Energie: Nach dem Sturm die Flaute

Warum der Windkraft jetzt langsam die Luft ausgeht

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Ein Geschäft, auf Luft gebaut: Es gibt wohl wenige Unternehmer, die diese Einschätzung als Kompliment nehmen würden. Martin Krill ist einer von ihnen.

Krill, 34, Geschäftsführer der Professional Energy Services GmbH (Profes), hat sich auf die Planung von Windparks spezialisiert – und kann dieser Tage über Mangel an Arbeit nicht klagen. Auf dem Schreibtisch seines Büros in Wien-Döbling türmen sich die Unterlagen: Bauskizzen, Flächenwidmungspläne, Genehmigungsansuchen nach dem Naturschutz-, Elektrizitäts- und Luftfahrtrecht.

„In den vergangenen beiden Jahren haben wir zwei Windparks realisiert, ein dritter soll bis Mitte 2006 ans Netz gehen“, sagt Krill. Und bereits jetzt brütet der Planer über den Entwürfen für zwei weitere Großprojekte.

Sie schießen überall aus dem Boden: die schlanken, bis zu über achtzig Meter hohen Masten der Windkraftwerke, typischerweise mit drei bis zu 40 Meter langen Rotorblättern an der Spitze. Das Phänomen begann im Jahr 2003, als das Parlament mit dem Ökostromgesetz auch die bevorzugte Förderung erneuerbarer Energieträger verabschiedete.

Der Wirtschaftszweig. Inzwischen wurden in Österreich 424 Windanlagen in die Landschaft gerammt. Alleine auf der Parndorfer Platte im Burgenland ragen über 200 in den Himmel, im nieder- und oberösterreichischen Alpenvorland stehen sie eher vereinzelt, in Halbdutzend-Büscheln.

Und ständig werden es mehr. Bis Mitte 2006 sollen weitere 125 errichtet werden, Enthusiasten spekulieren damit, dass sich 2010 in Österreich an die 1000 der überdimensionierten Windräder drehen könnten. Inzwischen speisen die heimischen Windkraftbetreiber pro Jahr 1200 Gigawattstunden (GWh) Strom ins öffentliche Versorgungsnetz – nicht ganz zwei Prozent des österreichischen Gesamtstromverbrauchs von 64.322 GWh.

Das Geschäftsfeld Windkraft hat sich in den vergangenen Jahren zu einem durchaus lukrativen Wirtschaftszweig entwickelt. Betreibergesellschaften versprechen sich und ihren Investoren konstante Renditen von rund acht Prozent – kein Wunder, sind die Tarife für Windstrom doch amtlich geregelt und garantiert. Pro gelieferte Kilowattstunde (kWh) Strom bekommen die Windradbetreiber 7,8 Cent, und das verbrieft über einen Zeitraum von 13 Jahren ab Inbetriebnahme.

Landwirte kämpfen geradezu um die Windmühlen: Lassen sie sich einen Propellerturm ins Feld pflanzen, können sie für die Grundfläche eines Schrebergartens mit Pachterträgen zwischen 3000 und 5000 Euro pro Jahr rechnen.

Was aussieht wie ein Boom ohne Ende, ist in Wirklichkeit aber bloß Vorbote einer veritablen Flaute. Die profitträchtigsten österreichischen Standorte sind mittlerweile zugepflastert, die technischen Entwicklungsmöglichkeiten weit gehend ausgereizt. Zudem wurde das Windkraft-Wirtschaftswunder nur durch massive Quersubventionierung möglich. Haushalte und Industrie müssen alleine im laufenden Jahr rund 50 Millionen Euro zahlen, um die Rotoren auf Touren zu halten. 2006 werden es 70 Millionen sein. Belastungen, die mitverantwortlich dafür sind, dass der Strompreis in Österreich in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen ist (siehe Grafik).

Das Dilemma. Es ist das schier unlösbare Dilemma mit dem sauberen Strom: Wem Atomreaktoren zu gefährlich, Kohlekraftwerke zu schmutzig und Flussauen sowie Gebirgstäler so schützenswert sind, dass sie nicht durch Stauseen überflutet werden dürfen, der muss zahlen. Das geschah in Österreich bislang auch einigermaßen bereitwillig. Aber diese Willigkeit scheint nun ihre Grenzen zu erreichen.

