Dinosaurier

Dinosaurier: Gestein des Anstoßes

Gestein des Anstoßes

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Es war eine paradiesische Welt. Subtropische Temperaturen wie im heutigen Florida, kaum jahreszeitliche Schwankungen, eine überreiche Vegetation und Nahrung in Hülle und Fülle. In dieser Welt stapften sie also herum, die Dinosaurier, diese nach heutigem Wissen mächtigsten Landtiere der Erdgeschichte. Sie hatten sich aus Reptilien entwickelt und lebten über eine Zeitspanne von 180 Millionen Jahren. Doch dann, an der Grenze zwischen der Kreide- und Tertiärzeit vor 65 Millionen Jahren, verschwanden sie plötzlich von der Bildfläche.

„Plötzlich“ ist nach erdgeschichtlichen Kriterien ein dehnbarer Begriff. Es kann 300.000, ja 500.000 Jahre auf oder ab bedeuten. Das methodische Repertoire der Wissenschaft reicht derzeit nicht aus, um geologische Fundstücke präziser zu datieren. Aber Faktum bleibt, dass innerhalb dieses zeitlichen Spielraums das Leben der „Dinos“ ein abruptes Ende fand. Nach der in Gesteins- und Sedimentschichten gut erkennbaren Kreide-Tertiär-Grenze sind sie jedenfalls nicht mehr da. Über die Ursachen kursieren verschiedene Theorien. Die populärste, von namhaften Geologen vertretene These lautet: Zur fraglichen Zeit hat ein zehn Kilometer großer Asteroid die Erde getroffen, worauf gewaltige Massen an Wasserdampf, Staub, glühenden Gesteinsbrocken und diversen Gasen in die Stratosphäre geschleudert wurden, die den Planeten auf die Dauer von Monaten, wenn nicht Jahren abschatteten und abkühlten, sodass große Teile der Vegetation vernichtet wurden. Saurer Regen besorgte den Rest. Zwei Drittel der Lebewesen verloren ihre Nahrungsgrundlage, darunter vor allem die viel fressenden Dinosaurier. Zuerst starben die Pflanzenfresser, dann die auf den Verzehr von Pflanzenfressern angewiesenen Fleischfresser.

Alternativthese. So plausibel die Theorie auch klingen mag, eine Forschergruppe rund um die aus der Schweiz stammende Geologin Gerta Keller von der Princeton- Universität stellt sie jetzt massiv infrage. In einem vor zwei Wochen im renommierten amerikanischen Wissenschaftsjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ („PNAS“) erschienenen Fachartikel setzen die Forscher den Asteroideneinschlag 300.000 Jahre früher an, zweifeln darüber hinaus an etlichen Begründungen für die Einschlagthese und stellen eine Alternativthese auf: Die Auslöschung der Dinosaurier sei auf einen Mix aus Vulkanismus und mehreren kleineren Asteroideneinschlägen zurückzuführen.

Die Veröffentlichung im „PNAS“ zog heftige, vor allem im Internet ausgetragene Kontroversen nach sich. Die Kontrahenten schenken sich gegenseitig nichts. Was einst eine akademische Debatte, gefärbt von leichten Antipathien, gewesen sein mag, ist inzwischen zu einem veritablen Streit eskaliert, bei dem auch deftige Wortwahl die gegensätzlichen Standpunkte unterstreicht. Dabei wird für Außenstehende nicht gleich erkennbar, ob hier ein notwendiger Paradigmenwechsel verhindert werden soll oder ob es sich um einen Zwergenaufstand handelt, dessen Anführer es bloß verstehen, ihre Thesen geschickt in die Öffentlichkeit zu tragen. Welche der beiden Schulen letztlich die Oberhand behalten wird, lässt sich noch nicht absehen. Bei einem Geologentreffen im April geht der Streit in die nächste Runde.

Einige der „Zutaten“ hatten sich schon vor längerer Zeit angekündigt. Immerhin weiß die Wissenschaft seit 150 Jahren, dass die „Dinos“ ziemlich abrupt vom Erdboden verschwunden sind. Geowissenschafter fragten als Erste nach dem Warum.

