Eatdrink: Klaus Kamolz

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Peter Zinter gehört zu jener Generation junger Köche, die gegen einen Makel restlos immun sind: Perspektivlosigkeit, was die eigene Karriere betrifft. Der 31-Jährige trägt seine schwarze Kochjacke mit dem goldgelb gestickten Namen, die er auch anhat, wenn einschlägige Medien ihn zu diesen Fototerminen bitten, bei denen Jungköche ständig Action machen müssen mit dem ganzen Requisitenzeug, weshalb diese Bilder dann immer eine martialische Anmutung haben. Messer, Beile und Fleischgabeln sind in solchen Inszenierungen sehr beliebt. Er war mehrmals im Finale des Kochbewerbs „Die Jungen Wilden“ und pflegt sein Image naturgemäß auch in den sozialen Netzwerken, weshalb ich weiß, worin seine Pers­pektiven bestehen. Sie sind nicht bescheiden; wenn er nicht kocht, schaut er sich dort um, wo die dünne Spitze der Top-Gastronomie derzeit geschliffen wird. „@ Joachim Wissler, sensationell!!!“ (gemeint ist der deutsche 3-Sterne-Koch) – das ist ein Zinter-Posting aus den letzten Tagen.

Gut, dass es solche Köche gibt. Gut, dass sie brennen. Und gut, dass ihnen jedes Umfeld recht ist, um ihre Vision von zeitgemäßer Küche auf den Teller zu bringen. Seit Sommer 2010 kocht Zinter im Wiener Restaurant „Vincent“, das umtriebige Gourmets bereits kennen gelernt und als gastronomische Singularität erlebt haben. Das liegt daran, dass hier schon viele begnadete Köche am Herd standen, während das Lokal konsequent dem Zahn der Zeit ausgesetzt blieb: diese sechseckigen Tische, diese grellbunten Platzteller, diese Wände aus dunklem Filz, diese gerafften Vorhänge …

Und dazu wie die Faust aufs Auge: diese Küche. Da kommen hochinteressante Dinge, die manches aus der österreichischen Küche frisch und modern interpretieren – eine Einbrenn etwa mit winzigen ausgestochenen Kugeln aus Erdäpfeln und Gurken und Zanderwangen – und manchmal auch aussehen wie bei René Redzepi in Kopenhagen: zerbröselter Ziegenfrischkäse mit den derzeit so angesagten rot-weißen Chioggiarüben, allerlei seltenen Kräutern, Windgebäck aus roten Rüben und Milch-Kümmel-Crema. Eine stimmige Komposition, die beweist, dass man sich zum Vegetarismus schon was einfallen lassen kann. In diese Kategorie fällt auch das Vogelmiereeis mit Eiszapfen (Zinter hat seinen privaten Garten zum Kräuterbeet für das Restaurant umgestaltet; auch das zeugt von sympathischem Ehrgeiz). Die Sache hingegen mit der geriebenen Gänseleber und dem lackierten Aal (ergänzt durch eine doch zu süße Entenblutwurst; zu süß ist ein derzeit grassierendes Virus in der europäischen Spitzengastronomie) habe ich an den Originalschauplätzen schon besser gegessen. Es gibt im Prinzip nur eine totale kreative Verirrung: Wer hauchdünne rohe Scheiben vom Wagyu-Rind mit Hummer serviert, sollte diese beiden zentralen Geschmäcker am Leben lassen und nicht durch einen aggressiven Algensalat mit reichlich Sesam exekutieren. Fazit: Zinter kann durchaus kochen, aber derzeit begleiten wir ihn auf einer noch unschlüssigen Suche nach dem eigenen Stil, der ihm – wie er betont – so wichtig ist.

In der Branche kursierte unlängst, Zinter werde zum deutschen Starkoch Juan Amador wechseln, aber er sagt, er will sicher noch zwei Jahre bleiben, weil er im „Vincent“ eine dritte Haube erkochen möchte. Das wird davon abhängen, wie sehr es der „Gault Millau“ ernst meint mit seinem Grundsatz, dass die Küche und nicht das Ambiente für eine Bewertung maßgeblich sei. Und auch davon, ob der Küchenchef seine Kreativität in den Griff bekommt und Gnade walten lässt vor den hochwertigen Grundprodukten, die ihm zur Verfügung stehen.

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