Dopingmittel bei Hobbysportlern

Dopingmittel bei Hobbysportlern: Kaum Kontrollen und keine Sanktionen

Kaum Kontrollen und keine Sanktionen

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Von Rosemarie Schwaiger

So fair kann der Sport sein: „Ich verpflichte mich, zur Erbringung von sportlichen Leistungen keinerlei verbotene Substanzen zur Steigerung des körperlichen Leistungsvermögens zu mir zu nehmen.“ Dieser Satz findet sich im „Clean Running“-Manifest des Vienna City Marathons, das von über 6000 Teilnehmern unterschrieben wurde. Außerdem behaupten die Unterzeichner, dass sie auf ihre natürlichen körperlichen Fähigkeiten vertrauen, das Vortäuschen und Erschleichen von Leistungen durch betrügerisches Verhalten strikt ablehnen und nur Medikamente einnehmen, wenn es dafür eine medizinische Indikation gibt. Sauberer geht es nicht.

Aber Papier ist bekanntlich geduldig. Wie viele der rund 28.000 Teilnehmer des Wiener Marathons am Sonntag wirklich nur auf Energieschübe durch Müsliriegel und Bananen vertrauten, wird sich nie klären lassen. Kontrolliert werden traditionell nur die drei Erstplatzierten sowie jene Läufer, die einen nationalen Rekord brechen. Alle anderen können schlucken und spritzen, wonach ihnen der Sinn steht, ohne Angst vor einer Entdeckung haben zu müssen. Und angeblich tun sie das auch in großer Zahl: Hans Holdhaus, Leistungsdiagnostiker und Österreichs bekanntester Anti-Doping-Experte, zitiert dieser Tage gern aus einer Umfrage, die er vor ein paar Jahren unter Marathonteilnehmern gemacht hat. Fast ein Drittel habe zugegeben, Substanzen oder Medikamente zu nehmen, die auf der Verbotsliste stehen. „Der Umsatz ist um ein Vielfaches größer als im Spitzensport“, betonte Holdhaus vor Kurzem.

Die Geständnisse des Radrennfahrers Bernhard Kohl und der Triathletin Lisa Hütthaler sowie eine Reihe von Verhaftungen durch die Soko Doping im Bundeskriminalamt haben nun auch eine Debatte über die Sauberkeit des Breitensports ausgelöst. Derzeit sitzen sechs Männer wegen des Verdachts des Handels mit Dopingpräparaten in Untersuchungshaft. Doch der Großteil ihrer Kunden kommt nicht aus dem ­Spitzensport; es sind Amateure, die sich mit Chemie das Training erleichtern und ­schnellere Leistungssteigerungen erreichen wollten. Gerald Tatzgern, Sprecher des Bundeskriminalamts, spricht von „einer drei­stelligen Zahl von Abnehmern aus der Kraftsportszene“.

Schlechter Ruf. An Dopingskandale im Spitzensport hat sich das Publikum schon gewöhnt. Schließlich geht es um viel Geld. Kein Wunder, wenn die Athleten jede Möglichkeit zur Leistungssteigerung nützen. Dass auch Amateure in großer Zahl auf die Pharmaindustrie setzen, verstört schon deutlich mehr und könnte den Ruf großer Sport­events beschädigen. Wolfgang Konrad, Organisator des Vienna City Marathons, hat Hans Holdhaus wegen dessen Dopingaussagen geklagt. „Ich wehre mich gegen diese Verallgemeinerungen“, zürnte Konrad in einem Interview. „Wenn ich mir heute unsere Marathon-Internetseite anschaue mit den vielen Bildern der lachenden Menschen, die ins Ziel kommen – da soll jeder Dritte gedopt sein?“ Doch die Beweisführung vor Gericht wird beiden Herren schwerfallen. Weil die Einnahme leistungssteigernder Substanzen für Hobbysportler nicht verboten ist, gibt es keine gesicherten Fallzahlen. Auch die Eingrenzung ist schwierig: Als gedopt gilt streng genommen schon ein Jogger, der vor jedem Trainingslauf ein paar Schmerztabletten schluckt und am Asthmaspray schnüffelt.