Inzwischen mehrt sich nämlich die Kritik – vor allem an den Windkraftwerken. Zwar sind naturgemäß nicht sie allein schuld an der Kostenexplosion. Auch Kleinwasserkraftwerke, Biomasse- und Fotovoltaikanlagen werden kräftig subventioniert. Aber die Anlagen sind – in aller Regel in Flussbetten, Kellern und auf Dächern versteckt – nicht ganz so auffällig.

Nicht so die weithin sichtbaren Propeller – mit ein Grund dafür, dass sich der Unmut vor allem gegen die Windkraft richtet. Kritiker stellen immer häufiger die wirtschaftliche Sinnfrage.

„Wir stecken sagenhafte Summen in ein Energiesystem, von dem wir volkswirtschaftlich nicht viel haben“, wettert Peter Koren, stellvertretender Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). „Das ist Geld, das besser für Forschung und Entwicklung eingesetzt wäre.“

Ähnlich Georg Oberhaidinger, Energiesprecher der SPÖ: „Es war gut und richtig, wie die Windkraft bislang gefördert wurde. Aber jetzt reicht es erst einmal. Man sollte sich auf Zukunftstechnologien konzentrieren und nicht darauf, immer neue Subventionsschienen zu erfinden.“

Die ersten professionell betriebenen Windkraftanlagen Österreichs wurden 1996 in Eberschwang im Innviertel errichtet und von den dortigen Gemeindevätern bedeutungsschwanger auf die Namen Adam und Eva getauft.

Als Auslöser für den später folgenden Boom beim Windradbau fungierte fünf Jahre später, im Oktober 2001, eine EU-Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen. Darin wurde festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten ihre Ökostromquote, die in dieser Kategorie auch Energie aus Wasserkraft beinhaltet, von durchschnittlich 13,9 auf 22 Prozent steigern sollen: Österreich, mit 70 Prozent schon damals Vorzugsschüler, verpflichtete sich sogar dazu, 78,1 Prozent zu erreichen.

Der Boom. 2003 folgte dem europäischen Vorstoß dann ein nationaler österreichischer: das Ökostromgesetz und die so genannte Einspeisetarifverordnung, in denen die Förderung der Windkraft geregelt wird – Fixtarife für die Produzenten, Abnahmeverpflichtungen für die Stromversorger und nicht zuletzt Preisaufschläge für die Konsumenten.

Dass zusätzlich Investitionszuschüsse von zehn Prozent der Gesamterrichtungskosten – im Fall der Windmühlen rund 100.000 Euro pro Turm – gewährt wurden, führte zu einem regelrechten Bauboom. „Wenn eine Anlage eingereicht wurde, war die Genehmigung durch das jeweilige Bundesland meistens reine Formsache“, sagt IV-Mann Koren. Die Folge: eine Tendenz zum Wildwuchs.

Mit 31. Dezember 2004 lief dann die Tarifverordnung aus. Nur Anlagenbetreiber, die bis dahin ihre Bewilligung in der Tasche hatten, konnten sichergehen, die nächsten 13 Jahre lang die lukrativen 7,8 Cent pro Kilowattstunde zu bekommen. Immerhin doppelt so viel wie ihre Kollegen von der Wasserkraft. „Es war teilweise völlig absurd, was sich gegen Jahresende bei den Genehmigungen abgespielt hat“, sagt Christian Schönbauer, Leiter der Abteilung Ökostrom der staatlichen Regulierungsbehörde E-Control. Bis zur letzten Minute wurde eingereicht, was das Zeug hielt – für Windkraftwerke ebenso wie für Biomasseanlagen. Schönbauer: „Durch die maßlos überzogene Tarifregelung wurde der gesetzliche Budgetrahmen gesprengt.“

Mit nachhaltigen Folgen. E-Control hat errechnet, dass die Subventionskosten für Ökostrom bis zum Jahr 2007 auf 250 Millionen Euro ansteigen werden. Ursprünglich war nicht einmal die Hälfte davon erwartet worden.

