„Dieser Wahlkampf ist der zynischste “

Florian Scheuba und Robert Palfrader

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profil: Die FPÖ zu wählen sei wie Geschlechtsverkehr mit einer aufblasbaren Gummipuppe, heißt es in Ihrem neuen Programm.
Florian Scheuba: Sex mit Gummipuppen leistet für die Triebabfuhr bei Wollust das Gleiche wie FPÖ-Wählen bei Zorn. Es ist ein bissl grauslich, ein bissl erniedrigend und nichts, worauf man nachher stolz ist.
Robert Palfrader: HC Strache ist diesbezüglich genau der Richtige: strapazierfähig, abwaschbar und mit nichts als Luft gefüllt.
profil: Zu welchem Schluss kommen Sie, wenn Sie Jörg Haider mit HC Strache vergleichen?
Palfrader: Man fragt sich angesichts der beiden, ob der Kopierer kaputt oder die Vorlage schon schlecht gewesen ist. Vom reinen Unterhaltungswert betrachtet, liefert der Haider natürlich die viel bessere Show. Das ist ein Vollprofi, da kriegt man was geboten. Vorm Strache ekelt es mich nur.
Scheuba: Der Haider bewirkt bei mir den in der Showbranche geerdeten Mitleidseffekt. Der Mann war einmal auf dem Cover von „Newsweek“, den hat die ganze Welt gekannt. Jetzt reicht’s nur mehr für die „Gurktaler Rundschau“. Eine Karriere, ansonsten nur zu vergleichen mit Opus, die mit „Life Is Life“ einen Welthit landeten und heute in Leoben im Bierzelt auftreten. Der Haider löst bei mir keine Angst mehr aus, sondern bestenfalls ein Lächeln.
profil: Die Umfragewerte der FPÖ kann man allerdings nicht so einfach weglächeln.
Palfrader: Sobald eine dieser Parteien in einer neuen Regierung die Gelegenheit bekommt, ihre Unfähigkeit zur Schau zu stellen, sieht doch ohnehin jeder Vollidiot, wie es um die bestellt ist.
Scheuba: Geh bitte! Das hatten wir doch schon. Wozu muss jede zweite Regierung in diesem Land als Beweisführung für die Inkompetenz dieser Leute herhalten? Minister wie Krüger, Sickl, Forstinger und sonstige Figuren waren eine Zeit lang ja ganz lustig, aber eben inzwischen längst nicht mehr. Und die Umfragewerte der FPÖ stehen in keinem Zusammenhang mit Straches politischem Talent. Das ist nämlich völlig wurscht. So schlicht kann man gar nicht sein, dass man es in diesem Land nicht zum Spitzenkandidaten der FPÖ bringen kann, solange man nur ausländerfeindlich genug ist.
Palfrader: An der Spitze der FPÖ reicht schon eine kaputte Campingliege – solange sie was gegen Ausländer hat.
Scheuba: Das Absurde ist ja, dass der Strache behauptet, sich darüber zu ärgern, wenn ihm Ausländerfeindlichkeit unterstellt wird. Dabei ist das der einzige Grund, warum er überhaupt gewählt wird.
profil: Andererseits geht Strache neuerdings bei der größten Migrantengruppe in Österreich, den Serben, auf Wählerfang. Er tritt bei serbischen Veranstaltungen auf und trägt das orthodoxe Gebetsband.
Palfrader: Es soll ja sehr schöne serbische Frauen geben.
Scheuba: Das ist eine große Gruppe, die politisch bis jetzt nicht bedient wird. Außerdem existiert sehr wohl auch Ausländerfeindlichkeit unter den Ausländern.