Erfahrungswerte aus dem In- und Ausland lassen aber den Schluss zu, dass in vielen Fällen zu härteren Drogen gegriffen wird: In der belgischen Radsporthochburg Flandern etwa werden bei den zahlreichen Amateurrennen pro Jahr rund 900 Hobbyradler kontrolliert. Zehn bis fünfzehn Prozent sind gedopt – und zwar nicht mit starkem Kaffee oder einem Butterbrot extra. Im Blut der erwischten Fahrer finden sich vor allem Amphetamine und anabole Steroide. Die Universität Lübeck machte vor ein paar Jahren eine Studie zum Thema und kam auf rund 200.000 regelmäßige Dopingkonsumenten unter den deutschen Hobbysportlern. Tendenz stark steigend.

Weit verbreitet. Vor einem Monat wurden in Linz zwei Amateur-Bodybuilder zu bedingten Haftstrafen verurteilt, weil sie sieben Jahre lang nicht nur selbst Testosteronpräparate konsumiert, sondern diese auch an die Kollegen im Fitnesscenter verkauft hatten. Einer der Angeklagten rechtfertigte sich vor Gericht damit, dass solche Mittel „sehr üblich und weit verbreitet“ seien.

Mitunter kann es auch vorkommen, dass ein Sportler dopt, ohne es zu wissen. Das Forschungszentrum Seibersdorf untersuchte vor acht Jahren 54 häufig verkaufte Nahrungsergänzungsmittel auf ihre Inhaltsstoffe. In zwölf Proben fanden sich anabole Steroide, die nicht auf der Packung angegeben waren. Günter Gmeiner, Leiter des Doping-Kontrolllabors in Seibersdorf, glaubt zwar, dass solche Verunreinigungen heute seltener vorkommen. Dafür sind die Möglichkeiten der aktiven Beschaffung mit den Jahren immer besser geworden. „Im Internet kriegen Sie alles“, sagt Gmeiner. Und wer selber basteln möchte, bekommt etwa im „Schwarzbuch anabole Steroide“ eine exakte Anleitung zum „Homebrewing“.

Dass die Probleme vielleicht doch etwas größer sind, als Marathon-Organisator Wolfgang Konrad zugeben möchte, zeigen auch die Bemühungen der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA). Vor wenigen Tagen brachte die Agentur eine umfangreiche Broschüre für Hobbysportler heraus, in der eindringlich vor den Gefahren des Medikamentenmissbrauchs gewarnt wird. Sogar der Olympia-Seelsorger Pater Bernhard Maier redet darin den Amateuren ins Gewissen: „Wir Menschen sind offensichtlich die einzigen Lebewesen, die sich selber gerne belügen. Gerade im Breitensport wäre das Doping ganz und gar nicht nötig.“

NADA-Chef Andreas Schwab möchte die Broschüre in den nächsten Monaten bei allen größeren Lauf-, Triathlon- und Radbewerben verteilen lassen. „Wir werden sehen, was das bewirkt.“ Mehr Kontrollen hält er dagegen nicht für angebracht. „Das wäre sinnlos, weil es ja keine rechtlichen Konsequenzen hätte. Im Breitensport ist Aufklärung der bessere Weg.“

Gegen den Ehrgeiz vieler Hobbyathleten ist aber wohl kein Kraut gewachsen. Dagmar Rabensteiner, Ärztin und früher erfolgreiche Marathonläuferin, wunderte sich schon zu ihren aktiven Zeiten über den Trainingsfuror mancher nicht organisierter Kollegen. „Ich hab mir oft gedacht, die setzen sich bei ihrer Freizeitbeschäftigung größeren Zwängen und Einschränkungen aus als ein Leistungssportler.“ Sie selbst gab den Langstreckenlauf vor sechs Jahren auf. Unter anderem deshalb, weil sie an ihr persönliches Limit gekommen war. „Mit legalen Mitteln wäre nicht mehr drin gewesen.“