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Du sagen, ich schreiben

Du sagen, ich schreiben

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Ich habe die Taxler ganz gern. Erstens schützen sie vor Verarmung. Sie sind billiger als die teuren Garagen der Wiener City. Zweitens bewahren sie mich davor, als be­rüch­tigter Optimist die Welt allzu hell zu sehen. Unter den gestrigen zehn Taxlern waren zwei arbeitslose Lehrer (der dümmste Luxus, den sich ein Staat leisten kann), ein 55 Jahre alter, arbeitsloser Doktor der Chemie, der keinen Tag älter als 70 aussah, und fünf faschistoide Dumpfgummis, die von Strache schwärmten, weil „der ist ja noch besser als der Haider“. Entzückend hingegen die beiden Fremdarbeiter, die mit dem leichten Gemüt des Balkans die eigentliche Arbeit mir überließen: „Du sagen, ich fahren.“

Ich habe damit kein Problem. Und in Wien kenne ich mich so gut aus wie Schopenhauer in den Labyrinthen der Melancholie. Außerdem gewann ich dadurch die Idee, es den Taxlern gleichzutun. Warum soll ich mich abplagen, das Thema meiner Kolumne selbst zu suchen? Warum nicht mit südlicher Süße die Arbeit an die zahlenden Leser nach oben delegieren? Diesmal also: „Du sagen, ich schreiben.“ Fangen wird mit einem alten Freund an, Franz M. Bog­ner, der uns einst als Wirtschafts-Ressortchef der „Presse“ entzückte, dort aber so viel verdiente wie ein 55 Jahre alter, arbeitsloser Doktor der Chemie und dann lieber den Boss des Kuratoriums für Verkehrssicherheit gab. Bogner ist im Verkehr und Geschmack äußerst sicher, was man auch am Text seiner Zuschrift zur Kolumne „Pyramide Österreich“ (profil 32/08) erkennen kann: „Mit wohligem Ver­gnü­gen habe ich Deine Betrachtung über das schöne Österreich gelesen, ­mitsamt den großen heimischen Köpfen, die viel zu profunden Theorien beigetragen haben. In dieser Liste fehlen mir allerdings einige große Denker, die mindestens genauso viel geleistet haben wie ein Watzlawick oder ein Malik: die Vertreter des vernetzten Denkens, die diese Schule in die Welt hinausgetragen haben, v. a. F. Capra und F. Vester …“

Danke, ist hiermit nachgeholt. Man kommt ja kaum nach mit der Aufzählung aller rotweißroten Glühbirnen, die überall bewundert werden, nur nicht daheim. Was allerdings auch für die Glühbirnen anderer Länder gilt. Es gibt eine Internationale des Nachbarschaftsneids. Danke für den Beitrag. Geld gibt’s dafür keins. Anstelle eines Honorars erwähne ich aber gern, dass Du glänzende Arbeit in der universitären Publizistikausbildung leistest. Allerdings fehlt in Deinem Vor­lesungsprogramm die Idee, eine Kolumne von den Lesern bestimmen zu lassen – obwohl, wenn ich’s recht bedenke, die „Krone“ seit Jahrzehnten nichts anderes tut. Für den weiteren Text muss ich keine Leserbriefe zurate ziehen. Da genügt mir das vorwöchige rauschende und rauschige Aristo-Fest ­nahe Stockerau. Ich bin dort zu einem einzigen Tanz gekommen, dann musste ich arbeiten. Meine blaublütigen Freunde haben einen wachen Sinn für Gratisberatung. Ich rufe davon einiges in Form von Antworten in Erinnerung.

„Liebe Baronesse! Sie werden gemerkt haben, dass ich Ihren Namen nicht verstand, weil die enthemmte Band gerade den Landler ‚Drunten am Untersberg‘ spielte. Ich war dann zu feig nachzufragen, bitte um Vergebung. Sie sind eine kluge Anwältin und schöne Frau und haben mit Recht kritisiert, dass in meinen heurigen Sommerkolumnen die übliche Literaturempfehlung für sun, sand & sea fehlte. Das lag daran, dass ich heuer gegen meine Prinzipien lebte. Erstmals las ich Lieblingsbücher von einst ein zwei­tes Mal, um mit sicherer Freude ein Burn-out-Syndrom zu bekämpfen. Darunter folgende Werke: ‚Orlando oder die Liebe zur Fotografie‘ (Paul Theroux), ‚Julia und der Kunstschreiber‘ (Mario Vargas Llosa), ‚Zeitkurven‘ (Arthur Miller), Max Frischs Tagebücher, Handkes Reisenotizen ‚Gestern unterwegs‘ und meine ausnahmslos geliebten Niederländer wie Harry Mulisch, Leon de Winter, Conny Palmen und Cees Nooteboom. Sollten Sie eines meiner Lieblingsbücher noch nicht gelesen haben, beneide ich Sie. Küss die Hand.“

Die nächste Beratung ging an den glänzenden Unternehmer Wenckheim, der auch glaubt, Gratistipps seien der Schaum vom Bier. „Lieber Engelbert! Du fragst, woher ich all die absoluten und relativen Kennziffern herhabe, mit denen ich ständig nachweise, dass Österreich das summarisch beste Land der Welt ist. Blöd werde ich sein und Dir meine Berufsgeheimnisse verraten. Ich nenne Dir aber ein paar frische Zahlen, auch im Verhältnis zu Deutschland, weil die deutschen Sportkommentatoren mangels eigener Erfolge die österreichischen Medaillen in Peking so mürrisch kommentieren. Also hör beispielsweise den jüngsten Stand des BNP pro Kopf: Österreich ist unter den Top Ten, wenn man die sündigen Spezialfälle wie Caymans, Bermuda, Andorra und Ölflecken wie Katar etc. weglässt, mit zuletzt 37.330 Dollar; Deutschland nicht mehr unter den Top Ten: 33.800 Dollar. Es wird Dir auch gefallen, dass wir beim ­human development index (im Wesentlichen errechnet aus ­Bildung und Lebenserwartung) auf Platz 14 liegen, aber Deutschland auf Platz 21. Das mit Deutschland sollten wir aber nicht zu stark heraushängen lassen. Das bringt zwar noch mehr deutsche Unternehmen ins Land, aber die Muttis aus Wuppertal nicht nach St. Anton am Arlberg.“
Zum Abschluss noch folgende Botschaft an Herrn Hohenlohe: „Kari, Herzibinki, Du solltest als frischer Papa andere Sorgen haben, als mich bekümmert nach dem Stand des Neoliberalismus zu fragen. Erstens kenne ich den nicht, weil ich anhand unserer hohen Staats- und Steuerquote und deren Entwicklung keinen Neoliberalismus erkennen kann. Zweitens sollten wir nach unserem meisterlichen Dreiteiler Die Erben wieder ein TV-Stück schreiben. Ich schlage folgendes Thema vor: Die speziell habsburgischen Talente, rotblü­tige Gäste in Form von Trinkgelagen preiswert auszubeuten.“