Energie: Die Fusion von OMV und Verbund

Energie: Operation „Violet“

Heftige Kritik von Börse- experten und Investoren

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Tausend Meter Seehöhe, rundum saftige Almwiesen und tiefgrüne Wälder, dazwischen idyllische Spazier- und Wanderwege von unberührter Schönheit. Das idyllische 2500-Seelen-Dörfchen Alpbach in Tirol bietet wahrlich ein Umfeld wie geschaffen für Liebeserklärungen und Heiratsanträge. Ganz so romantisch dürften das die beiden Herren, die da in den Mittagsstunden des 26. August 2005 durch die Natur spazierten, vielleicht nicht empfunden haben. Und doch scheint zwischen ihnen so etwas wie Zuneigung entstanden oder neu aufgeflammt zu sein. Der eine, Wolfgang Ruttenstorfer, Generaldirektor der OMV, der andere, Hans Haider, Vorstandssprecher des Verbundkonzerns.

Was die beiden Herren im Zuge ihrer zweisamen Wanderung in freier Natur zu beplauschen hatten, war hier gut aufgehoben. Keine ungebetenen Zuhörer weit und breit, keine Journalisten, die lästige Fragen stellen konnten. Niemand, der in welcher Form auch immer stören oder gar etwas an die Öffentlichkeit tragen hätte können.

Von Interesse wäre der Gesprächsinhalt allemal gewesen. Schließlich stehen die beiden Manager an der Spitze der zwei größten und noch dazu börsenotierten Energiekonzerne des Landes. Und ziemlich unverblümt und ohne Scham begannen sie darüber zu sinnieren, wie man aus zwei eins machen, wie man also OMV und Verbund zusammenführen könnte.

Es sollte nicht ihr letztes Rendezvous sein. Über ein Dutzend Mal trafen einander die beiden Herren in den Monaten darauf, um die Details des Projektes „Violet“, wie die Operation genannt wurde, zu diskutieren. Einzig über die Weihnachtsfeiertage – die wichtigsten Politiker waren mittlerweile ins Vertrauen gezogen worden – legten Ruttenstorfer und Haider eine kurze Gesprächspause ein. Im Jänner wurde dafür umso hingebungsvoller weiterverhandelt. Immer konkreter wurden die Pläne und blieben doch – für österreichische Verhältnisse höchst ungewöhnlich – die längste Zeit geheim.

Geplatzt. Bis kürzlich der „Kurier“ von der Sache Wind bekam und in seiner Ausgabe vom 6. Mai erstmals vom geplanten Schulterschluss der beiden Konzerne berichtete. Die vorzeitige Publizität blieb nicht ohne Folgen. Wie meist in solchen Fällen traf es den Größeren der beiden Fusionswilligen. Binnen vier Tagen sackte der Kurs der OMV-Aktie um über zehn Prozent ab. Rein rechnerisch gingen damit mehr als 1,7 Milliarden Euro an Wert den Bach hinunter. Selbst Ende vergangener Woche notierte das Papier noch merklich unter dem vorherigen Wert (siehe Grafik Seite 52).

In einer eilends einberufenen Pressekonferenz traten OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer und Verbund-General Hans Haider schließlich am Mittwochvormittag vergangener Woche vor die Öffentlichkeit, um die Details zum geplanten Deal darzulegen. Ungewöhnlich für eine Transaktion solcher Größenordnung und Tragweite, erweckte die Veranstaltung den Eindruck eher ungelenker Improvisation: Ruttenstorfer und Haider waren hinter den TV-Kameras für die Anwesenden kaum sichtbar, auf eine Leinwand projizierte Grafiken wurden von Fotografen verdeckt, und die verteilten Unterlagen wirkten, als seien sie von Assistenten in letzter Minute zusammengestoppelt worden.

Große Skepsis. Doch nicht in erster Linie die nicht übermäßig professionell gestalteten Umstände der Präsentation waren es, welche die zahlreich angereisten Vertreter internationaler Finanzmedien nicht restlos zu überzeugen wussten. Der Deal selbst wirft zahlreiche Fragen auf: Demnach sollen die beiden Unternehmen im ersten Quartal 2007 miteinander verschmolzen werden. Was von beiden gebetsmühlenartig als „Merger of Equals“, also die Fusion zweier Gleichberechtigter, dargestellt wird, stellt de facto aber doch eine Übernahme des Verbundes durch die OMV dar. In einem ersten Schritt wird die OMV zu einer Holding, die OMV Verbund AG, umfirmiert, in welche die Republik Österreich ihre 51 Prozent an der Verbundgesellschaft einbringt. Die Verstaatlichtenholding ÖIAG soll letztlich an der neuen Holding gut 30 Prozent halten, der Anteil des OMV-Großaktionärs IPIC (Abu Dhabi) soll bei knapp 15 Prozent liegen.