Im gleichen Ausmaß trifft es die Konsumenten. Sie sollten laut Ökostromgesetz bei jeder verbrauchten Kilowattstunde Strom einen Aufschlag von maximal 0,22 Cent zur Subventionierung erneuerbarer Energiequellen zahlen. Tatsächlich sind es schon jetzt 0,27 Cent – und nächstes Jahr werden es 0,46 Cent sein. Macht für einen durchschnittlichen Haushalt gut 16 Euro jährlich. Und das ist noch nicht einmal die ganze Wahrheit. Rechnet man Faktoren wie die Aufschläge für Großhändler hinzu, sind es schon jetzt über 20 Euro jährlich.

Ein verkraftbarer Obolus für eine saubere Umwelt? Durchaus. Vorausgesetzt, der Nutzen steht in einer vernünftigen Relation dazu. In manchen Regionen scheint das auch so zu sein. Offshore-Windanlagen vor den Küsten Deutschlands, Großbritanniens und Skandinaviens erzielen einen vergleichsweise hohen Wirkungsgrad – deutlich höher als jene der österreichischen Propellertürme. Und weniger störend: Draußen im Watt stehen sie niemandem im Weg.

Wollte man in Österreich nur die jährliche Steigerung des Stromverbrauchs von durchschnittlich zwei bis drei Prozent mittels Windenergie decken, müssten per annum etwa so viele Anlagen gebaut werden, wie jetzt schon insgesamt in Betrieb sind – also um die 400.

Für die Wasserkraft ist der Wind zwar eine gute Ergänzung: Vor allem im Winter, wenn der Pegel der Flüsse sinkt, weht die Brise am stärksten.

Über das Jahr gesehen, bleibt der Wind aber dennoch ein unsteter Geselle. Das macht es den Energieversorgern schwer, mit ihm zu kalkulieren. Bei Geschwindigkeiten unter zehn Stundenkilometern stehen die Rotoren ebenso still wie bei Sturm.

Auch das hat wiederum Kosten zur Folge. Verweigern die Propeller die Arbeit, müssen die Versorger Strom aus anderen Quellen einspeisen. Alleine die Kosten für diese „Ausgleichsenergie“ werden sich nach Schätzung von Experten im Jahr 2006 auf 18 Millionen Euro belaufen.

Der Frust. Alles Gründe dafür, dass die Förderungen für erneuerbare Energie derzeit völlig in der Luft hängen. Seit Monaten gammelt eine Novelle zum Ökostromgesetz im Parlament vor sich hin, ohne beschlossen zu werden. Auch auf eine Neuregelung der Ende vergangenen Jahres ausgelaufenen Einspeisetarife konnten sich die Bundesländer und die zuständigen Ministerien bislang nicht verständigen.

Entsprechend groß ist der Frust bei den Windkraftproduzenten: „Jetzt, wo wir das Know-how haben und expandieren könnten, schiebt man uns einen Riegel vor“, klagt Johannes Horwath, Geschäftsführer der Austrian Wind Power GmbH, einer Tochter des burgenländischen Energieversorgers Bewag.

Austrian Wind Power hat sich, wie andere österreichische Betreiber auch, bereits neue Standorte im Ausland gesucht. „Parndorf ist eines der besten Gebiete in Österreich, aber nur zehn Prozent der Fläche sind grundsätzlich für Projekte freigegeben“, so Horwath. „Wir haben deshalb jetzt Töchter in Frankreich, Großbritannien, Tschechien, Ungarn und Kroatien gegründet.“

Auch Stefan Hantsch, Geschäftsführer des Dachverbandes IG Windkraft, ärgert sich: „Das ist eine unerträgliche Lage für Planer, Errichter und Betreiber. Angesichts der Rechtsunsicherheit müssen wir fürchten, dass bald der absolute Stillstand eintritt.“ Nachsatz des Sprechers einer Branche, in der Renditen und Windräder gerade noch in den Himmel wuchsen: „Aus einem großen Planungsbüro habe ich schon gehört, dass dort bald Mitarbeiter abgebaut werden müssen.“

Von Martin Himmelbauer und Martin Staudinger