Einer für alle, alle für Arnie Schwarzenegger

Einer für alle, alle für Arnie

Rekordverdächtige Popu-laritätswerte zum 60er

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Der Mann spricht über den Umweltschutz wie über Krafttraining: „Es ist wie früher, als wir angetreten waren, das Bodybuilding hip zu machen“, sagt er, wenn er eine seiner Reden zum Klimawandel hält. „Wir müssen lernen, die Ökologie genauso sexy zu machen.“
Arnold Schwarzenegger, österreichisch-amerikanischer Doppelstaatsbürger und Gouverneur des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates Kalifornien, ist zum „grünen Giganten“ avanciert – als solchen hievte ihn jüngst das renommierte Nachrichtenmagazin „Newsweek“ auf die Titelseite. Wenig später prangte sein Gesicht auch am Cover des nicht minder angesehenen Magazins „Time“. Dort wurde er gemeinsam mit dem New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg zu Amerikas „Actionheld“ gekürt. Begründung: Er gehe endlich die Probleme an, die von der Regierung in Washington sträflich vernachlässigt würden. Während sich auf Bundesebene die Parteien gegenseitig blockieren, setzen einzelne Bundesstaaten und Städte auf pragmatischen Aktivismus und füllen damit das innenpolitische Vakuum. Allen voran Kalifornien und New York, beide republikanisch geführt.
Schwarzenegger kann zu seinem 60. Geburtstag am 30. Juli rekordverdächtige Popularitätswerte feiern. Nicht nur die Medien umschwärmen ihn, auch 60 Prozent der kalifornischen Wähler meinen, dass er einen guten Job macht. Das hat seinen Freund Warren Buffett, seines Zeichens zweitreichster Amerikaner, dazu veranlasst, einen Blick auf die Verfassung zu werfen. Da „Arnold“, wie ihn alle nennen, nicht im Land geboren ist, bleibt ihm das Amt des Präsidenten zwar verwehrt. Aber, so die Schlussfolgerung Buffetts: „Ich glaube, er könnte Vizepräsident werden.“

Damit liegt der Milliardär zwar falsch: Nach dem zwölften Verfassungszusatz darf niemand, der vom Amt des Präsidenten ausgeschlossen ist, Vizepräsident werden. Buffetts hoffnungsvoller Irrtum, der sich in der Zeitung „San Francisco Chronicle“ umgehend mit Spekulationen über eine gemeinsame Kandidatur von Schwarzenegger und Bloomberg niederschlug, erzählt jedoch viel über die Popularität von „Arnie“.

Terminator mit Biodiesel. Als der ehemalige Mister Universum und Protagonist von Filmen wie „Conan der Barbar“ (1982) oder „Terminator“ (1984) zum ersten Mal zum Gouverneur gewählt wurde, lachte die Welt über die Amerikaner. Ein Actionheld und Bodybuilder als Gouverneur? Noch dazu ein Republikaner ohne jede politische Erfahrung? Das konnte nur die Verluderung der Politik zur grotesken Hollywood-Schmonzette bedeuten. Seine demokratischen Gegner porträtierten Schwarzenegger in erster Linie als umweltfeindlichen Besitzer mehrerer Benzinfresser vom Typ Hummer – jenen für zivile Zwecke umgerüsteten Militärfahrzeugen, die auf Amerikas Straßen durch ihr panzerähnliches Design auffallen.
Inzwischen hat Schwarzenegger nicht nur seine Hummer mit Biodiesel und Wasserstoffmotoren ausgerüstet. Er ist auch ein guter Freund der Demokraten und Umweltaktivisten geworden. Im Herbst 2006 unterzeichnete er ein in den USA einmaliges Gesetz, das für Kalifornien eine Senkung der Treibhausemissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2020 und um 80 Prozent bis 2050 vorsieht. Und im vergangenen Jänner nahm er das heißeste innenpolitische Eisen in die Hand: Er präsentierte einen Reformentwurf für das zerrüttete Gesundheitswesen.
Allen republikanischen Dogmen zum Trotz will er in Kalifornien eine Versicherungspflicht für alle einführen, gemeinsam finanziert von den Arbeitgebern, dem Staat, den Krankenversicherungen und den Konsumenten.