Der damit stattfindende Kontrollwechsel verpflichtet die OMV Verbund AG, den übrigen Verbund-Aktionären ein Übernahmeangebot zu unterbreiten. Diese können eine Verbund-Aktie gegen 6,5 OMV-Aktien eintauschen oder zum Stückpreis von 425 Euro verkaufen. Nach derzeitigem Stand scheint bares Geld auch die bessere Wahl zu sein. Wer seine Verbund-Papiere im angebotenen Verhältnis 1:6,5 tauscht, bekommt nämlich, ausgehend vom OMV-Durchschnittskurs der vergangenen sechs Monate, einen Gegenwert von nur 340 Euro. Gegenüber dem Barabfindungsangebot entspricht das einem Abschlag von 20 Prozent. „Ich verstehe nicht, weshalb die Republik das tut und kann Privatanlegern nur vom Tausch abraten“, sagt Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessenverbandes für Anleger.

Was die Analysten aber viel mehr beschäftigt, ist die Frage nach dem Nutzen des Zusammenschlusses. Von „Synergieeffekten in der Größenordnung von 100 Millionen Euro“ sprach Wolfgang Ruttenstorfer in der Mittwoch-Pressekonferenz und reichte das Wort an seinen nunmehrigen Du-Freund Haider weiter, der über die große Chance, „Gaskraftwerke künftig gemeinsam errichten zu können“, schwärmte. Als gemeinsames Unternehmen sei die OMV Verbund AG gegen mögliche feindliche Übernahmen allein ihrer Größe wegen besser gewappnet. Vor allem russische Konzerne wie die mächtige Gazprom, mit der die OMV traditionell in engen Beziehungen steht, schielen ziemlich unverhohlen Richtung Westen.

Den Investmentbankern ist das aber offenbar zu wenig. „Wir sind nicht wirklich überzeugt von der industriellen Logik dieses Deals“, sagt Joseph Mares von Morgan Stanley. In einer Analyse äußert Mares auch die Vermutung, „dass vor allem institutionelle Verbund-Investoren eher Geld nehmen werden als die neuen Aktien“. Dies werde zwangsläufig dazu führen, dass das OMV-Ergebnis 2007 um etwa zehn Prozent sinkt. Auch Michele della Vigna von Goldman Sachs sieht „kaum eine strategische Begründung“ und meint weiter: „Wir glauben, dass das eine weit gehend politische Entscheidung ist, die einen Energie-Champion in Österreich kreieren soll.“

Bemängelt wird auch, dass die Gewinnmargen der überaus profitablen OMV nach der Fusion mutmaßlich sinken werden. Und dass eine Holding, die in unterschiedlichen Branchen tätig ist, an der Börse in der Regel mit Abschlägen bewertet wird.

Auch österreichische Aktienanalysten können und wollen ihre Skepsis nicht verhehlen. Alfred Reisenberger von der Bank Austria Creditanstalt sieht vor allem bei den OMV-Aktionären, denen keine finanzielle Abfindung zugestanden wird, Problempotenzial: „Es ist nicht auszuschließen, dass der Deal von deren Seite noch blockiert wird.“ Auch Reisenberger will die Darstellung der beiden Manager, der Zusammenschluss sei allein ihre Idee, nicht ganz glauben und stellt die rhetorische Frage, „von wem das eigentlich ausgegangen ist“. Dass „Gerüchte über eine politische Initiative nicht ganz von der Hand zu weisen“ seien, findet auch Tobias Winter, Analyst bei der Raiffeisen Centrobank.

Ruttenstorfer und Haider, die den neuen Konzern vorerst als gleichberechtigte Generaldirektoren führen wollen, weisen all das entschieden zurück. Dass sich die beiden Herren, bevor sie eine Fusion verhandeln, die Zustimmung ihres größten Aktionärs holen, liegt allerdings auf der Hand. „Ende Oktober, Anfang November 2005 haben die beiden ziemlich zeitgleich die Spitzen von ÖVP und SPÖ informiert“, will ein Insider wissen. Demnach habe der schwarze Haider ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel um seinen Segen gebeten, während der rote Ruttenstorfer das Okay von Parteichef Alfred Gusenbauer einholte. Mit dessen prinzipieller, wenn auch an einige Bedingungen geknüpften Zusage dürfte sich auch eine wichtige Hürde ausräumen lassen: das Zweite Verstaatlichtengesetz. Es schreibt verfassungsmäßig vor, dass die Republik Österreich die Mehrheit am Verbund behalten muss. Um den Passus zu kippen, bedarf es im Parlament einer Zweidrittelmehrheit, also der Einigkeit von Rot und Schwarz.

