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Erfinder: Ein Mann räumt auf

Dyson: Ein Mann räumt auf

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Malmesbury, eine verschlafene, mittelalterliche Stadt südlich von London, gilt nicht gerade als High-Tech-Metropole. Doch ein paar Meilen vom Zentrum der ältesten Stadt Englands entfernt arbeiten mehr als 1200 Leute in einer modernen und architektonisch durchaus sehenswerten Fabrik. Wer hier als Besucher eingelassen werden will, benötigt einen Ausweis mit Foto und eine Zutrittserkennung. Die strengen Sicherheitskontrollen haben gute Gründe: Bereits einige Male musste James Dyson, Herr über die Fabrik und die darin untergebrachten Forschungslabors, Prozesse wegen Patentverletzungen und Ideendiebstahls ausfechten.

„Das Leben als Erfinder ist ein frustrierendes Geschäft“, sagt der leger gekleidete 55-Jährige. „Man hat das Establishment gegen sich, man muss sich im Patentsystem zurechtfinden, hat große Geldprobleme und muss leider oft auch gegen Nachahmer kämpfen.“ Dyson steht im Eingangsbereich seines Unternehmens und deutet auf eine Vitrine, in welcher der erste Prototyp jener Erfindung ausgestellt ist, die seinen geschäftlichen Durchbruch begründete: ein Staubsauger mit der Bezeichnung „Dual Cyclone“.

Ebenso wie der zur Schau gestellte Prototyp sind auch die meisten Erfindernöte inzwischen ein Kapitel aus der Vergangenheit. Nach jahrelanger Forschung, der Anfertigung von 5127 Prototypen und langwieriger Suche nach Vertriebspartnern darf Dyson für sich in Anspruch nehmen, mit dem in kühler Plastikoptik gehaltenen Gerät einen veritablen Erfolg gelandet zu haben. Heute besitzen Prominente wie Elton John, Prince Charles, der Dalai-Lama oder David Copperfield einen „Dyson“.

Von den großen Staubsaugerherstellern einst verschmäht, produziert Dyson sein High-Tech-Gerät seit 1993 in seiner eigenen Fabrik und konnte bis heute mehr als zehn Millionen Stück absetzen. Und das trotz des relativ hohen Preises: Das billigste Gerät ist mittlerweile zwar schon um 299 Euro zu haben, die ersten Dysons kosteten vor über zehn Jahren aber noch 2000 Dollar pro Stück. Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre hat das rasch expandierende Unternehmen, das heute auch Waschmaschinen und Kleinstelektromotoren produziert, einen kumulierten Umsatz von insgesamt mehr als drei Milliarden Pfund erwirtschaftet.

Erfolgsmodell. In England ist der Dyson mittlerweile der meistverkaufte Staubsauger mit einem wertmäßigen Marktanteil von mehr als 44 Prozent. In Österreich erreichte das Gerät innerhalb von drei Jahren einen Gesamtmarktanteil von neun Prozent und rangiert in der Bestsellerliste auf dem zweiten Platz hinter dem Marktführer Miele.

Aus dem einstigen Ein-Mann-Betrieb James Dyson ist inzwischen ein Konzern geworden, der in 28 Ländern präsent ist. Im englischen Stammwerk in Malmesbury arbeitet mit 350 Ingenieuren und Wissenschaftern fast ein Drittel der Belegschaft in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Mehr als 1100 Patente für 175 Erfindungen wurden bis heute beantragt. Vier neue, noch streng geheim gehaltene Produkte sollen noch im laufenden Jahr der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Das wichtigste Produkt ist freilich weiterhin der Dyson-Staubsauger. Das durchgestylte Gerät gilt aus mehreren Gründen als ungewöhnlich. So gibt die Apparatur beispielsweise den Blick auf den eingesaugten Schmutz in einem transparenten Staubsammler frei – obwohl Dyson einst davor gewarnt worden war, dass solche Einblicke doch eher unappetitlich seien und sich nicht unbedingt verkaufsfördernd auswirken würden. Das eigentliche Erfolgsgeheimnis liegt aber wohl in der Technik. Im Gehäuse des Gerätes stecken zwei Gebilde, von Dyson Zyklone, also Wirbelstürme, genannt. Dabei handelt es sich um trichterförmige Bauteile, in welche die Luft eingesaugt und dann teils auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt wird.

High Speed. Einer der Zyklone beschleunigt den eingesaugten Schmutz so stark, dass durch die Fliehkraft der grobe Staub an die Wand des Trichters gedrückt wird, während in der Mitte dieses künstlichen Wirbelsturms die Luft vorgereinigt nach oben abzieht. Der zweite Zyklon erzeugt noch höhere Geschwindigkeiten und scheidet so auch den feinen Staub ab. „Bei 324.000 Umdrehungen pro Minute werden selbst Partikel aus dem Zigarettenrauch herausgesaugt“, erläutert Dyson sein „Dual-Zyklon-Prinzip“. Zudem soll das Gerät selbst nach stundenlangem Dauereinsatz nicht an Leistung verlieren, weil angeblich weder Staubsack noch Filter durch Staubreste verlegt werden.

„Meine Triebfeder war immer die Frustration über herkömmliche Produkte“, sagt Dyson. Und er wollte sich, wie er meint, dank ausgeprägter Ausdauer und Sturheit sowie einigem Ingenieurs- und Designtalent mit den seiner Ansicht nach schlechten Alltagsgeräten nicht abfinden.