Palfrader: Ich habe zum Beispiel einen bosnischen Freund, der während des Jugoslawien-Kriegs nach Österreich geflüchtet ist. Und der sagt noch jedes Mal zu mir: „Bitte verwechsle uns nicht mit den Leuten, die freiwillig hier sind.“ Da herrschen gewaltige hierarchische Abstufungen.
profil: Der Zorn als Triebabfuhr und als Voraussetzung, um überhaupt auf eine Bühne zu gehen, ist auch Thema Ihres Rabenhof-Programms „Männer fürs Grobe“. Wie zornig macht Sie dieser Wahlkampf?
Scheuba: Es gibt einen gewissen Grundzorn, der den Robert und mich verbindet. Aber natürlich neigt man oft zur Resignation. Weil man sich ja auch immer an den gleichen Dingen abarbeitet. Speziell in diesem Wahlkampf hat man es ja mit lauter Akteuren zu tun, die es früher auch schon gegeben hat, abgesehen vom Herrn Faymann. Und der ist ja eigentlich der Hans Dichand. Und am Herrn Dichand rackert man sich ja sowieso schon seit Jahren ab. Generell habe ich den Eindruck, dass in noch keinem Wahlkampf die Menschen für dermaßen dumm verkauft wurden. Und dass dieser Wahlkampf bis jetzt der zynischste ist.
profil: Welche Partei hat auf dem Gebiet des Zynismus die Nase vorn?
Scheuba: Einen ersten Preis kann man da gar nicht vergeben. Die SPÖ hat sich zum Beispiel den Boulevard gekauft – mit vielen, vielen Inseraten, in denen uns der Herr Faymann erklärt hat, wie super die Bundesbahn ist. Dass sich ein Politiker mit den Boulevard-Medien vernetzt, ist geschickt und legitim. Was mich in diesem Fall aber besonders ärgert, ist, dass ich mit meinen Steuergeldern diese Form der Vernetzung mitfinanziert habe.
profil: Schätzen Sie die Meinung der „Krone“ als wahlentscheidend ein?
Scheuba: Ich halte die „Krone“-Leser nicht alle für so deppert, dass sie die Zeitung nicht als klare Faymann-„Prawda“ erkennen.
Palfrader: Wenn man die Resonanz auf die Anti-EU-Debatte der „Krone“ anschaut, dürfte es um ihre Meinungsmacht nicht so super bestellt sein. Da wurden doch ständig Inserate mit Demo-Aufrufen geschaltet. Und bei diesen Anti-EU-Demos waren dann erstaunlich wenig Leute. Und die meisten von denen kannten den Zweiten Weltkrieg nicht vom Hörensagen, sondern haben ihn wahrscheinlich auch großteils mit ausgelöst.
Scheuba: Auf den Irrglauben, dass auf der Leserbriefseite der „Krone“ der Stimme des Volkes Gehör verschafft wird, kippen auch nur mehr Politiker rein. Das ist allein die Stimme Hans Dichands. Der sucht diese Briefe aus. Er streitet das ja auch nicht einmal ab. Die dort vertretene Meinung mit der Stimme des Volkes gleichzusetzen ist, als ob Anna Netrebko ein Leibeswind entführe und alle würden aufjaulen: „So klingt die neue Oper.“
profil: Befällt Sie angesichts des ÖVP-Bashings der „Kronen Zeitung“ der „im Showbiz geerdete Mitleidseffekt“?
Scheuba: Ich frage mich, warum die ÖVP nicht auf gleichem Niveau zurückschlägt. Warum plakatieren die nicht das Einkommen von Hans Dichand, der jeden Monat ein vertraglich gesichertes Einkommen von 713.346,21 Euro überwiesen bekommt. Den Leser würde sicher interessieren, was der Kämpfer für den kleinen Mann monatlich so abhebt.
