarden im Jahr 2004 anstiegen. In diesem Jahr gründete Bush den Entwicklungshilfefonds „Millennium Challenge Account“ (MCA) und fordert seither Jahr für Jahr vom Kongress Milliarden Dollar dafür. Natürlich entspringt das nicht in erster Linie dem Wunsch, Gutes zu tun. Vielmehr ist der MCA elementarer Bestandteil des Kriegs gegen den Terror. Daher wurde ihm als erstem US-Entwicklungshilfeprogramm auch die zweifelhafte Ehre zuteil, in die nationale Sicherheitsstrategie aufgenommen zu werden. Der MCA soll helfen, Armut und Instabilität in Entwicklungsländern zu verringern, um damit dem internationalen Terrorismus den Nährboden zu entziehen.

Dieser Umstand ändert freilich nichts daran, dass die USA heute weltweit der mit Abstand spendabelste Entwicklungshelfer sind – ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Anteil der dafür verwendeten Mittel am Bruttonationalprodukt (BNP) immer noch geringer ist als in den meisten anderen westlichen Staaten. 2007 wies das US-Budget stattliche 15,8 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfsprojekte in aller Welt aus. Im letzten Regierungsjahr von Bill Clinton waren es gerade einmal 5,6 Milliarden Dollar gewesen.

Ganz im Sinne der europäischen Linksliberalen agierte Bush übrigens auch in seiner Afrika-Politik. Im Jahr 2003 rief er den President’s Emergency Plan for Aids Relief (PEPFAR) ins Leben. Mehr als 18 Milliarden Euro hat die Bush-Admi­nistration bis heute in die Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose gesteckt – unter anderem in Botswana, der Elfenbeinküste, Äthiopien und Nigeria. Bei seiner letzten Rede zur Lage der Nation versprach Bush am Montag vergangener Woche bis 2013 weitere 30 ­Milliarden Dollar für sein ­PEPFAR-Projekt.

Rund eine Milliarde Dollar der Gelder wurden allerdings für Kampagnen verpulvert, die sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe propagierten. Kritiker sehen darin den Versuch, der Dritten Welt einen christlich-puritanischen Lebensstil aufzuzwingen.

Bildung: Ihr Kinderlein, kommet
In der Bildungspolitik zeigte George W. ebenfalls gute Ansätze: Da immer mehr Kinder in den USA nicht lesen oder schreiben können, beschloss die Bush-Administration die größte Bildungsreform seit Jahrzehnten. Im vergangenen Jahr gab die US-Bundesregierung für Grund-, Mittel- und Berufsschulen 40,4 Milliarden Dollar aus. Am Ende der Ära Clinton war dieser Budgettopf lediglich mit 17,5 Milliarden Dollar dotiert gewesen. „No child left behind“ (NCLB) lautet der griffige Slogan des von der Bush-Adminis­tration entworfenen Gesetzes – kein Kind soll mehr auf der Strecke bleiben, sozial Schwachen und Angehörigen von Minderheiten der Zugang zu Bildung erleichtert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, nehmen alle Schülerinnen und Schüler der USA jährlich an standardisierten Vergleichsarbeiten in den Bereichen Lesen und Mathematik teil. Werden dabei keine kontinuierlichen Leistungssteigerungen nachgewiesen, erhalten die Schulen weniger Geld vom Staat.

Das NCLB-Gesetz ist aufgrund von Unterfinanzierung durch die Bundesregierung und teilweise als unrealistisch empfundenen Anforderungen inzwischen allerdings stark in Miss­kredit geraten. Zudem manipulieren angeblich viele Schulen die Testergebnisse aus Angst vor finanziellen Einbußen. Nach Protesten mehrerer Bundesstaaten soll das Gesetz nun wieder geändert werden.

Kriege: Servus, Saddam
Was immer man gegen den unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verübten Einmarsch im Irak, der in eine höchst unprofessionell vorbereitete Besatzungszeit und einen Bürgerkrieg mündete, einwenden mag: Die Invasion hat der Schreckensherrschaft von Saddam Hussein ein Ende gemacht. Das wissen vor allem die Kurden zu schätzen. Nicht nur dass sie im Norden des Irak endlich unter vergleichsweise sicheren Bedingungen leben – sie haben inzwischen auch zum ersten Mal eigene staatliche Strukturen. Im Zentral- und Südirak scheint sich die Lage nach fünf Jahren Blutvergießen nun ebenfalls etwas zu entspannen. Was sich daraus in den kommenden Jahren entwickelt, bleibt abzuwarten.

War George W. Bush also doch kein so schlechter Präsident, wie allerorts behauptet wird? „Es war eine Präsidentschaft der vergebenen Chancen“, sagt der österreichische Politologe Fritz Plasser, ein ausgewiesener USA-Kenner. „Eigentlich hätte Bush einen weiten Spielraum für Entscheidungen gehabt. Nach 9/11 stellten sich sowohl die Republikaner als auch die Demokraten voll hinter ihn. Er fand sowohl im Kongress als auch im Senat Mehrheiten – durch eine Reihe von teilweise katastrophalen Fehlentscheidungen hat er sich aber sogar die eigene Partei zur Opposition gemacht.“

Andere politische Experten glauben, dass es heute noch zu früh ist, die Ära Bush zu bewerten. Das sei erst Jahre später im historischen Kontext möglich. „In zehn Jahren wird es Leute geben, die ein Buch darüber schreiben, wie brillant und vorausschauend George W. Bush war“, meint etwa Professor ­Shawn Bowler, Politikwissenschafter an der Riverside-Universität in Kalifornien, „auch wenn man sich das heute noch gar nicht vorstellen kann.“
Aber Ähnliches hatte in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts auch ein Vertrauter über Präsident Warren G. Harding (siehe Kasten) gesagt. Und dieser zählt bis heute zu den ­unumstritten schlechtesten Präsidenten der Geschichte Amerikas.