Wie sinnvoll sind Elektroautos?
Na, da schau her, dachte sich die Öffentlichkeit. Ein Elektroauto mit 160 Sachen auf der Autobahn! Ein Augenzeuge hatte die Szene mitgefilmt, als die grüne Bundesparteichefin Eva Glawischnig vor gut einer Woche in einem knallgrünen Auto mit angeblich 160 km/h auf der Südautobahn unterwegs war. Das Video war tags darauf im Internet zu sehen.
Glawischnig mit 160 km/h im Elektroauto ertappt, berichteten die Medien. Kein Marketing-Fachmann hätte sich das besser ausdenken können. Elektroauto? In Wahrheit war Glawischnig mit einem grün gefärbelten Opel Ampera unterwegs, der kein reines Elektroauto ist, denn dann wäre die Fahrt der Politikerin nach 40, 50 Kilometern zu Ende gewesen. Damit das Vehikel weiter fährt, lädt ein mit Benzin betriebener Range Extender während der Fahrt die Batterie auf. Verziert ist das Gefährt mit der Aufschrift Ich bin Elektro, ich bin die Zukunft. Die Grünen.
Dass die Auto-Zukunft elektrisch und umweltfreundlich sein werde, wird zwar groß und gerne propagiert aber ob so ein E-Vehikel tatsächlich umweltfreundlich ist, hängt von der Art des Stroms ab, mit dem das Gefährt betankt wird. Außerdem sind bisher praktisch nur spritsparende Hybridautos im Einsatz, da die Reichweite mit einem reinen Elektroantrieb viel zu gering ist der Toyota Prius zum Beispiel, Pionier der Hybridtechnologie, braucht schon nach 2,5 Kilometern den Benzinmotor. Und so sensationell, wie viele meinen, ist auch das reine E-Mobil nicht: Aufgrund des hohen Kohle- und Atomanteils im europäischen Strommix ist die Öko-Bilanz von E-Autos aktuell im EU-Schnitt nicht besser als die von Dieselfahrzeugen, wenn nicht sogar schlechter.
Außerdem ist der Einsatz von reinen Elektroautos wegen der geringen Maximalreichweite von etwa 130 Kilometern nur in der Stadt sinnvoll. Und daran wird sich in den nächsten zehn Jahren nicht viel ändern, da die Entwicklung von leistungsfähigen und kostengünstigen Batterien noch einige Zeit dauern wird. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Studien der TU Wien. Dabei wurden mehrere Typen von E-Mobilen über einen längeren Zeitraum zu verschiedenen Jahreszeiten unter Realbedingungen getestet, aber auch Zukunftsszenarien berechnet. Demnach ist ein technologischer Durchbruch bei Elektroautos etwa ab dem Jahr 2020 zu erwarten abhängig von Faktoren wie Ölpreisentwicklung und politischer Förderbereitschaft.
Obwohl E-Autos eine futuristische Aura umgibt, reicht deren Entwicklungsgeschichte weiter zurück als allgemein angenommen wird. Die ersten Kutschen wurden bereits in den 1830er-Jahren mit Elektromotoren bestückt. Doch trotz zunächst vielversprechender Entwicklung machte dann doch der Verbrennungsmotor das Rennen. Die Gründe waren die geringe Reichweite des E-Mobils und die lange Ladezeit der Batterie. Das hat sich bis heute nicht grundlegend geändert.
Das Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien testete verschiedene bereits jetzt oder demnächst erhältliche E-Autos unter Realbedingungen und stellte dabei fest, dass sich die Reichweite der Fahrzeuge je nach Temperatur und Steigung erheblich ändert. Seriöse Daten über Elektroautos gab es bisher nicht, da immer unter Normbedingungen getestet wurde, die mit der Realität wenig zu tun haben.
Aus den Ergebnissen ermittelten die Forscher einen Durchschnittswert: Ein Elektroauto schafft bei einer Außentemperatur von 20 Grad und auf ebener Straße eine Reichweite von 130 Kilometern. Dabei muss eine Energiereserve von 25 Kilometern eingerechnet werden, um im Notfall noch bis zur nächsten Steckdose zu kommen.
Bei Hitze und Kälte, wenn Klimaanlage oder Heizung laufen, sinkt die Reichweite dramatisch, da mehr Strom verbraucht wird. Bei einer Außentemperatur von minus 20 Grad schafft ein Elektroauto nur noch eine maximale Distanz von 70 Kilometern. Steigungen verringern die Reichweite nochmals. Experten und Vieltester geben daher dem Elektroauto eine durchschnittliche Reichweite von gerade einmal 60 Kilometern.