Im Jahr 1980 fanden der Physik-Nobelpreisträger Luis Alvarez und sein Sohn Walter von der Universität Berkeley in Sedimentschichten aus der Epoche des Sauriersterbens erstmals große Mengen des chemischen Elements Iridium. Dieses Metall kommt in Meteoriten oder Asteroiden zehntausendmal häufiger vor als auf der Erde. Da die Metallspuren aber keinesfalls irdischen Ursprungs waren, verkörperten sie die unzweideutige Visitenkarte eines Einschlags aus dem All. Seither sucht die Fachwelt nach dem dazu passenden Krater.

Sie fand ihn Anfang der neunziger Jahre mithilfe von Magnetfeldmessungen auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, die vom Südosten des Landes aus weit in den Golf von Mexiko hineinreicht. Am Nordwestzipfel dieser flachen Landzunge registrierten die hochempfindlichen Geräte in einer Tiefe von rund 800 Metern Magnetfeldanomalien, die sich nach Auswertung der Daten als gewaltiger Ringwall mit einem Durchmesser von gut 180 Kilometern entpuppten. Es schien, als sei der gesuchte Einschlagsort des Riesenmeteoriten gefunden. Genaue Messungen datierten sein Alter auf 65 Millionen Jahre, jene Grenzperiode zwischen Kreide und Tertiär – in der Fachsprache K-T-Grenze –, in der das Dasein der Dinosaurier zu Ende ging. „Chicxulub“ tauften die Forscher den Einschlagtrichter nach einer nahen Maya-Siedlung.

Feuerstürme. Seither wurden in etlichen wissenschaftlichen Arbeiten rund um den Krater von Chicxulub Indizien zusammengetragen, sodass sich ein einigermaßen geschlossenes Bild ergibt. Demnach muss ein Asteroid mit einem Durchmesser von etwa zehn Kilometern mit derartiger Geschwindigkeit und Gewalt eingeschlagen haben, dass dabei das Energie-Äquivalent von tausenden Atombomben frei wurde und den ganzen Erdball erschütterte. Beim Aufprall schossen Feuerstürme hoch in die Stratosphäre und rissen glühende Gesteinsbrocken mit sich, die in weiten Teilen der Erde niedergingen und ganze Landstriche in Brand steckten. Eine weltumspannende Aschenwolke verdunkelte den Planeten. Als Folge, so resümierten etliche Forscher, wären zwei Drittel des Land- und Meeresgetiers ausgestorben, so auch die Dinosaurier. Christian Köberl, an der Universität Wien lehrender Geochemiker und Impact-Spezialist, meint: „Kein vernünftiger Geologe, der über diesen Krater gearbeitet hat, bezweifelt heute noch, dass in Chicxulub der Killermeteorit einschlug“.

Paläontologen begegneten der These vom fast alles vernichtenden Asteroideneinschlag allerding von Anfang an mit Skepsis. Denn in der Tierwelt hatten sich schon vor dem Ende der Kreidezeit sehr einschneidende Veränderungen gezeigt, auch ohne gewaltige äußere Einwirkung. Ein Beispiel sind die im Wasser lebenden Saurierarten, deren zahlenmäßiger Rückgang sich schon deutlich vor der Kreide-Tertiär-Grenze beobachten lässt. Ein zweites Beispiel sind die Flugsaurier mit einer Flügelspannweite von bis zu zwölf Metern, die sich wie die Fischsaurier am Rande der Dinosaurier-Dynastie entwickelt hatten. Über eine Zeitspanne von Millionen Jahren wurden sie von Vögeln verdrängt, einfach deshalb, weil diese viel wendiger und geschickter und daher den Flugsauriern überlegen waren. Die Vögel hatten sich übrigens aus den flinken, Fleisch fressenden und überaus klugen Dromeosauriden entwickelt, deren Körperbau an Straußenvögel erinnert. Ein wesentlicher Punkt in dieser Evolution war die Entwicklung von Federn, die sich zunächst wegen klimatischer Veränderungen über Jahrmillionen als Wärmeschutz aus Schuppen gebildet hatten.

Genau genommen sind die Dinosaurier ursprünglich selbst Überlebende. Denn zu Beginn ihrer Existenz vor mehr als 200 Millionen Jahren ereignete sich das größte bisher bekannte Artensterben in der Erdgeschichte. Was diese Auslöschung von etwa 80 Prozent der Lebewesen des Planeten hervorgerufen hat, ist nicht bekannt. Vermutet werden einschneidende Veränderungen des Klimas und der Umwelt, wahrscheinlich mit ausgelöst durch Vulkanismus. Zumindest wurden bisher keinerlei Anzeichen für eine Kollision mit einem Himmelskörper gefunden.

