Endstation Gericht bei ÖBB & Huber

Endstation Gericht bei ÖBB & Martin Huber: Vorwürfe gegen Aufsichtrsrat Pöchhacker

Untreue-Vorwürfe gegen Aufsichtrsrat Pöchhacker

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Der vermeintlichen Einigung vom 21. April 2008 waren langwierige und zähe Verhandlungen vorangegangen. Über Wochen hinweg hatten ÖBB-Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker und der schwer unter Beschuss geratene ÖBB-Chef Martin Huber eine heftige Auseinandersetzung über ein Ausscheiden Hubers aus dem Bahn-Vorstand geführt, zwischen den Juristen der beiden Streitparteien entspann sich ein Schriftwechsel mit Vorschlägen und Gegenangeboten. Am Ende stand eine Auflösungsvereinbarung mit den Modalitäten von Hubers Abfertigung mitsamt zweier Zusatzvereinbarungen über die Auszahlung der Erfolgsprämien für die Jahre 2007 und 2008. Dazu ein Konsulentenvertrag mit Zusatzvereinbarungen. Insgesamt also fünf Schriftstücke, unterzeichnet von Martin Huber, Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker und dessen Vize Eduard Saxinger (profil berichtete ausführlich).

So viel zur Papierform. Tatsächlich hat Martin Huber die ihm vertraglich zugesicherten Honorarzahlungen nie erhalten, den Konsulentenvertrag gekündigt und beim Handelsgericht Wien eingeklagt. Umgekehrt stehen jetzt auch Horst Pöchhacker und Eduard Saxinger vor gröberen rechtlichen Unwägbarkeiten. In den kommenden Tagen wird der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung der Nationalratsabgeordneten Gabriela Moser zugehen. Darin erhebt die Grünen-Verkehrssprecherin schwere Vorwürfe gegen die ÖBB-Kontrollorgane. In dem fünf Seiten umfassenden, profil bereits vorliegenden Schreiben an die Justiz bezichtigt Moser Horst Pöchhacker und Eduard Saxinger der Untreue. Der Grund: Die Vereinbarungen zwischen Huber und ÖBB seien zum Nachteil des Unternehmens geschlossen worden.

Martin Huber erhielt bei Vertragsauflösung im April dieses Jahres rund 515.000 Euro an Abfertigung, Prämien und Pensionszahlungen. Darüber hinaus wurde ihm sein vorzeitiges Ausscheiden – der Vertrag wäre bis Oktober 2009 gelaufen – eben mit einem gut dotierten Konsulentenvertrag versüßt. „Für seine in diesem Vertrag geregelte Tätigkeit erhält der Konsulent ein festes Honorar von monatlich 17.000“, heißt es dazu in der profil ebenfalls vorliegenden Vereinbarung (profil 43/08). Was darüber hinaus noch drinsteht: Bezahlt muss auch werden, wenn die ÖBB keine Verwendung für Hubers Dienste haben. Woraus die Beratungstätigkeit Hubers bestehen sollte, ist in dem Konsulentenvertrag nirgendwo deutlich ausgeführt. „Es ist offenkundig, dass die wohl nicht zufällig äußerst vage und allgemein gehaltene Umschreibung der Aufgaben des ‚Konsulenten‘ in Verbindung mit einer lediglich mündlichen Berichtspflicht in einem vollkommenen Missverhältnis zur Höhe des vereinbarten Honorars steht“, hält Gabriela Moser in ihrer Sachverhaltsdarstellung dazu fest.