Palfrader: Ohne Gewinnausschüttungen, wohlgemerkt. „Das muss man einmal in richtiges Geld umrechnen“, würde mein Taxler sagen. „Zehn Mille netto Banane. Da haut’s einem ja den Vogel raus.“
Scheuba: Die ÖVP will sich’s natürlich mit der „Krone“ nicht ganz verscherzen. Schließlich gibt’s auch immer wieder Ausgaben, wo wir Erwin Pröll gezählte vier Mal in Sportlerkluft beim Radfahren mit Bernie Kohl serviert bekommen. Und die Bildzeile dazu lautet in etwa: „Nur ganz knapp ist Bernie dem Landeshauptmann davongefahren.“
profil: Was halten Sie vom ÖVP-Spitzenkandidaten Wilhelm Molterer?
Palfrader: Ich glaub, da war gar kein großer Plan dahinter. Der ist denen einfach passiert. Wahrscheinlich war der Pröll, nämlich der wirklich wichtige Pröll und nicht der Minister, irgendwo in Nonndorf gerade damit beschäftigt, eine Schleife für einen Kindergarten durchzuschneiden, und einen Moment unachtsam. Und da hat der Willi seine einzige und auch letzte Chance gewittert.
Scheuba: Erschreckend ist ja auch, dass offensichtlich in der Realverfassung der Republik Österreich ein heimlicher Konsens herrscht. Der lautet: Wer auch immer in der Regierung sitzt, in Wahrheit haben in diesem Land sowieso immer der Pröll und der Häupl die Machtfäden in der Hand. Das ist ein Grundkonsens, den du quer durch alle Intelligenzschichten zu hören kriegst. Und nirgends ein Gegenpol in Sicht, der das aufbricht. Bei einem Doppelinterview mit Michael Häupl und Erwin Pröll wurde die Frage nach dem Anteil der Landesfürsten beim Platzen der großen Koalition gestellt, die ja bekanntlich viel blockiert haben. Die haben wie auf eine Majestätsbeleidigung reagiert. Und dann ganz cool kommuniziert, dass der Bund sowieso immer unbedeutender wird und die wichtigen Sachen sowieso nur mehr auf Landesebene umgesetzt werden. Nach Brüssel käme gleich St. Pölten und dann das Wiener Rathaus.
profil: Wie schätzen Sie den potenziellen Molterer-Nachfolger Josef Pröll ein?
Palfrader: Die Frisur geht gar nicht. Also ohne eine neue Frisur braucht mir der gar nicht zu kommen. Das hab ich ihm schon einmal persönlich gesagt. Er soll zum selben Friseur gehen wie sein Onkel, dann können wir weiterreden. Ohne Glatzen kein Erfolg in Niederösterreich.
Scheuba: Das unglaublich Zynische an der ÖVP ist ja, dass sie sich in diesem Wahlkampf mit der „Es reicht!“-Kampagne benimmt, als ob sie Oppositionspartei gewesen wäre und damit jede Verantwortung von sich weist.
Palfrader: Diese Kampagne könnte inhaltlich genauso gut von der FPÖ stammen. Der Molterer-Willi ist ein echter Thrill-Seeker.
profil: In welchem Kontext?
Palfrader: Ein Thrill-Seeker ist zum Beispiel einer, der nur mit einer Unterhose bekleidet in die Bronx fährt und dort „Scheiß Nigger!“ brüllt. Ich seh ihn förmlich vor mir, wie er vor dem Platzen der Regierung mit einer Handgranate in der Hand dagestanden ist, den Sicherungssplint gezogen hat und dann erst draufgekommen ist, dass die jetzt wirklich scharf ist. Das dürfte ihm dann doch ein bisserl Angst gemacht haben.
profil: Abgesehen von seiner Schwäche für den Boulevard, wie schätzen Sie Faymanns politisches Potenzial ein?
Scheuba: Ich zitiere Karl Blecha, der Faymanns Hauptvorteil mit dem Satz „Er ist nicht Alfred Gusenbauer“ beschrieben hat.
Palfrader: Der weiß, welche Defizite er wettzumachen hat. Der ist brav zu den Gewerkschaftern und Parteifunktionären gedackelt und hat den lieben Onkel mit dem offenen Ohr gegeben. Der Faymann hat genau kapiert, dass „Anti-Sudern“ so was von angesagt ist.
profil: Wie kann man sich dann das Scheitern des Noch-Kanzlers erklären?