Abstimmung. OMV-Chef Ruttenstorfer hat sich zwischenzeitlich auch die Zustimmung seines zweiten Großaktionärs IPIC eingeholt. Die International Petroleum Investment Company des Emirats Abu Dhabi, derzeit mit 17,6 Prozent an der OMV beteiligt, soll dem Vernehmen nach von den Plänen auch nicht unbedingt begeistert gewesen sein. „Die IPIC hat uns aber immer vertraut und uns letztlich versichert, dass sie das Vorhaben mittragen“, sagt Ruttenstorfer.

Hans Haider hingegen ließ seine Aktionäre EVN, Tiwag und Wienstrom bis zuletzt im Unklaren. Dass diese die Pläne praktisch aus der Zeitung erfahren mussten, sorgte vorerst für heftige Missstimmung. Vor allem die EVN übte lautstark Kritik an der Vorgehensweise des Verbund-Chefs. Dieser wird denn wohl noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, um die drei Landesversorger auf Linie zu bringen. Vielleicht ist das ein Hauptgrund, dass Haider seinen mit dem 65. Geburtstag im Mai nächsten Jahres endenden Vertrag nun um „ein bis eineinhalb Jahre verlängern“ will. Sollten sich die drei Landesversorger nämlich quer legen, ihre 31,7 Prozent behalten und diese Sperrminorität aktiv ausüben, könnten sie das ganze Projekt nachhaltig blockieren.

Politische Anläufe. Es ist nicht der erste Versuch, OMV und Verbund zusammenzuführen. Die Politik hat in der Vergangenheit bereits wiederholt entsprechende Anstrengungen unternommen. Am markantesten in Erinnerung bleiben vor allem zwei Versuche:

Nach dem OMV-Börsegang 1987 gab die damalige Mehrheitseigentümerin ÖIAG zwei Jahre später, wieder über die Börse, eine zweite Tranche von OMV-Aktien ab. Die SPÖ hegte gegenüber den Privataktionären, die sich damals in den ÖIAG-Unternehmen zu etablieren begannen, noch heftiges Misstrauen. Besonders wenn sie – wie bei börsenotierten Gesellschaften der Fall – auch in Form von international tätigen Fonds auftraten.

Weil dieses Misstrauen so stark war, wurde in SP-Kreisen die Idee geboren, anstelle einer weiteren privaten Streuung von OMV-Aktien doch die Verbundgesellschaft dazu anzuhalten, Teile der OMV zu übernehmen. Die Sinnhaftigkeit dieser Aktion wurde schon damals mit angeblichen „Synergien zwischen den beiden Energiekonzernen“ argumentiert.

Die Begeisterung beider Gesellschaften, die da zusammengespannt werden sollten, hielt sich in Grenzen. Die Aktion wurde abgeblasen.

Als Anfang des neuen Jahrtausends die E-Wirtschaft innerhalb der EU liberalisiert wurde, tauchte bei Stromversorgern das Problem der so genannten „stranded costs“ auf: Die Preisminderungen, die sich durch den Wettbewerb ergaben, machten verschiedene in der Vergangenheit getätigte Kraftwerksinvestitionen unrentabel. Eine EU-weite Debatte flammte auf, wie man mit diesem Problem umgehen sollte. Damals tauchte abermals die Idee auf, OMV und Verbundgesellschaft zusammenzuführen. Weil es bei einer Fusion zu Neubewertungen kommt, weil allerlei Reserven gehoben werden können, war die Fusion diesmal vornehmlich dazu gedacht, die Verbundgesellschaft von der Last dieser „gestrandeten Investments“ zu befreien.

Auch dieses Motiv erwies sich als nicht stark genug, die vorhandenen Vorbehalte gegen das Projekt zu beseitigen. Auch damals kam es nicht zustande.

Konsens. Nun, da die Pläne nach offizieller Darstellung von Managerseite kommen, scheint das Projekt doch noch zur Umsetzung zu kommen. Wolfgang Ruttenstorfer: „Wir haben auf das richtige ,window of opportunity‘ gewartet.“ Dass die durch den Bawag-Skandal unter Druck geratene SPÖ nun mitzieht, hat dieses Fenster natürlich weiter geöffnet. Aber, so Ruttenstorfer: „Das haben wir zu Beginn der Verhandlungen noch nicht gewusst.“

Von Martin Himmelbauer und Liselotte Palme