Reptilien. Die ältesten Vertreter der Dinosaurier-Dynastie sind Krokodile, also Reptilien, aus denen alle weiteren Formen hervorgegangen sind. Frühzeitig entwickelt sich eine zweibeinige Spezies mit langem Hals und langem, sehr beweglichem Schwanz, allerdings waren diese Tiere kaum größer als 1,50 Meter. Daraus bildeten sich Linien mit unterschiedlich großen Arten, welche die Paläontologen nach der Bauart des Beckens unterscheiden. Zur sehr formenreichen Gruppe der Pflanzen fressenden Vogelbeckenechsen (Ornithischia) gehören beispielsweise der Stegosaurus, der Triceratops (Dreihorn) oder das Iguanodon (Leguanzahn). Die wohl bekannteste Gruppe der Echsenbeckensaurier (Saurischia) hingegen teilt sich in die Fleisch fressenden Raubsaurier und in die Pflanzen fressenden Echsenfußsaurier. Beide Gruppen waren Stars des von Steven Spielberg inszenierten Kassenschlagers „Jurassic Park“.

30 Meter lang. Der größte und zugleich höchstentwickelte Raubsaurier – Tyrannosaurus Rex – ist jedem Kind ein Begriff, genauso wie der schnelle Räuber Velociraptor, dessen besondere Eigenheit eine sichelartige Fußkralle war. In den berühmten naturhistorischen Museen der Welt stehen vor allem Skelette der ganz großen, vierfüßigen Echsenfußsaurier, das sind jene mit dem sehr langen Schwanz, dem sehr langen Hals und verhältnismäßig kleinen Kopf. Bei einer Körperlänge von bis zu 30 Meter konnten sie ihren Kopf bis in eine Höhe von 16 Metern heben, um auch von sehr hohen Bäumen noch Blätter zu schnappen. Vollständige Funde sind äußerst selten, der vollständigste ist ein im ostafrikanischen Mosambik gefundener Brachiosaurus mit einer Länge von 28 Metern, Schmuckstück des Berliner Humboldt-Museums. Im Wiener Naturhistorischen Museum ist das 25 Meter lange Exemplar eines Diplodocus (benannt nach seinen säulenartigen Elefantenbeinen) zu bestaunen.

Diese großen Vertreter ihrer Gattung verschwanden schon gegen Ende der Jura-Zeit, ohne dass es dafür eine schlüssige Erklärung gäbe. Denkbar wäre, dass die schwerfälligen Riesen im zunehmenden Konkurrenzkampf um die Nahrungsgründe den Vogelbeckensauriern unterlegen sind. Wesentliche Gründe könnten aber auch Vulkanismus oder Asteroideneinschläge gewesen sein. Sicher ist, dass sich im Lauf der Jahrmillionen, über die sich der Lebensweg der Dinosaurier erstreckt, auch die Landmassen des Planeten und damit das Klima markant verändert haben.

Zunächst gab es auf dem Erdball nur ein bis zwei Landmassen. Amerika, Afrika, Indien, Australien und die Antarktis bildeten einen gemeinsamen Südkontinent mit der heutigen Bezeichnung Pangea. Mit Beginn der Trias und dem etwa gleichzeitigen Auftreten der Dinosaurier driftet diese Landmasse auseinander. Amerika, Europa und Asien verschieben sich in Richtung Nordhalbkugel. Zwischen den beiden Hälften bildet sich entlang des Äquators das so genannte Gürtelmeer. Da sich die beiden Landmassen nahe dem Äquator positionieren, ist das Klima subtropisch mit üppiger, sattgrüner Vegetation. Überall wachsen Palmen, Farne, Nadelhölzer, darunter auch der Gingko-Baum.

Solange die Landmassen in einem Kontinent vereint waren, konnten die Tiere überall hinwandern – die Artenvielfalt blieb begrenzt. Erst mit der Trennung nimmt die Vielfalt zu. Im Lauf der Jahrmillionen entfernen sich aber die Landmassen vom Äquator, was einen Klimawandel zur Folge hat. Wechselnde Jahreszeiten bringen auch Winterperioden mit Eis und Schnee. Die Kälte bringt auch mehr Trockenheit mit sich, dadurch verringert sich das Nahrungsangebot insgesamt. Manche Tiergruppen passen sich an, andere nicht. „Allein durch die klimatischen Veränderungen sind Tierarten ausgestorben“, sagt Doris Nagel, Paläontologin an der Universität Wien.

