Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Wegwerfkinder

Wegwerfkinder

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1. Viel positives Echo auf meine letzte Kolumne („Wer klopfet an?“, profil 3/09), in der es um junge Menschen ging, die vom Schicksal nach Österreich gespült wurden und hier vergebens nach rettenden Ufern suchen. Ist ja zum Glück nicht so, dass in diesem unserem schönen Land nur gnadenlose Egomanen wohnen, die sich den Teufel um die Not anderer scheren. Die Politik wäre, denke ich, nicht schlecht beraten, das stärker einzukalkulieren, statt sich ständig in der Xenophoben-Ecke beliebt machen zu wollen. Ich schreibe die Politik, wissend, dass Generalisierungen fragwürdig sind und dass es unter den PolitikerInnen auch solche gibt, die sich für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen aller Art einsetzen – aber die offizielle Linie wird halt einmal von den Stacheldraht-Köpfen vorgegeben.

Und, klar, FPÖ und BZÖ wird man nicht zum Umdenken veranlassen, die würden sich damit ja um ihre Existenz bringen, doch die Regierungsparteien sollten sich vielleicht überlegen, wie verzichtbar ihnen die Stimmen derer sind, die Solidarität (ob christlich oder in sozialdemokratischer Tradition) noch für einen Wert halten. Die zustimmenden Zuschriften zeigen zudem, dass zahlreiche Menschen sich nicht mit wohlmeinenden Worten begnügen. Sie engagieren sich ehrenamtlich, in Vereinen oder für Einzelfälle, und was sie zu berichten haben, ist verwunderlich bis erschütternd.

Da gibt es zum Beispiel eine junge Frau aus Kenia, die in Wien zur Krankenpflegerin ausgebildet wurde und von der Gemeinde Wien eine Anstellung zugesichert bekam. Weil aber ihr Gehalt nicht hoch genug ist für eine Schlüsselkraft, wird ihr der weitere Aufenthalt hier verwehrt. (Ein Wiener Ehepaar, das sich um sie kümmert, hat der Innenministerin deswegen geschrieben, deren Reaktion ist noch ausständig.) Zugegeben, hier geht’s nicht um Leben und Tod, und in Kenia werden Krankenpflegerinnen durchaus gebraucht. Allerdings gilt das für unsere Spitäler ebenso, und immerhin – wenn wir schon das Finanzielle nicht aus den Augen verlieren wollen – wurden öffentliche Gelder (nein, diesfalls nicht aus dem Entwicklungshilfetopf) in die Ausbildung der jungen Frau investiert, die nun dennoch nicht als wichtige und notwendige Arbeitskraft gilt. Merkwürdig.

Dramatisch sind die ungewissen Schicksale dreier Kinder, die derzeit – noch – in einem Vorarlberger AsylwerberInnen-Heim untergebracht sind. Wenige Tage vor Weihnachten erhielten sie Bescheid über ihre bevorstehende Ausweisung, eins davon ein drei Wochen altes Mädchen, die anderen eine Elfjährige und ihr anderthalb Jahre alter Bruder. 32 Seiten lang ist der Text, der dem Baby auseinandersetzt, warum es nicht bleiben darf. Es wird darin durchgehend mit Sie angeschrieben, auch so drückt sich der distanzierte amtliche Blick auf Opfer aus, für die kein Mitgefühl aufkommen darf. Der Säugling ist das fünfte Kind einer Familie, die vor zehn Jahren aus Ex-Jugoslawien flüchtete, weil sie zur verfolgten moslemischen Minderheit der Ashkali gehört. Die Elfjährige stammt aus der Mongolei. Sie hat in zwei Jahren nicht nur perfekt Deutsch gelernt, sondern ist als Schülerin mittlerweile Klassenbeste. Egal. Alle Rechtsmittel seien ausgeschöpft, teilt der ach so weihnachtliche Bescheid mit, daher demnächst: ab nach Innerasien.

Noch einmal: Regeln müssen sein. Aber irgendwas stimmt nicht mit ihnen, wenn sie zur Folge haben, dass wir schutzlose Kinder aus dem Land, also wegwerfen. Was für eine Idiotie: Da jammern wir angesichts unserer Geburtenrate, wie sehr uns Nachwuchs fehlt, und dann werden intelligente, lernbegierige, integrationswillige junge Menschen nicht behalten.
Auch Arigona Zogaj, die Vielbeachtete, heftig Umstrittene, will ja nicht mehr als: einen Beruf erlernen. Ihn ausüben. Geld verdienen. Steuern zahlen.

Wer den Zogajs den Medienrummel um sie übel nimmt, vergisst, dass sie ihn nicht benützen, um sich in Ruhm zu sonnen, sondern weil sie, wie Pfarrer Friedl es ausdrückt, sich einfach „ein Leben“ wünschen. Sie möchten hier bleiben, wo sie inzwischen zu Hause sind. Sie wollen sich eine Existenz aufbauen. Sie würden beitragen zum Nationalprodukt, wenn man sie ließe.

Schon absurd: Einerseits ist das Streben nach Ruhm und Promiglanz gesellschaftlich dermaßen akzeptiert, dass man jugendlichen Starmaniacs sogar eine eigene Fernsehsendung einrichtet. Als Abfallprodukt eines verzweifelten Kampfes um ein halbwegs menschenwürdiges Dasein mutiert Berühmtheit jedoch zum Beweis charakterlicher Inferiorität. Wie kommt das?

2. Aus einem Zeitungskommentar1) mit dem Titel „Charme­offensive“ über die neue Justizministerin Claudia Bandion- Ortner und ihre Möglichkeiten, mehr Justizpersonal durchzusetzen: „Immerhin ist der Finanzminister, Josef Pröll, ihr ‚Erfinder‘, und der kann ihr und ihrem Charme vielleicht nicht so leicht etwas abschlagen.“

Frauen in politischen Ämtern: Mäderln, denen der Onkel Finanzminister nichts abschlagen kann, wenn sie nur recht charmant zu ihm sind? Bitte nicht. Hoffen wir, dass bei den Budgetverhandlungen Kompetenz und überzeugende Argumente zählen und nicht die Fähigkeit, dem Finanzminister um den (virtuellen) Bart zu streichen. Weil: Protek­tion gibt’s. Aber ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass Ministerinnen wegen Charmes protegiert werden, ist ­einigermaßen sexistisch.

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