Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz „Mit Grandezza aufgetragen“

„Mit Grandezza aufgetragen“

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Der 60-jährige Schwabe Vincent Klink ist der Feuilletonist unter den deutschsprachigen Köchen, und sogar das „echte“ Feuilleton findet, er formuliere besser als manche, die mit Schreiben ihr Geld verdienen. Nachzulesen ist das auch in der Publikation „Häuptling Eigener Herd“, die Klink mit dem Satiriker Wiglaf Droste als sprachgewaltiges Manifest einer ehrlichen, schnörkellosen Küche herausgibt. Es kann also gleichermaßen interessant wie amüsant werden, wenn so einer seine Memoiren vorlegt, die erfrischend frei sind von den bekannten Plattitüden, wonach halt zu Hause immer schon gerne gut gekocht wurde und deshalb …

Schon wenn Klink den Stallgeruch beschreibt, der ihn umwabert, verblüfft er mit einer aberwitzig komischen Beschreibung des gewaltigen Vaters, der gelegentlich nach riskanten Manövern in seinem Mercedes Diesel einen gebrochenen Steuerknüppel oder ein abgerissenes Lenkrad in Händen hielt. Als Tierarzt trug er stets kurzärmelige Hemden, denn „so richtig zu Hause“ waren seine Oberarme „tief im Unterleib der Kühe, denen er an den Eierstöcken herumspielte“. Seine Maxime: „Künstliche Besamung ist prima, aber die Kuh muss trotzdem Lust verspüren.“ Siedfleisch, ein häufiger Naturallohn, war des Tierarztes große Leidenschaft, und da hielt er es strikt mit den Österreichern: „Die sind faul, und nur wer faul ist, lässt sich etwas Fortschrittliches einfallen. Siedfleisch verspritzt die Küche nicht, keine Fettdünste, es dümpelt ohne Lärm vor sich hin, gibt gutes Fleisch und prima Brühe.“ Als Deutschland in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts vom Trend der strikt maskulin zusammengesetzten Hobbykoch-Clubs gestreift wurde, war auch der Vater dabei.

„Küchentaliban“ nennt Klink die Männer mit den absurd hohen Kochmützen in seinen Erinnerungen. Sie prägten ihn jedenfalls nachhaltiger als Wirtschaftswunderdinge wie Instantkaffee, Suppenwürfel und Maggi, von denen der Klink’sche Haushalt nicht ganz verschont blieb.

Ungeschönt, im Gegensatz zu vielen anderen kulinarischen Memoiren, blickt Klink hinter die Kulissen des Küchenlebens; da lässt Anthony Bourdain, ein anderer politisch reichlich unkorrekter Chef, grüßen. Wenn man als Jungkoch zum Beispiel ein widerspenstiges Hausschwein einfangen soll und es dabei mit Tritten malträtieren muss, kann man die Stellen mit den Hämatomen hervorragend als Wildschwein verkaufen. Wenn man afrikanischen Moslems etwas kochen soll und nur Schweinswürste zur Verfügung hat, streut man ordentlich Kreuzkümmel darüber, und schon kann man sie als marokkanische Lammwürste servieren. Und was eine alte italienische Adelige tut, wenn sie Spaghetti aglio e olio kochen will und die Knoblauchpresse nicht findet, lässt sich bei Klink ebenfalls nachlesen: „Die Duchessa stopft sich die säuberlich geschälten Knoblauch­zehen in den Mund und kaut das scharfe Zeug zu einer homogenen Masse. Ist alles gut zerkleinert und gut eingespeichelt, wird die Ladung mittig in die Spaghetti aglio e olio gespien, untergerührt und mit Grandezza aufgetragen.“ Es stimmt schon, was viele Chefs als Mantra verinnerlicht haben: Der Koch ist dazu da, die Gäste glücklich zu machen. Aber dank Klink wissen wir, dass zum kulinarischen Glück oft verschlungene Wege führen.

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