Innerhalb der Gruppe der Dinosaurier kommt es, graduell und langsam, zur „ersten Wachablöse“ (Nagel). Angesichts der zumindest zeitweiligen Verknappung der Nahrungsressourcen verlassen die großen Langhälse die Bühne. Flinkere, anpassungsfähigere Pflanzenfresser treten an ihre Stelle. Außer diesen „natürlichen“ Ursachen für das Verschwinden bestimmter Tiergruppen gab es laut Nagel gewiss immer wieder Asteroideneinschläge, die jedoch keine globalen Auswirkungen hatten. Die Forscherin zweifelt auch, ob es sie beim Einschlag von Yucatán gab. Zwar ist auch sie überzeugt, dass es ein großer Einschlag mit ungewöhnlichen Auswirkungen war, aber dass dieses Ereignis allein zur Auslöschung der Dinosaurier geführt habe, sei für sie nicht nachvollziehbar: „Das ist eine Glaubensrichtung. Die einen glauben daran, die anderen nicht.“

Ausgestorben. Schon bei den „Barbara-Gesprächen“ zum Thema „Impaktismus und Paläontologie“ 1997 in Payerbach stellten sich die Wiener Paläontologen gegen die Einschlagthese: Ihre Forschungen zeigten, dass etliche Tierarten, wie etwa die Ammoniten (Kopffüßer wie etwa der Tintenfisch), schon vor Ende der Kreidezeit in einem sich oft über Millionen Jahre erstreckenden Prozess ausgestorben sind. Keines dieser „Aussterbemuster“ zeige ein abruptes Ende. Während Nagel den Verfechtern der Impact-These wie Alvarez oder Köberl vorwirft, „dass sie sich nie mit den Tieren beschäftigen“, kehrt Köberl den Spieß um: „Die Paläontologen sehen immer nur Langzeiteffekte. Ich weiß nicht, ob sie die Kurzzeiteffekte so gut auflösen können.“

Um die Kurzzeiteffekte des Einschlags von Yucatán präziser analysieren zu können, fand sich vor rund zwei Jahren ein internationales Forscherteam, zu dem auch Köberl gehörte, auf der mexikanischen Halbinsel ein, um ein anderthalb Kilometer tiefes Bohrloch in die Tiefen des Kraters zu treiben. Die meisten Geologen erwarteten sich von der Analyse des Bohrkerns eine Bestätigung ihrer These. Besonders interessierten sie sich für die Sedimente, die sich auf dem Impact-Gestein abgelagert hatten. Denn die könnten zeigen, was unmittelbar nach der Katastrophe geschah. Auch Princeton-Forscherin Keller erhielt von dem Bohrkern eine Probe.

Anfang April des Vorjahres trafen sich Geologen und Paläontologen in Nizza, um die Ergebnisse ihrer Analysen zu besprechen. Der niederländische Geologe Jan Smit von der Freien Universität Amsterdam lieferte als Einleitung eine Untermauerung der Impact-These: Die Proben zeigten, dass der Asteroid ganze Arbeit geleistet habe. Dann trat Keller ans Pult. Sie hatte ihre Untersuchungen erst kurz vor der Tagung in einigen Nachtschichten abgeschlossen. „Sie hören jetzt eine Geschichte, die ganz anders verläuft als die, welche soeben erzählt wurde“, begann sie ihren Bericht, wohl in der Überzeugung, dass er dem Sturz eines Dogmas gleichkomme. Sie hatte bei der Analyse der Gesteinsprobe fossilierte Foraminiferen entdeckt – planktonähnliche Einzeller, die bis heute die Weltmeere bevölkern und die zu Kellers Spezialgebiet gehören.

