Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Lippenbekenntnisse

Lippenbekenntnisse

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1. Da gibt es in Österreichs Ministerien eh nur 14 Sektionschefinnen gegenüber 61 Sektionschefs, und dann wird ausgerechnet eine von ihnen eingespart. Heidrun Strohmeyer, die erste Frau, die es im Unterrichtsministerium in die oberste Führungsebene geschafft hat, verliert jetzt ihr Ressort, dessen Agenden werden auf andere Sektionen (und ihre männlichen Chefs) aufgeteilt. Dass das unter einer Minis­terin geschieht, ist extra bedauerlich.

In Kärnten bleibt Reinhart Rohr trotz seines fulminanten Misserfolgs bei den Landtagswahlen Landesparteichef der SPÖ. Die Folgen des Stimmenverlusts trägt eine Frau, nämlich die bisherige Soziallandesrätin Nicole Cernic, die den Landtag verlassen muss. Und auf dem Videoportal YouTube ist der burgenländische Landtagspräsident Walter Prior zu sehen und zu hören, wie er launig den Vorwurf der grünen Klubobfrau Grete Krojer kommentiert, in der Burgenländischen Landesregierung gebe es zu wenig Frauen: „Die Frau Krojer“, sagt er da, „hat das Frauenproblem immer wieder. (…) Ich hab ihr das gesagt, es steht bereits in der Bibel geschrieben, wenn sie etwas nicht weiß, soll sie nach Hause gehen und ihren Mann fragen.“

Immer wieder auch dieselbe öde Pflanzerei in der Politik (derzeit tut sich dabei mehr die SPÖ hervor, aber die ÖVP ist nicht besser, und bei der Opposition gehen sowieso nur die Grünen auf die Genderfrage ein): Hohl tönende Lippenbekenntnisse zur Geschlechtergerechtigkeit dort, wo sie nichts kosten, doch in der Praxis siegt der selbstverständliche Führungsanspruch der Herrennaturen, gewinnen die alten Haberer, macht es sich Dumpfbacken-Sexismus gemütlich. Wo die Think-Tanks stehen, in denen Letzterer immer wieder nachgegoren wird, will man ja eigentlich nicht unbedingt wissen, aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden, dass man auf sie stößt.

Leserin Heidi Sch. zum Beispiel bekommt allwöchentlich unverlangt das „Bezirksjournal Wien-Nord“ zugesandt, in dessen aktueller Ausgabe ihr ein Kommentar mit dem Titel „Frauenquote und Damenwahl“ auffiel, der glatt von W. Prior sein könnte, wenn er nicht von einem H.-J. Kleemann wäre. Der Autor hat ebenfalls kein Problem mit der Unterrepräsentation von Frauen in höheren politischen Positionen. „So wurde eben gewählt“, schreibt er, „demokratisch und rechtlich unanfechtbar. Unverständlich deshalb das Geschrei nach Frauenquoten, denn: Würden die Damen sich durch männliche Politiker schlecht vertreten fühlen, würden sie diese durch ihre Wahlstimmen sicher nicht unterstützen. Dass das schwache Geschlecht nur durch seinesgleichen gut vertreten werden kann, ist eine Mär …“

Hat sich denn weit und breit niemand gefunden, der Herrn K. rechtzeitig ein paar Binsenkenntnisse hätte vermitteln können? Erstens: Wer an welcher Stelle der KandidatInnenliste steht, entscheidet nicht die nachfolgende Wahl, sondern die Partei. Zweitens: Wenn Knäckebrot gekauft wird, weil es nur Knäckebrot zu kaufen gibt, heißt das nicht, dass die KundInnen mit dem Mangel an Auswahl zufrieden sind. Drittens: Frauen in der Politik haben gar nicht die Aufgabe, ausschließlich Frauen zu vertreten. Und viertens: Wer schwaches Geschlecht sagt oder schreibt, hat einen Sprung in der Schüssel. Nein, es hat sich niemand gefunden, und zwar – und das ist das Deprimierende – vermutlich deshalb, weil Herr K. kein Einzelfall ist mit seiner Ansicht, das Tschapperl-Geschlecht soll froh sein, wenn ihm gestandene Mannsbilder das Politische abnehmen.

2. In meiner Mailbox stauen sich die Zuschriften empörter LehrerInnen. Vieles, was sie empört, kann ich nach­vollziehen: zu wenig Platz in den Schulen, für SchülerInnen wie fürs Lehrpersonal. Unzeitgemäße Ausstattung der Schulen. Zu viel Administration. Zentralismus bei der Posten­besetzung. An den Hauptschulen müssen LehrerInnen Fächer unterrichten, in denen sie nicht geprüft sind. Und so weiter. Mein Verständnis endet allerdings, wenn sie erklären, worauf sie verzichten, weil sie sich im öffentlichen Dienst opfern, statt die Privilegien in Anspruch zu nehmen, die die Privatwirtschaft für sie bereithielte: riesige Chefbüros; ­eigene Sekretärinnen; jede Menge Anerkennung; dicke ­Ge­hälter.

Neuerdings kursieren Texte, die den LehrerInnen-Widerstand gegen zwei zusätzliche Unterrichtsstunden zum Bollwerk gegen den drohenden Verfall des Arbeitsrechts stilisieren. Jetzt wir und dann die anderen, heißt es darin sinngemäß, und es wird eine düstere Zukunft beschworen, in der am Ende sogar Angestellte und Arbeiter Einbußen erleiden würden. Und an diesem Punkt fragt man sich dann leider schon, in welcher Welt sich diese streitbaren Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer aufhalten. Rundherum zunehmend atypische Beschäftigungsverhältnisse, keine Fixanstellungen, Änderungskündigungen, Arbeit auf Abruf, Überstunden ohne Überstundenentgelt – und sie sehen sich als mögliche erste Opfer?

Die LehrerInnen wollen mehr Sympathie? Können sie kriegen. Wenn sie nicht nur ihr Leid, sondern auch ihre Privilegien (und lange Ferien zum Beispiel sind ein Privileg, das andere gestresste ArbeitnehmerInnen – man denke nur an das Pflegepersonal auf Intensivstationen – nicht genießen) in ihrer Argumentation berücksichtigen und erkennen lassen, dass sie wissen, wie es in der Welt zugeht.

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