Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz

Kralj Tartuf

Drucken

Schriftgröße

So ändern sich die Zeiten. Noch vor ziemlich genau einem Jahr kam das jährliche Trüffel-Update an dieser Stelle aus Alba im Piemont. Heuer haben die Wirtschaftsforscher auf dem Weg nach Italien ein Umleitungsschild aufgestellt, für alle, die dennoch nicht auf eine volle Nasenladung Tuber magnatum Pico verzichten oder sogar welche kaufen wollen. Der Weg führt ins Mirnatal im Norden Istriens, einen abenteuerlich schönen Landstrich zwischen den Orten Buje und Buzet, wo die weißen Trüffeln immer noch erklecklich weniger kosten als in Italien. Vor mehr als zehn Jahren habe ich dort zum ersten Mal den damals noch fast im Geheimen betriebenen Kult um die Knollen erforscht, die bloß ein ausgebuffter Kenner von jenen unterscheiden kann, die im Piemont wachsen. Zumindest behaupten das die selbst ernannten ausgebufften Kenner; ich möchte nämlich nicht wissen, wie viele Knollen in Alba schon authentifiziert wurden, die in Wahrheit in Istrien gewachsen und nach Italien geschmuggelt worden waren. Dreimal habe ich mich in den neunziger Jahren mit einem Trüffelsucher zu einer Waldexpedition verabredet, zweimal war er leider nicht da. Er war – mit einem Reservereifen voller aromadicht verpackter Trüffeln (die kroatischen und italienischen Zöllner horteten damals im Herbst hunderte Kilo beschlagnahmter Trüffeln in den Grenzstationen) – nach Alba unterwegs. Sein Haus war damals eine Baustelle, gleichsam ein zur Ewigkeit verdammter Rohbau.
Heuer fahre ich nach Livade und sehe ein schmuckes Anwesen. Er war wohl oft in Alba seither. Er grinst, als ich ihn darauf anspreche, sagt, er will seinen Namen immer noch nicht in der Zeitung lesen, weil die italienischen Geschäfte, wie ich mir denken könne, ganz ohne Rechnung auskommen, und fragt, wie ich ­darauf komme, dass er damals eifrig geschmuggelt habe. „Glaubst du, ich fahr nicht mehr? Irrtum.“
In Livade ist jeden Sonntag im Oktober und im November Trüffelmesse. Dann wird „kralj tartuf“ gehuldigt, dem König Trüffel. Der Mann, der den lokalen Kult um die Knolle weltweit bekannt gemacht hat, steht im Festzelt (früher fand die Knollensause in einem Tito-Plattenbau statt), schnuppert und jongliert mit Knollen im Wert der hierzulande mühevoll beschlossenen Mindestsicherung. Giancarlo Zigante hat 1999 eine Rekordtrüffel mit 1,3 Kilo gefunden (nein, seine Hündin Diana hat sie gefunden), um die seither das ganze Tal tanzt; es gibt in den lokalen Konobas etliche Gipsabgüsse von ihr. Dann eröffnete er ein Edelrestaurant und eine Trüffelmanufaktur mit eingelegten Spezialitäten; manche sagen, er verarbeitet mehr Trüffeln, als in Istrien wachsen, aber egal.
Jetzt ist er der Trüffelkaiser, und seine Ware ist um einiges teurer als die der Mitbewerber. Prachtstücke, Klasse I, kosteten vorvergangenen Sonntag je nach Händler 3000 bis 3900 Euro, kleinere saubere Knollen, Klasse II, 2000 bis 2500 Euro, angebrochene oder wurmdurchlöcherte, Klasse III, 600 bis 1050 Euro. Aber selbst aus dieser Klasse habe ich bei einem der Händler sechs makellose Stücke mit dem Durchmesser einer 2-Euro-Münze aufgestöbert. Gesamtwert: 35 Euro, genug für ein Trüffelessen zu viert.
Nächste Woche: Ein Versuch, Trüffeln zu suchen, und die neue istrische Olivenöl-Szene

[email protected]