Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz

Essen auf Rädern

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Ich möchte dem Kollegen Staretz hier in der profil-Kolumnennachbarschaft keinesfalls zu nahe treten, aber diesmal schreibe auch ich über Verkehrsmittel; nicht über das Autodrom, wie seine geschätzte Rubrik sich nennt, obwohl gerade eines ganz nah ist – einen Grammelknödelwurf von mir entfernt parken die gummiumrandeten Boliden des Praterplatzes, daneben dreht sich leer das Riesenrad vor grauem Himmel, und manchmal wabern Nebelschwaden durch seine Speichen, angesichts derer ich mich frage, ob die der Geist von Ex-Stadträtin Grete Laska sind, der hier umgeht, bis eines Tages der städtebauliche Super-GAU bereinigt sein wird, den sie zu verantworten hat. Okay, jetzt haben wir uns unmissverständlich verortet. Wir sind in Herbert Schmids Stadtgasthaus „Eisvogel“, der kulinarischen Prateroase, in der unermüdlich ein Käsewagen seine Bahnen zieht – neuerdings, in übertragenem Sinn, auch noch viel weitere. Um die Kultur optimal gereifter Milchprodukte zu fördern, richtet Schmid auch Käseteller an, die abgeholt oder mit dem Taxi zugestellt werden können. „Korrekt verpackt“, schmunzelt Schmid, denn wenn einmal eine etwas kräftigere Partie die Reise antritt, kann das dem Chauffeur schon zusetzen. Und wer keinen Käse mag, kriegt auf Wunsch auch Beuschel oder Gulasch geliefert.

Eine Notlösung, um so den Grete-Laska-Platz meiden zu können, ist das aber auch wieder nicht. Viele haben dem Ex-Käsesommelier des Restaurants „Steirereck“ mit einer Portion heimtückisch-wienerischer Empathie die Daumen gehalten, dass er an diesem Platz reüssieren möge, was zu Beginn nichts anderes hieß als: Na, der wird sich anschau’n in diesem Ambiente aus Brachialkitsch und Vorstadtpublikum. Aber dann kamen die Res­taurantführer, würdigten die feine Wiener Küche von Walter Schulz, die bedachte Weinkarte, und heuer sah ich schließlich Leute auf der Terrasse vor den aufgemalten Fenstern der umliegenden Gebäude sitzen, deren ästhetisches Empfinden ich so eingeschätzt hätte, dass sie hier niemals vorbeikommen würden: Aber Gustav Peichl, Wilhelm Holzbauer und André Heller waren nicht an ihre Sessel gefesselt; die waren freiwillig hier.
Oida, wie macht das der Schmid? Relativ einfach. Der Mann kommt schließlich aus der Reitbauer-Schule, und dort hat er gelernt, dass Stillstand gleichzusetzen ist mit Untergang. Konsequent haben Schmid und Schulz (ebenfalls „Steirereck“-Veteran) das Haus in der herausfordernden Lage an ein Niveau ­herangeführt, das am unteren Ende des gehobenen Restaurantlevels entlangschrammt, dabei aber immer ein vorzügliches Gasthaus bleibt, in dem niemand beharrlich mit Kellnerwissen über Brot, Olivenöl und Käse zugequasselt wird, was andernorts auf ziemlich unreflektierte Weise sehr oft der Fall ist. Auch Schmid selbst hält sich mit überbordenden Erklärungen angenehm zurück, wenn er mit seinem Käse-Boliden durch den Saal kurvt. Ach ja, der Käsewagen. Wer glaubt, mit einem Servierwagerl aus dem schwedischen Möbelhaus sei es getan, irrt gewaltig. Schmids Käse-Mobil ist handgefertigte Ware: Unter der Platte sind Kühlakkus angebracht, und am hinteren Ende der Schubladen lagern Gegengewichte („Weil sonst ziehst du die Ladln mit den Würzigen raus, und der ganze Wagen kippt dir entgegen“; Schmid). Im Sommer wird der Käsesommelier dann wohl wieder Reblochon-weiche Reifen montieren – oder die Terrassenfliesen neu und stufenlos verfugen lassen: „Sonst rumpelt das Ding draußen nämlich wie verrückt.“ Und jetzt ist Schluss mit ungehörigen Einmischungen in Kolumnen über fahrbare Untersätze ...

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