In der Gesamtsumme aus dem Konsulentenvertrag von 836.654,52 Euro, auf die Hubers Anwälte Anfang Oktober geklagt haben, ist allerdings auch eine Prämie enthalten. Diese bezieht sich ausgerechnet auf die umstrittenen Derivativgeschäfte, welche die ÖBB im Jahr 2005 eingegangen sind. Die Veranlagung in so genannte CDOs (Collateral Debt Obligations) brachte dem Bahnkonzern bislang Buchverluste in der Höhe von 477 Millionen Euro. Die ÖBB-Finanzer haben verkürzt ausgedrückt eine Wette auf ein Bündel von 200 Unternehmenskrediten gegen die Deutsche Bank abgeschlossen. Werden die Kredite von den Unternehmen fristgerecht zurückgezahlt, erhalten die ÖBB eine Prämie von 30 Millionen Euro. Wenn allerdings rund zehn Prozent der Kredite nicht zurückgezahlt werden können, müssen die ÖBB die Gesamtsumme von 612,9 Millionen Euro abschreiben. Geht alles gut, erhält auch Huber eine Prämie. Für Moser ist es „nicht nachvollziehbar, warum Mag. Huber in seiner Eigenschaft als ‚Konsulent‘ überhaupt ein Erfolgshonorar für eine Transaktion beziehen sollte, die rund zweieinhalb Jahre vor Beginn seiner Konsulententätigkeit abgeschlossen wurde und auf deren weitere Entwicklung er überhaupt keinen Einfluss hat“. Und über Pöchhacker und Saxinger: „Wer namens eines Unternehmens einer derartig nachteiligen Regelung zustimmt und diese vertraglich vereinbart, nimmt in Kauf, dem vertretenen Unternehmen einen nicht zu rechtfertigenden erheblichen Vermögensnachteil zuzufügen.“

Brieffreunde. ÖBB-Aufsichtsratsvize Eduard Saxinger sieht den Untreue-Vorwürfen gelassen entgegen: „Ich glaube nicht, dass dabei etwas herauskommen wird“, so Saxinger. Horst Pöchhacker wollte dazu keinen Kommentar abgeben. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.Auch Martin Huber hat einige Male erfolglos den Kontakt zu ÖBB und Horst Pöchhacker gesucht. Dies belegen mehrere profil zugespielte Briefe, die ein weiteres Schlaglicht auf die Groteske rund um Hubers Ausscheiden bei den ÖBB werfen. Der ehemalige Bahnchef bemühte sich über Monate hinweg, seinen Teil der vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Erfolglos. In einem Brief an seinen Nachfolger Peter Klugar mahnt Huber am 16. Juli schriftlich die Vereinbarung ein. „Da ein nicht unwesentlicher Teil des mir zustehenden Honorars aus dem Konsulentenvertrag an die Entwicklung der CDO-Geschäfte gekoppelt ist, benötige ich selbstverständlich detaillierte Informationen über den derzeitigen Stand und die fortlaufende Entwicklung des CDO-Geschäftsfalles.“ Huber bietet aber auch seine Dienste an: „Darüber hinaus ersuche ich um Mitteilung, ob seitens des Vorstandes der ÖBB Holding AG Bedarf an weiteren – über das CDO-Problem hinausgehenden – zwischen der ÖBB Holding AG und mir bzw. meinem Unternehmen IMC Immobilien Management Consulting GmbH Beratungsleistungen aus meinem Mandat besteht.“ Antwort hat Huber angeblich keine erhalten. In einem E-Mail vom 17. September 2008 erkundigt er sich beim damals amtierenden Finanzvorstand Erich Söllinger (er ist Ende Oktober ausgeschieden) nach dem Stand der CDO-Geschäfte. „Bezugnehmend auf die heute veröffentlichten Nachrichten über die Einleitung des Insolvenzverfahrens für Lehman Brothers ersuche ich dich, mir mitzuteilen, ob diese Insolvenz Auswirkungen im Rahmen der vom ÖBB-Konzern abgeschlossenen CDOs hat.“

Die Antwort kam erst drei Wochen später. Und sie fiel nicht eben herzlich aus: „Martin, in Bezug auf deine Anfrage über den Status der CDO-Geschäfte teile ich dir mit, dass auf Wunsch von Herrn Pöchhacker entsprechende Anfragen direkt an Herrn Pöchhacker zu richten sind.“ Seither verkehren Huber und ÖBB nur noch über ihre Anwälte.

Von Josef Redl