Allerdings, so Werner Tober vom Wiener Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik: Studien haben ergeben, dass der durchschnittliche Autofahrer am Tag nur 20 bis 30 Kilometer zurücklegt. Für die meisten Fahrten ist die Batteriekapazität also ausreichend. Doch der Konsument ist daran gewöhnt, mit seinem Auto jede beliebige Strecke zurücklegen zu können. Geht der Spritvorrat zur Neige, fährt er zur nächsten Tankstelle. Das Aufladen eines E-Autos hingegen dauert acht Stunden. An Schnellladestationen, die derzeit kaum zu finden sind, lässt sich das Aufladen in einer halben Stunde erledigen was der Batterie auf Dauer nicht guttut. Das Elektroauto ist somit für viele Kunden nicht wirklich interessant.
Sicher gibt es in der breiten Öffentlichkeit auch noch massive Vorbehalte gegenüber dem E-Auto, so Daimler-Sprecher Matthias Brock: Es bedarf daher einiger Überzeugungsarbeit beim Konsumenten. Der bestimmt schließlich, ob sich ein Produkt durchsetzen wird oder nicht. Und wenn er für ein Fahrzeug mit E-Antrieb 8000 bis 10.000 Euro mehr bezahlen soll als für ein herkömmliches Benzin- oder Dieselvehikel, bedarf es guter Argumente. Aber woher nehmen? Selbst die Kostenersparnis beim Treibstoff Strom wird überschätzt: Auf 100 Kilometer kommt der Betrieb eines Elektroautos auf 4,9 Euro, der eines sparsamen Dieselautos auf 6,2.
Doch vor allem für Stadtfahrer würde sich laut Brock ein Elektroauto lohnen. Eine Studie mit Elektro-Smarts in London ergab, dass die meisten Nutzer ihre Fahrzeuge nur dreimal in der Woche aufladen mussten. Im Stadtverkehr zählen noch weitere Vorzüge des E-Autos: der leise Motor, die rasche Beschleunigung, die Effizienz bei niedrigen Geschwindigkeiten ein Verbrennungsmotor hingegen läuft bei einem Durchschnittstempo von 70 Kilometern pro Stunde am sparsamsten. Aber auch der Betrieb von Elektroautos in der Stadt hat seine Tücken, denn nicht jeder Stadtbewohner hat eine eigene Garage mit Steckdose, wo er das Gefährt aufladen kann. Daher müssten Kommunen und/oder Stromerzeuger rasch für eine Vielzahl von Ladestationen sorgen.
Doch wie könnte ein Elektroauto auch für Überlandfahrer interessant werden? Werner Tober geht davon aus, dass sich die Leistungsfähigkeit der Batterien in den nächsten zehn bis 15 Jahren vervierfachen lässt. Damit sei aber der Zenit der Entwicklung erreicht, wie auch Daimler-Sprecher Matthias Brock erklärt: Bei der Batterieentwicklung sind nicht derartige Sprünge zu erwarten, wie wir sie in den letzten zehn bis 20 Jahren von Computern und Unterhaltungselektronik gewöhnt sind. Bei Batterien stoßen wir schnell an chemische und physikalische Grenzen. Zum Vergleich: Selbst wenn Batterien viermal leistungsfähiger wären als heutige Produkte, wäre die Energiedichte von Benzin oder Diesel noch immer zwölfmal höher. Strom ist zwar die flexibelste Form der heute verfügbaren Energie, aber schwer zu bändigen.
Immerhin bliebe noch die Möglichkeit, durch den Einbau mehrerer leistungsstarker Batterien die Reichweite zu erhöhen. Doch schon Reichweiten jenseits der 200 Kilometer sind für die E-Technologie eine große Herausforderung und davon ist man noch weit entfernt. Derzeit wiegt eine Antriebsbatterie an die 200 Kilogramm, der Einbau einer zweiten Batterie würde schon das Fahrzeuggewicht deutlich erhöhen.
Fraglich bleibt auch, ob Batterien in Zukunft noch leistbar sein werden, da für ihre Herstellung rare Edelmetalle und so genannte seltene Erden verwendet werden, die auch für die Herstellung in der Unterhaltungselektronik unabdingbar sind. 95 Prozent dieser Rohstoffe werden in China gefördert, bereits jetzt wird der Export streng kontrolliert, um durch Verknappung das Preisniveau auf dem Weltmarkt hoch zu halten. In den Labors wird daher fieberhaft an der Entwicklung neuer Antriebsbatterien geforscht und gearbeitet aktuell beispielsweise an elektrisch aufladbaren Flüssigkeiten. Die entladene Flüssigkeit müsste abgesaugt und das Fahrzeug wieder mit aufgeladenem Sprit betankt werden. Fraglich ist, ob diese Flüssigkeiten nicht ein allzu hohes Sicherheitsrisiko bergen.
Um das Problem der langen Ladezeiten zu lösen, werden auch Batterietauschsysteme entwickelt. Da aber die Batterien an die 200 Kilo wiegen, können sie nicht einfach wie eine Handtasche herausgenommen werden, gibt Automobiltechniker Werner Tober zu bedenken. Abgesehen von derartigen technischen Hürden, welche die Entwickler von Elektroautos noch bewältigen müssen, entscheidet ein weiterer wesentlicher Aspekt, ob der Antrieb mit Strom Zukunft hat oder nicht: die Umweltbilanz.