Mikroorganismen. Die spezifische Art, die sie unter ihrem Mikroskop erkannte, hatte aber mit den Dinosauriern die Erde für immer verlassen. Dennoch waren sie in der Sedimentschicht über dem Impact-Gestein von Chicxulub enthalten. Nach Kellers Argumentation, die sie nunmehr in ihrer Publikation im Fachblatt „PNAS“ näher ausführt, lagerten sich die Mikroorganismen nach dem Aufprall des kosmischen Geschosses ab und wurden folglich nicht durch den Einschlag ausgerottet, genauso wenig wie die Riesenechsen. Schichten von Grünsandstein und Magnetsignaturen aus dem Bohrkern würden diese Darstellung zusätzlich untermauern: „Das umstrittene Gestein hat sich über einen Zeitraum von 300.000 Jahren abgelagert. Erst danach kommt jener Einschnitt, der das Ende dieser Foraminiferen und der Dinosaurier markiert.“

Doch Kellers Kontrahenten bleiben nach wie vor fest bei ihrer Überzeugung. Für Smit ist das fragliche Gestein die bloße Ablagerung eines so genannten Tsunami, einer gewaltigen Flutwelle. Nach dem Einschlag des Asteroiden ins Meer, so seine Version, hätten sich die Wassermassen zunächst vom Aufprallort entfernt, um nach einiger Zeit zurückzuschwappen und den Krater zu überspülen. Kellers Foraminiferen bezeichnet Smit als gewöhnliche Dolomitkristalle.

Auch Geochemiker Köberl hält Kellers Interpretation für unhaltbar. Laut seiner Darstellung finde man für die Zeit des Aussterbens der Dinosaurier weltweit geschockte Mineralien als typisches Relikt eines Projektils aus dem All. Verteilung und Größe dieser Kristalle würden auf einen Einschlagsort in der Nähe Nordamerikas hindeuten. Außerdem sei die geochemische Signatur all dieser Mineralien identisch mit jener des Schmelzgesteins aus den Chicxulub-Proben. Keller hingegen behauptet, das Impact-Gestein aus Mexiko und andernorts stamme nicht vom selben Einschlag. Mit diesen Aussagen konfrontiert, reagiert Köberl ungehalten: „Das zeigt, dass Keller nichts von Geochemie versteht.“

Doch die Princetoner Wissenschafterin lässt nicht locker. Exkursionen in den vergangenen Jahren würden ihre Bedenken untermauern, dass die Dinosaurier-Ära nicht mit einem einzigen Paukenschlag in Chicxulub zu Ende gegangen sei. In Nordmexiko, Haiti, Belize und Guatemala will sie Spuren von gleich drei Impacts entdeckt haben, die in einem Zeitraum von 450.000 Jahren um das Ende der Kreidezeit die Erde heimgesucht hätten. Doch selbst diese drei kosmischen Katastrophen, mutmaßt sie, reichten nicht aus, das Massensterben auszulösen.

Nach ihrer Theorie hätte eine Kombination aus zwei Faktoren zur Auslöschung der Dinosaurier geführt – Einschläge und Vulkanismus. Im Detail lautet ihre These folgendermaßen: Eine halbe Million Jahre vor dem Ende der Dinosaurier driftete der indische Kontinent über eine Magmablase im Erdmantel. Dieser Schneidbrenner bahnte sich durch Vulkane den Weg an die Oberfläche und heizte die Atmosphäre mit Treibhausgasen auf. Keller will in den vergangenen Jahren eine Reihe von Hinweisen gefunden haben, dass diese Feuerberge dem Leben auf dem Planeten genauso zusetzten wie ein großer Meteoriteneinschlag. „Die Geschosse aus dem All“, so Keller, „gaben den Dinosauriern nur den Rest.“

Das ist eine Darstellung, bei der sich die Standpunkte annähern könnten. Denn auch Köberl glaubt, dass Vulkanismus mit im Spiel gewesen sein könnte, allerdings nicht ohne den Asteroideneinschlag. Die Wiener Paläontologin Doris Nagel möchte die Kombinationsthese noch um zumindest einen Faktor erweitern: „Die Dinosaurier wurden durch natürliche Vorgänge dezimiert. Ein oder mehrere Großereignisse haben ihnen den Rest gegeben. Kann sein ein Einschlag, kann sein Vulkanismus.“ Gut möglich, dass die Wissenschafter auch diese Fragen irgendwann klären.

Aber eines konnten sie bis heute nicht schlüssig beantworten: warum andere Geschöpfe wie etwa die Vögel oder die Säugetiere all diese Katastrophenszenarien überlebt haben.