Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Die Molekular-Epigonale

Die Molekular-Epigonale

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Ich bin da schon einmal hineingeraten, in einem Gastro-Fachmarkt, und zuerst glaubte ich, die veranstalten ein Eishockey-Match in der Tiefkühlabteilung. Grölende Horden mit Pressluft-Tröten, scheppernde Lautsprecher und restlos von der Convenience-Industrie aufgekaufte Werbeflächen, vor denen junge Männer in schwarzen Dressen ständig in Kameras keuchten, wie geil und abgefahren das hier sei. Wo war ich? Bei einer Vorausscheidung des Wettkochens um den Titel des „Jungen Wilden“, das seit 2005 jährlich abgehalten wird. „Dieser Bewerb“, wird Veranstalter Jürgen Pichler, Herausgeber des Gastro-Fachmagazins „Rolling Pin“, nicht müde zu betonen, sei „der coolste Kochwettbewerb Europas“ und „das Sprungbrett zu einer großen Karriere“.

Nun ja, ich fand den Event zwar ähnlich stimmig, als würden die Pariser Haute-Couture-Schauen auf dem neu gestalteten Platz im Wiener Wurstelprater stattfinden, aber die Teilnehmer sehen das offenbar anders. Mehr als tausend Köche (seltsamerweise ausschließlich Männer) melden sich jährlich an; drei kommen ins Finale, das heuer im Mai immerhin bei Heinz Hanner in Mayerling stattfinden soll. Dort kochen sie dann „Gepoppter Zander trifft Buddhas Schwein“, „Rhabarber legt sich mit schwarzer Olive an“, „Tentakel vom Pulpo mit seinem sphärischen Rogen, Mandarinenmurmeln und Seesaibling mit Apfeltexturas“, „Flugmango-Red-Bull-Gelee und Knusperbrause“ oder „Soufflierte Tarte von Muscovado und Gianduja mit Paprika-Curry-Eis, gepfeffertem Erdbeer-Barbapapa und Estragon-Espuma“. Da darf man mittlerweile schon fragen, was an dieser Molekular-Epigonale jung und wild sein soll. Aber im Grunde ist der Bewerb ohnehin eine einzige Werbeveranstaltung und ein längst müde wirkender Tanz um den großen Guru Ferran Adrià, der die Chose unterstützt, indem er den Sieger eine Woche lang in seiner „El Bulli“-Küche beherbergt, wofür im Gegenzug alle Finalisten mindestens einen Gang mit den von ihm vermarkteten Espuma-Geräten zubereiten müssen.

Es ist ein Segen für die Küchenlandschaft, dass die Teilnehmer den Event offensichtlich als exaltierten Spaß und Gelegenheit, den obligaten Juror Tim Mälzer kennen zu lernen, verstehen und im weiteren Verlauf ihrer Karriere die Speisekarten mit derlei schauderhaften Überfrachtungen verschonen. Gerald Angelmahr, Sieger des Jahres 2007, hatte ja auch mit dem Widerspruch jung, wild und „Korso“ zu kämpfen, als er 2008 die Nachfolge von Reinhard Gerer antrat. Wo wir ihm begegnen werden, nachdem er vergangene Woche kündigte, ist noch offen. Auch die Laufbahnen anderer Sieger sind seither etwas entschleunigter verlaufen, als die Organisatoren der „Jungen Wilden“ stets prophezeien.

Oliver Scheiblauer (2005) leitet ein Catering-Unternehmen, Michael Nährer (2006) hat den elterlichen Gasthof in Niederösterreich übernommen, Roland Huber (2008) arbeitet immer noch im „Pfefferschiff“ in Hallwang, und Michael Wolf (2009) ist Poissonnier im „Oud Sluis“ des niederländischen Superstars Sergio Herman. Vielleicht hören wir eines Tages nachhaltiger von ihnen als von den Finalisten bei „Taxi Orange“ und „Starmania“. Schön wär’s; den richtigen Weg haben sie ja nun eingeschlagen.

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