Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Das böse Quo-Wort

Das böse Quo-Wort

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Und wieder einmal: das leidige Quo-Wort. Die Frauenministerin will eine Frauen-Quote einführen (zum Beispiel nach norwegischem Vorbild in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen), der Wirtschaftsminister ist dagegen. Begründung: Quoten seien was Willkürliches. Eh klar. Wenn unwillkürlich immerzu Männer in Führungspositionen landen, muss die Abkehr von diesem System das Gegenteil sein. Allerdings nur dann, wenn man den Automatismus, mit dem männliche Kandidaten bevorzugt werden, nicht als willkürliche Verfahrensweise, sondern als naturgegeben ansieht. Eine 90-prozentige Männerquote in österreichischen Aufsichtsräten – in denen der Frauenanteil derzeit knappe zehn Prozent beträgt – wäre demnach das Ergebnis biologischer Notwendigkeiten. Frauen, das minderbefähigte Geschlecht?

Oder: Frauen, das ehrgeizlose Geschlecht? Finden wir’s doch heraus. Quote heißt ja nicht, mehr oder weniger unfähige Frauen auf den Straßen zusammenzufangen und in Aufsichtsräte oder auf höhere Posten zu setzen. Quote heißt nicht, Frauen zu zwingen, höhere Posten anzustreben.
Quote heißt nicht, auf einen Schlag den Frauenanteil zu erhöhen, indem man einfach das Personal auswechselt. Quote heißt nicht, Frauen in Top-Positionen zu bringen, ohne Rücksicht auf ihre – mangelnde – Qualifikation. Quote heißt vielmehr, die Chancen für Frauen, die was werden wollen, zu erhöhen. Quote heißt, qualifizierte Frauen nicht automatisch zu übergehen, sondern bedeutet Auswahlverfahren, bei denen nicht willkürlich (zugunsten der männlichen Kandidaten) vorgegangen werden darf.

Quote heißt, Schritt vor Schritt zu setzen, so lange eben, bis die Geschlechterverteilung in höheren beruflichen Positionen nicht mehr in krassem Widerspruch zur Geschlechterverteilung in der Bevölkerung steht. Denn, nochmals: Wer glaubt, dass 70-, 80- oder 90-prozentige Männerquoten (die bloß nicht so genannt werden) in Führungspositionen was Natürliches seien, glaubt offenbar an die natürliche Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts. Und wenn dieser Glaube auch verbreitet sein mag, so sollte er vielleicht doch nicht selbstverständlich als Grundlage von Personalentscheidungen dienen dürfen.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner setzt, indem er die Quote als unzulässigen Eingriff in gesellschaftliche Abläufe geißelt, eine gesetzliche Regelung mit nackter Willkür, also mit dem selbstherrlichen Handeln ­einer nach demokratischem Verständnis nicht befugten ­Person oder Personengruppe gleich. Diese Logik eröffnet ein weites Feld für das Willkür-Argument. Gehaltsregelungen? Willkür. Lasst doch die ­Arbeitgeber geben, was sie gern geben. Arbeitsrechtliche Bestimmungen? Willkür. Good will statt Vorschriften. Die Straßenverkehrsordnung: reine Willkür. Warum nicht die unverbindliche Empfehlung, rechts zu fahren, aber nur, wenn vom jeweiligen Verkehrsteilnehmer gerade erwünscht?

Oh ja, in vielen Ländern geht es ohnehin genau so zu. Keine Gehaltsregelungen, kein Arbeitsrecht, Chaos auf der Straße, null Schutz für die Schwächeren. Aber sind das die Verhältnisse, die wir uns wünschen? Noch diskreditieren wir gesellschaftspolitische Maßnahmen zur Verhinderung des Faustrechts nicht generell als fragwürdige Privilegierung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Aber wenn’s um Frauenpolitik geht, kommt es häufig zu Verwechslungen. Schnell wird der Abbau von Barrieren als Bevorzugung missverstanden.

Deshalb lehnen es auch viele Frauen ab, dass sie (oder andere Frauen) ihren Aufstieg ­einer Quote verdanken sollen. „Da schon lieber eine aus eigenen Stücken in der zweiten Reihe gestoppte Frau als eine, die wie ein Männerbündler in die erste Reihe gehievt wird und dort als leibhaftige Quote verbandelt ist“, schreibt beispielsweise Luise Ungerboeck im „Standard“ (vom 5.12.2008). Äh, wieso denn nur? Ja, klar, so viel Stolz gefällt sicher, vor allem Männerbündlern, die kein Problem damit haben, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in die ­erste Reihe vorzudringen.

Aber ansonsten – was ist der Nutzen, wenn Frauen sich lieber ihren Aufstieg vermasseln lassen, statt gesetzliche Bestimmungen zu Hilfe zu rufen, die ihnen verschaffen, was ihnen aufgrund ihrer Qualifikation durchaus zusteht? Ist es eine Schande, legitime Ansprüche notfalls unter ­Berufung auf legistische Bestimmungen durchzusetzen? Würden wir stolz aufs Wechselgeld verzichten, wenn der Ladenbesitzer nicht herausgeben will? Behalten wir gottergeben die kaputte Waschmaschine, statt uns auf die gesetzlich vorgesehene Gewährleistung zu berufen? Brauchen wir lieber keinen Richter, als darauf zu bestehen, eine Wohnung der Kategorie A zu beziehen, wenn wir die Miete für eine Wohnung der Kategorie A bezahlen? Oh doch, das ist vergleichbar. Wer Kategorie A blecht, hat Anspruch auf Kategorie A. Wer die nötigen Voraussetzungen für einen Posten der Kategorie A mitbringt, soll Anspruch auf einen Posten der Kategorie A haben. Und genauso, wie es unzulässig wäre, wenn nur Männer Mietverträge für Kategorie-A-Wohnungen bekämen, sollte es unzulässig sein, dass ausschließlich Männer Kategorie-A-Posten kriegen. Die Quote will nicht durchsetzen, dass sich ausschließlich Frauen die Kategorie A unter den Nagel reißen dürfen. Sie soll lediglich verhindern, dass die Kategorie A eine Männerbastion bleibt. Das ist alles. Was ist daran empörend?

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