Scheuba: Durch das Paralleluniversum, in dem die Doris Bures und der Josef Cap ihn komplett von der Realität abgeschottet haben. Die haben ihm dauernd erklärt, wie großartig er ist und die Kritiker alles blöde Neider sind. Das Hauptproblem des Gusenbauer ist seine Selbstgefälligkeit. Die haben andere Politiker auch, aber dem Gusenbauer hat man sie so richtig angesehen. Der hatte so einen gewissen Blick, wo man genau wusste: Jetzt denkt er sich wieder, wie großartig er ist.
profil: Ich bitte um Ihre Wahlprognosen.
Scheuba: Ich glaube, dass Heide Schmidt eine reale Chance hat reinzukommen. Sie ist intelligent, rhetorisch begabt und einigermaßen integer. Ihr Problem ist nur die Struktur dahinter. Sie hat als Sponsor den Herrn Haselsteiner und damit jemanden, der in der Baubranche in riesigen Dimensionen arbeitet. Das bei dem alles korrekt geschäftlich abläuft, ist von überschaubarer Wahrscheinlichkeit. Das ist so, als ob man einen Austro-Popper aufstellt und hofft, er hat noch nie Drogen genommen.
Palfrader: Ich glaube weder inhaltlich noch im Kräfteverhältnis an große Veränderungen. Ich finde die Zeit vor der Wahl ziemlich mühsam, weil alle Politiker sich für „Wir sind Kaiser“ verweigern. Die haben alle die Hosen voll.
profil: Sie beide sind etablierte Satiriker mit einer guten Auftragslage im ORF. Wie schwierig ist es, seinen Zorn zu mobilisieren, wenn man gleichzeitig vom Establishment vereinnahmt wird?
Palfrader: Ich lege Wert auf die Feststellung, dass ich mit niemandem verhabert bin. Bei einer Veranstaltung sind Alexander Wrabetz und Elmar Oberhauser einmal zu mir auf die Bühne gekommen. „Und, Seyffenstein, wer ist wer?“, hab ich gefragt. Der Alexander Wrabetz war dann so nett und hat aufgezeigt, wie ein Volksschüler, der aufs Klo muss. Ich habe ihn dann dafür gelobt, dass er auch seinen Quotenhit, den Bullen von Tölz, mitgebracht hat. Das Publikum hat gelacht, nur der Herr Oberhauser nicht. Wahrscheinlich hat er einen schlechten Tag gehabt.
Scheuba: Einen Bad-Body-Day wahrscheinlich – im Gegensatz zum Bad-Hair-Day. Aber natürlich wollen wir geliebt, aber auch gefürchtet werden. Der Vereinnahmungseffekt birgt natürlich auch eine Gefahr. Am schlimmsten ist es eigentlich, wenn’s völlig wurscht ist. Auf unsere Martin-Schlaff-Folge in der zweiten Staffel von „Die Vier da“, die auf Fakten beruht hat, kam zum Beispiel keinerlei Reaktion. Da denkt man sich: Das gibt’s doch nicht, dass das so wurscht ist!
Palfrader: Die sind alle zu Hause gesessen, haben in der Nase gebohrt und die „Krone“ gelesen. Bei „Wir sind Kaiser“ gibt’s sowieso keine Reaktion, weil das Format von keiner politischen Relevanz ist. Das ist Blödeln auf oszillierendem Niveau.
Scheuba: Ganz so war’s bei uns nicht. Nach der Folge „Der Landeshauptmann von Mittelösterreich“ in „Die Vier da“, die sich unter anderem mit dem Verhältnis der Landesstudios zu ihren Landeshauptleuten auseinandersetzte, waren einige Landesdirektoren angeblich sehr aufgeregt.

Interview: Angelika Hager