Im Zuge seines Aufstiegs zu parteiübergreifender Popularität hat der Gouverneur einen Umweg über die Kanterniederlage gemacht. Nachdem er in den ersten Monaten seiner Amtszeit die demokratische Opposition mit Versprechungen und Schmeicheleien für eine vorläufige Sanierung des defizitären Budgets gewinnen konnte, begann Schwarzenegger, mit harten Bandagen zu spielen. Er brachte Gesetzesvorlagen ein, mit denen die Macht der Gewerkschaften eingeschränkt werden sollte. Und er brach Budgetversprechen, die er gegenüber den Lehrern gemacht hatte. Um die demokratische Opposition – die er als „girlie men“ verhöhnte – an den Verhandlungstisch zu zwingen, drohte er, seine Ideen per Referendum direkt vors Volk zu bringen. Doch die Demokraten ließen sich nicht erpressen, und als der Gouverneur mit einem speziellen Thema Ende 2005 tatsächlich vors Volk ging, verlor er auf ganzer Linie.
Ein neuer Arnold Schwarzenegger war gefragt. Ganz wie früher erfand sich der Ex-Bodybuilder, Ex-Geschäftsmann und Ex-Schauspieler auch als Politiker neu. Er redete zwar weiterhin mit dem breiten Akzent eines Touristen, hörte von nun an aber vermehrt auf seine Frau Maria Shriver, Demokratin und Mitglied des prominenten Kennedy-Clans. Mit Unterstützung einer neuen Stabschefin, die einst für einen Rivalen gearbeitet hatte, nahm er die Metamorphose zum postideologischen Vorzeigepolitiker in Angriff und zog in einem grünen Kampagnenbus durch den überdurchschnittlich progressiven und umweltbewussten Staat. Als er im vergangenen Herbst zur Wiederwahl stand, gewann er klar.

Man könnte Arnies „Makeover“ als rein opportunistisches Manöver interpretieren, doch Joe Mathews, Journalist der „Los Angeles Times“ und Verfasser der jüngsten Schwarzenegger-Biografie („The People’s Machine“), sieht das weniger dramatisch: „Er hat seine Positionen nicht grundsätzlich verändert. Er war schon immer
ein moderater Republikaner mit sozialliberalen Ansichten und einem Bewusstsein für die Umwelt. Nach 2005 hat er diese Eigenschaften einfach hervorgehoben.“ Ähnlich wie Bill Clinton schafft es Schwarzenegger, ideologisch vermeintlich unvereinbare Positionen gleichzeitig zu vertreten. Ganz nach dem Geschmack jener Klientel, die er gerade bedient, vertritt er einmal eine Meinung und dann wieder eine andere. Begeistert spricht er sich an einem Tag vor Wissenschaftern für die Stammzellenforschung aus, in die Kalifornien ganz im Widerspruch zur Haltung vieler Republikaner drei Milliarden Dollar investiert – um sich tags darauf bei der konservativen Basis anzubiedern, indem er lautstark nach der Sicherung der Grenzen ruft, um den Strom illegaler Immigranten einzudämmen.

Nicht nur Biograf Mathews, sondern auch viele andere, die mit dem Politiker Schwarzenegger in den vergangenen Jahren intensiver zu tun hatten, vertreten inzwischen recht einhellig die Meinung, dass Schwarzenegger einer der gescheitesten Politiker sei, denen sie je begegnet seien. Frei von einem starren ideologischen Korsett entscheide er oft ad hoc, je nachdem, welche Argumente ihn mehr überzeugen. Er sei ein gewiefter und charmanter Strippenzieher, der nicht nur in seinem in Sacramento aufgestellten Rauchzelt die Seelen wichtiger Parlamentarier zu massieren verstehe. Er habe auch die seltene Eigenschaft, Attacken nicht persönlich zu nehmen und auch kaum mit nachträglichen Vergeltungsmaßnahmen zu reagieren: „Er weigert sich, auch wenn ihm seine Berater das schon empfohlen haben“, beschreibt Mathews Schwarzeneggers Teflon-Gemüt.

Cheerleader. Wenn der Biograf den Gouverneur einen „Populisten“ nennt, dann ist das im Staate Kalifornien, der stolz ist auf seine politische Kultur der Volksabstimmungen, ein Kompliment. Schwarzenegger nimmt möglichst zentristische, populäre Positionen ein – und erlaubt sich mit feinem Gespür für Trends dabei mittlerweile sogar, die Halbherzigkeit von US-Präsident George W. Bush in Umweltfragen unverblümt zu kritisieren: „Das ist kein Führungsverhalten. Wir brauchen Action.“
Ein Schlachtruf, mit dem Arnie in den USA einen Nerv trifft. Ermüdet von den ideologischen Grabenkämpfen in Washington, die das Land paralysieren, sind die Amerikaner heute ein dankbares Publikum für Politiker wie Arnold Schwarzenegger oder Michael Bloomberg, die sich als parteiübergreifende Macher präsentieren. Bei den Mid-Term-Elections, also den Kongresswahlen zur Halbzeit der Legislaturperiode, bezeichneten sich im vergangenen November 47 Prozent der Wähler als „moderat“. Sie haben den Urnengang zugunsten der Demokraten entschieden und wollen pragmatische Politiker, die handeln, statt zu reden. Laut Curtis Gans vom Center for the Study of the American Electorate sind Wähler, die sich als unabhängig definieren oder sich weigern, eine Parteizugehörigkeit anzugeben, sogar die am stärksten wachsende Wählergruppe. Sie machten bisher für das ganze Land etwa ein Drittel der erwachsenen Amerikaner aus und waren im Zweiparteiensystem oft das Zünglein an der Waage. Einer neuen Studie zufolge, die Harvard zusammen mit der Kaiser Family Foundation durchführte, halten 50 Prozent dieser Unabhängigen George W. Bush für den schlechtesten US-Präsidenten aller Zeiten, 77 Prozent können sich einen unabhängigen Präsidentschaftskandidaten 2008 vorstellen.
Nie vergisst Arnold Schwarzenegger in seiner neuen Rolle als Cheerleader für den postideologischen Kompromiss den Kern der amerikanischen Psyche.

