Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Lohnschere

Lohnschere

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Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern klafft in Österreich weiter auseinander als anderswo, sagt eine neue EU-Statistik. Nur in Estland ist das Lohngefälle zuungunsten der Frauen noch krasser als bei uns, die anderen Länder der Europäischen Union – immerhin 25 – stehen besser da. Folgende Gründe werden im Wesentlichen für den Einkommensunterschied verantwortlich gemacht: Österreichische Frauen wählen Berufe, die schlecht bezahlt sind. Viele Frauen arbeiten Teilzeit. Teilzeitarbeit ist nötig, weil es an Kinderbetreuungseinrichtungen fehlt. Stimmt alles. Und? Was ist die Konsequenz? Angemessenes (mehr oder weniger heuchlerisches) Bedauern und danach business as usual?

Zunächst einmal: Dass Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit weniger Geld kassieren (können), ist nicht auf so genannte Frauenbranchen beschränkt. Auch in Berufen ohne Frauenüberhang stoßen engagierte, qualifizierte, vollzeitarbeitende weibliche Beschäftigte auf das Phänomen, dass männliche Kollegen für die gleiche (oder eine im Prinzip gleichwertige) Tätigkeit mehr bezahlt kriegen als sie. Männer handeln sich eben von Anfang an die besseren Verträge aus, wird gern argumentiert, aber das Argument unterschlägt die Tatsache, dass Frauen meist nur ein beschränkter Verhandlungsspielraum zugestanden wird. Ihre Gehaltsforderungen werden schneller als über­zogen abgeschmettert. Ihre betriebsinterne Einstufung basiert nicht selten auf schlichter Diskriminierung: Sie haben zwar studiert, aber das zählt nicht, sie haben sich zwar praktisch bewährt, aber sie sind eh schon da, während der neue Kollege mit einem höheren Einstiegsgehalt gelockt werden muss, sie leiten zwar die Abteilung, aber wenn man sie zur Chefin machte, würde das böses Blut geben, Männer müssen schließlich eine Familie erhalten können (doch, ja, auch das gilt immer noch als Begründung für höhere Männergehälter), die technische Zeichnerin wird als technische Zeichnerin entlohnt, der technische Zeichner dagegen – mit mehr Geld – als Konstrukteur (nachzulesen in der Fallsammlung der Gleichbehandlungsanwaltschaft). So läuft’s, und wenn Frauen gegen die Ungleichbehandlung klagen, werden sie gekündigt, und wenn sie nicht nachweisen können, dass die Kündigung wegen der Klage erfolgt (was verboten wäre), dann schauen sie durch die Finger, und weil das alles mühsam bis existenzbedrohlich ist, finden sie sich halt im Endeffekt mit weniger Geld ab.

Dass Frauen generell einen Hang zu Branchen haben, in denen es nicht um Geld und Technik, sondern um Menschen geht, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, aber wo steht geschrieben, dass der Umgang mit Menschen was Minderes ist, das demzufolge bloß minder entlohnt werden muss? Vielleicht könnte man ja Wertschöpfung und Gewinn einmal neu definieren, unter Berücksichtigung einer immateriellen, ideellen Umwegrentabilität?
Oder, kurz gesagt: Es wird Zeit, dass wir die Altenpflegerin auf Rosen betten. Tatsächlich ist es jedoch nahezu egal, welcher Branche Frauen sich zuwenden – ab dem Zeitpunkt, zu dem sie es vermehrt tun, sinkt die Bezahlung, und die Gründe dafür liegen, siehe oben, in der tradierten „Friss, Vogel, oder stirb“-Haltung, mit der weibliche Beschäftigte nur zu häufig domptiert werden.

Was den Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen anlangt, so besteht er und gehört behoben, wobei Kinderbetreuung unbedingt auch Betreuung von Schulkindern heißen muss. Doch selbst ausreichend Kindergärten und Ganztagsschulen werden unterschiedliche Einkommenschancen nicht völlig ausgleichen, solange Frauen abends heimhetzen und Männer für Überstunden zur Verfügung stehen. Nein, das bedeutet nicht, dass Kindergärten und Schulen bis in die Nacht hinein offen halten sollen, sondern dass die Herstellung gerechter Verhältnisse nur möglich ist, wenn Väter ihr Rollenverständnis ändern und der Beruf nicht mehr selbstverständlich Vorrang für sie hat. Sie schuften aber doch eh für die Familie? Na ja, die Mütter auch, nur halt unbezahlt. Die alte Forderung: Gerechtes Teilen von bezahltem und unbezahltem Schuften tut not.

Im Übrigen sagt die Einkommensstatistik insofern bloß die halbe Wahrheit, als sie die Beschäftigungsquote in den jeweiligen Ländern außer Acht lässt. Italien oder Malta sind nicht gerade leuchtende Beispiele für eine energische und gelungene Gleichstellungspolitik, trotzdem stehen beide Staaten, was die Lohnschere betrifft, besser da als Österreich. Das ist zwar durchaus beschämend für uns, weil es bedeutet, dass dort zumindest diejenigen Frauen, die einen Job haben beziehungsweise einem Beruf nachgehen können, auf mehr Bezahlungsgerechtigkeit zählen können als hier. Ausgespart bleibt allerdings, wie viele Frauen überhaupt berufstätig sind beziehungsweise sein können.

Tatsächlich war Malta 2007 der EU-Staat mit dem größten Unterschied zwischen den Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern. Wie die Lohnschere in Malta – oder in anderen Ländern mit geringer Frauenbeschäftigung – aussehen würde, wenn mehr Frauen erwerbstätig wären, weiß man nicht. Das heißt nicht, dass Erwerbsquote und Lohngefälle ­einander bedingen, sondern nur, dass auf beides zu achten ist. Frauen müssen am Erwerbsleben teilnehmen (können), und sie müssen anständig bezahlt werden. Das müsste doch zu schaffen sein.

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