Wie grün Elektroautos wirklich sind, hängt schließlich davon ab, woher der benötigte Strom kommt. Tobers Team wollte es genau wissen und berechnete die Bilanz Diesel versus Elektroauto, einmal anhand des österreichischen und einmal anhand des europäischen Strommixes. Fazit: Die Öko-Bilanz in Österreich ist sehr gut. Ein durchschnittliches Elektroauto kommt nur auf 40 Prozent des CO2-Ausstoßes eines Dieselfahrzeugs. Beim europäischen Strommix steigt die Bilanz des E-Betriebs aufgrund des hohen Kohlekraftwerkanteils auf 90 Prozent. Ob man ein Kohlekraftwerk betreibt, um mit Elektroautos zu fahren, oder ob man fossile Treibstoffe direkt im Auto verbrennt, macht letztlich keinen großen Unterschied, so Tober.
Die Öko-Bilanz der Elektroautos hängt also von der Entwicklung des Strommixes in Europa ab. Atomkraftwerke produzieren zwar kein CO2, gelten aber aufgrund der Risiken der Nukleartechnologie und des beim Betrieb anfallenden radioaktiven Mülls als nicht gerade umweltfreundlich. Ein Ausstieg aus der Kernkraft ist nach optimistischen Szenarien bis 2050 möglich, sofern gleichzeitig ein massiver Ausbau im Bereich der Solar- und Windkraft passiert. Denn wenn die abgeschalteten Atommeiler durch Kohle-, Öl- oder Gaskraftwerke ersetzt werden, sieht die CO2-Bilanz von Elektroautos nicht sonderlich erfreulich aus.
Wie sich jedoch der Strommix tatsächlich entwickeln wird, hängt von Politik und Wirtschaft ab. Daimler baut jedenfalls bereits eigene Windkraftanlagen in Deutschland, um den zusätzlichen Stromverbrauch durch grüne Energie abzudecken, wie Matthias Brock erklärt.
Im Falle des Elektroautos hängt ein Durchbruch zusätzlich noch stark von der Entwicklung des Ölpreises sowie den politischen Rahmenbedingungen ab, erklärt Maximilian Kloess vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien.
In seiner Dissertation berechnete Kloess in verschiedenen Zukunftsszenarien, welche Automobilantriebe sich in Österreich mit der Zeit durchsetzen könnten. Erhöht sich der Ölpreis massiv und fördert die Politik die Entwicklung der Technologie, könnten im Jahr 2050 fast
90 Prozent der gesamten Autoflotte in Österreich mit Elektroantrieb bestückt sein.
Bleibt der Ölpreis jedoch niedrig und wird die Elektromobilität wenig gefördert, so werden sich verschiedene Hybridantriebe durchsetzen, die mit einer Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor bestückt sind. Bei kurzen Strecken oder im so genannten Stop and go-Stadtverkehr bewähren sich diese Fahrzeuge bereits jetzt, da Treibstoff gespart und weniger Schadstoffe freigesetzt werden für Automobilhersteller ist vor allem Letzteres wesentlich, da die EU immer strengere Umweltgesetze verabschiedet und eine erhebliche Senkung der CO2-Gesamtemission vorschreibt. Fraglich ist, ob sich reine Elektromobile durchsetzen werden.
Damit E-Antriebe eine Chance haben, müssen die Kosten der Batterien und anderer elektrischer Antriebskomponenten deutlich sinken. Diese Kostensenkung ließe sich durch die wachsenden Stückzahlen von Hybridfahrzeugen erreichen. Eine solche Entwicklung könnte Elektrofahrzeuge ab etwa 2020 auch für den Massenmarkt interessant machen.
Bis dahin wird sich jedoch auch der Wirkungsgrad der herkömmlichen Motoren verbessern. Sollte Österreichs Autoflotte im Jahr 2050 tatsächlich großteils mit Strom betrieben werden, so würde dies nur eine Erhöhung des Gesamtstromverbrauchs von etwa 20 Prozent bedeuten so wenig Energie würden die Elektroautos dann verbrauchen.
Der Mercedes-Stern wird auch dann noch hell leuchten, ist Daimler-Sprecher Matthias Brock überzeugt: Wir befinden uns in Zeiten des Umbruchs. Es ist spannend, was die zukünftigen Entwicklungen bringen werden. Sicher ist nur, dass die fossilen Brennstoffe endlich sind. Dass also neue Antriebsformen entwickelt werden müssen, liegt auf der Hand.
Lesen Sie im profil 33/2012: Die Geschichte des Elektroautos begann lange vor der Erfindung des Verbrennungsmotors.