Eiserner Wille. Er legt einen schier grenzenlosen Optimismus an den Tag – und einen unerschöpflichen Glauben an die Möglichkeiten der Technologie, durch die unangenehme Herausforderungen wie der Kampf gegen den Klimawandel quasi zum Vergnügen werden sollen. Anlässlich des „Earth Day“ trat er in einer Autoshow des Fernsehsenders MTV auf. Vor laufender Kamera half er, einen neuen, mit Biodiesel betriebenen 800-PS-Motor in einen ausrangierten Chevy Impala einzubauen. Die Treibhausgase um 30 bis 40 Prozent zu senken und dennoch in vier Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen – „das ist die Zukunft“, grinste er.

Dieser eiserne Wille und sein Verkaufstalent machten ihn vor seiner Polit-Karriere zum erfolgreichen Geschäftsmann. Damals war er sich nicht zu schade, durch Gefängnisse zu tingeln, um für Krafttraining zu werben. Heute zieht er genauso beharrlich von Shopping-Malls zu Baseball-Turnieren, um an den Interessengruppen vorbei direkt bei den Wählern für seine Anliegen zu werben. Dank seines Filmruhms kann er wie kein anderer Politiker die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen. Pressekonferenzen wie auch politische Anlässe geraten zu Showauftritten, bei denen sich das Publikum über seine Sprüche amüsiert, sein eckiges Kinn bewundert oder darüber rätselt, wie die rehbraune Farbe seines Haares wohl zustande gekommen sein mag. „Genau weil er so berühmt ist und weil er deswegen keiner parteipolitischen Linie verpflichtet sein muss, habe ich mir gedacht, dass sich hier eine Gelegenheit für etwas Neues ergibt“, sagt Bonnie Reiss, Freundin der Familie und langjährige enge politische Beraterin Schwarzeneggers.
„Das Problem des Politikers Schwarzenegger ist sein Ego“, wirft Mathews ein. Seine Obsession für Größe ist bekannt. Er liebt große Gürtelschnallen, große Uhren, große Muskeln – und betont, wie wichtig die richtige Größe für guten Sex sei. Als Politiker versucht er ebenfalls stets den großen Wurf, doch damit ist er trotz seiner Kompromissbereitschaft immer wieder an der Realität gescheitert. Sein Vorstoß zur Krankenversicherung kam bisher nicht vom Fleck, und auch das neue Budget ist noch nicht unter Dach und Fach.

Polarisiert. Schon beklagen sich Parlamentarier und Journalisten darüber, dass er sich besser mehr um Kalifornien kümmern sollte, statt als „CO2-Botschafter“ im ganzen Land und im Ausland herumzureisen. „Ein Vorgehen Schritt für Schritt hätte vielleicht mehr gebracht“, meint der Politinsider Mathews. Die Lage ist in Kalifornien besonders vertrackt, weil das Parlament viel polarisierter ist als die Bevölkerung. In den meisten Wahlbezirken herrschen klare demokratische oder republikanische Mehrheiten. Das heißt, dass Politiker mit extremen Positionen im Vorteil sind. Außerdem benötigt Schwarzenegger für gewisse Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit. Und diese ist angesichts der politischen Verhältnisse kaum zu bekommen.
Das sind natürlich Peanuts für einen Mann, der vom Nobody aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Graz zum Mister Universum, Megafilmstar und Gouverneur der siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen ist. Im Dokumentarfilm „Pumping Iron“ aus dem Jahre 1977, der die Karriere des Bodybuilders Schwarzenegger nachzeichnet, redet er darüber, wie er von historischen Jahrhundertfiguren träumt. Der Mann will in die Geschichtsbücher eingehen, und zwar inzwischen als Politiker, der die Welt (und nicht nur die Umwelt) verändert hat. Er träumt groß, lernt aus Fehlern und ist bereit, sich mit dem politischen Gegner zu verständigen, um Dinge ins Rollen zu bringen. Allein deshalb ist er im Vergleich mit seinem Parteikollegen George W. Bush, der trotz Zustimmungswerten von nur noch 25 Prozent stur an seinem Kurs festhält, im ganzen Land derzeit so beliebt.
Gemessen an seinen eigenen Ambitionen ist Arnold, der Staatsmann, allerdings erst am Anfang.

Von Alain Zucker, New York