Das gefährlichste Gefühl der Welt

Titelgeschichte. Eifersucht ist das häufigste Motiv für Gewalt und Mord - und damit das gefährlichste Gefühl der Welt

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Es sei alles nur ein tragisches Missverständnis gewesen. Nein, er hätte seine Freundin nicht vorsätzlich erschossen. Er habe sie nur mit einem Einbrecher verwechselt.

Die Erklärungsversuche des südafrikanischen Paralympic-Athleten Oscar Pistorius, der von Kindheit an keine Beine hat, wirken sehr konstruiert. Und doch beteuerte er vehement seine Unschuld und ließ über seine Anwälte ausrichten: „Ich kann nicht verstehen, wie man mir Mord vorwerfen kann.“
Am 14. Februar wurde das 29-jährige Model Reeva Steenkamp in Pistorius' Villa im Nobelvorort der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria tot aufgefunden. Ihr Körper wies vier Schusswunden auf. Der Olympionike hatte durch die geschlossene Badezimmertür auf seine Freundin geschossen – im angeblichen Glauben, dass es sich um einen kriminellen Eindringling handle.

Die Polizei und Staatsanwaltschaft nimmt ihm diese Version nicht so recht ab. Und einige Presseberichte rücken den Vorfall überhaupt in ein ganz anderes Licht. Soberichtete das südafrikanische Blatt „Beeld“, dass Nachbarn einen heftigen Streit des Paares mitbekommen hatten. Stunden später folgten die Schüsse. Auch einige weitere Details wollen sich nicht ganz mit den Aussagen von Oscar Pistorius decken.

Viel plausibler erscheint zumindest den lokalen Medien, dass der Sportler aus Eifersucht die Nerven verlor. Angeblich soll er in Rage geraten sein, als Steenkamp zusammen mit dem attraktiven 24-jährigen Sänger Mario Ogle an einer Fernseh-Show teilnahm. Dies behauptet Dominique Piek, eine Freundin und Kollegin von Steenkamp, gegenüber „Beeld“: „Pistorius war eifersüchtig und arrogant auf eine Art und Weise, die keine Logik hatte. Er wollte nicht, dass Reeva mit Mario in derselben Show mitmacht.“

Für Oscar Pistorius, der nach sechs Tagen Haft für 85.000 Euro Kaution frei kam, gilt die Unschuldsvermutung. Der Beginn des Prozesses ist auf den vierten Juni anberaumt – sollten die forensischen Untersuchungen bis dahin abgeschlossen sein.

Mordfälle aus Eifersucht sind alles andere als eine Seltenheit. Laut internationalen Expertenschätzungen sind weltweit vier von fünf Morden als letzter Akt eines Beziehungsdramas zu werten. Auch in österreichischen Medien finden sich regelmäßig Berichte über derartige Eskalationen. So sorgte etwa erst Anfang März ein 49-jähriger Slowake aus dem Bezirk Oberpullendorf für Schlagzeilen. Er war davon überzeugt, dass seine um fünf Jahre jüngere Ehefrau ihn betrogen hatte und verlangte einen DNA-Test, um seine Vaterschaft an der gemeinsamenTochter zu überprüfen.
Als seine Frau dies ablehnte, zerrte er sie ins Schlafzimmer, warf sie auf den Boden und versuchte, ihr mit einer Haarschneidemaschine eine Glatze zu scheren. Da sich die Frau heftig wehrte, griff er schließlich zu einem massiven Militärmesser und schnitt ihr damit büschelweise die Haare ab. Die im Haus lebende Mutter der Ehefrau hörte die Schreie und alarmierte schließlich die Polizei. Dieser erzählte der Ehemann, er habe die Gattin „wie im Mittelalter“ bestrafen wollen. Die Exekutive beeindruckte dies wenig: Sie verhängte ein Betretungsverbot für die gemeinsame Wohnung und zeigte ihn wegen gefährlicher Drohung und Nötigung an.

Nur wenige Tage später stach in Graz ein 39-Jähriger auf seinen Kumpel ein. Die beiden waren gemeinsam an einem Wochenende unterwegs gewesen, hatten viel getrunken und waren in Streit geraten, da bekannt wurde, dass der eine der beiden eine Affäre mit der Lebensgefährtin des anderen hatte. Der Verletzte überlebte nur knapp.

Meldungen wie diese untermauern den Eindruck, der ohnehin von sämtlichen Studien undStatistiken klar belegt ist: Eifersucht ist die effizienteste Triebkraft hinter Gewaltverbrechen.

Wissenschafterverschiedenster Disziplinen erforschen Ursprung und Dynamiken der Eifersucht seit Jahrzehnten. Laut einer umfangreichen amerikanischen Meta-Studie ist das Gefühl zumindest 98 Prozent aller Menschen bekannt.

Lesen Sie die Titelgeschichte von Tina Goebel in der aktuellen Printausgabe oder in der profil-iPad-App.