Dyson wurde 1947 in Norfolk geboren. Nach einer humanistischen Ausbildung mit Schwerpunkt bildnerische Erziehung studierte er am Royal College of Art in London Möbeldesign und Innenarchitektur. Schon immer verstand er Design nicht als reine Behübschung. Die Funktion hat laut Dyson das Produkt zu bestimmen. Und dieses solle sich nicht verkaufen, weil es trendig aussieht, sondern weil es schlicht das beste ist. Als Arbeit zum Studienabschluss im Jahr 1970 präsentierte der angehende Absolvent seinen Professoren nicht ein hübsches Möbelstück, sondern ein flinkes Küstenboot. Der technische Trick, um schnellere und bessere Landungsboote zu bauen, stammte damals von Jeremy Fry, dem Managing Director beim Industriekonzern Rotrok.

Erfinderkarriere. Gleich nach dem Studium arbeitete Dyson vier Jahre für die Marineabteilung von Rotrok. Dann kam ihm im Zuge des Eigenheimausbaus beim Schubkar-renfahren die Idee zum „Ballbarrow“ – einer Schubkarre, die anstatt aus eckigem Blech aus Plastik geformt wird und an der statt eines herkömmlichen Rades ein aufblasbarer Ball angebracht ist. Dadurch wird sorgsam gepflegter Rasen weniger beschädigt, und selbst im Matsch versinkt die Schubkarre kaum. Dyson verließ die gut bezahlte Stelle bei Rotrok und wagte das Abenteuer, sich als Erfinder selbstständig zu machen. Im gartenverliebten England belegte das Produkt bald einen Marktanteil von 60 Prozent.

Finanziell sah es für das Unternehmen Ballbarrow wegen hoher Schuldentilgungsraten weniger erfreulich aus. Zugleich wurde das Produkt von einem US-Unternehmen nachgebaut – Dyson strengte einen Prozess an, den er letztlich aber trotz Patentierung verlor. Als noch Streitereien innerhalb des eigenen Unternehmens hinzukamen, verkaufte Dyson 1979 seine Anteile für 10.000 Pfund und wandte sich neuen Projekten zu.

Schon immer hatte er sich über die mit der Zeit stark abfallende Saugleistung von Staubsaugern geärgert. Er beobachtete, dass die Staubsäcke konventioneller Sauger wegen des feinen Staubes, der sich nach einiger Betriebszeit ablagert, die Abluft nicht mehr effizient austreten lassen. Je mehr Feinstaub, umso schneller sackte die Saugleistung ab. In der Folge begann Dyson, sich mit der Entwicklung des Dual-Cyclone-Staubsaugers zu befassen – wobei ihn die damit verbundenen Patent- und Gerichtskosten beinahe in den Ruin getrieben hätten.

1983 gelang es ihm dann, in seiner Werkstatt hinter dem Haus den ersten Prototyp, eine pinkfarbene Maschine mit der Bezeichnung G-Force, zu produzieren. In den folgenden zwei Jahren ließ sich jedoch trotz intensiven Klinkenputzens kein potenzieller Lizenznehmer überzeugen. Die Schulden türmten sich. Dann endlich gelang der erste Durchbruch in Japan – Lizenznehmer in den USA und Kanada folgten. Die stetig wachsenden Lizenzeinnahmen ermöglichten es Dyson 1993 schließlich, seine eigene Fabrik mit Entwicklungszentrum in Chippenham zu eröffnen. 1995 zog er in ein neues, hochmodernes Fabriksgebäude in Malmesbury.

Empirische Forschung. Das Durchschnittsalter der Angestellten in der High-Tech-Fabrik liegt bei 27 Jahren. Besonders in der Forschungsabteilung legt der Chef Wert darauf, junge Leute direkt von den Schulen und Universitäten zu engagieren. „Sie sollen ihre eigene, unverbrauchte Kreativität einbringen“, sagt Dyson. „Ich würde dagegen nie auf die Idee kommen, Leute von der Konkurrenz abzuwerben.“ Jeder Neuling muss in Malmesbury zuerst selbst einen Staubsauger zusammenbauen – und sich beim Forschen in Geduld üben. Denn James Dyson geht Projekte empirisch an: Waschmaschinen waschen nicht perfekt, brauchen zu viel Wasser, Strom und Waschmittel – also sucht James Dyson im Rahmen entsprechender Versuchsreihen eine bessere Methode. Die Lösung in diesem Fall waren zwei gegenläufig drehende Trommeln, die – ähnlich dem händischen Waschen – die Wäsche besser durchwalken.

Rund sechs Jahre dauerte es, bis die neue Waschmaschine marktreif war. Für die Entwicklung eines neuen bürstenlosen Hochleistungsmotors für Staubsauger wurden ebenfalls eine Menge Zeit und Millionen von Pfund investiert. Die Entwicklung „war rein ökonomisch betrachtet verrückt“, gesteht James Dyson. Doch nach sieben Jahren verfüge er nun, wie er meint, über den besten Motor auf der Welt.

In den großen Hallen der Forschungsabteilung in Malmesbury stehen zahlreiche Konkurrenzprodukte. Laufend werden Vergleichsmessungen durchgeführt und die eigenen Produkte verbessert. So wurde 2001 die neue Root-Cyclone-Technologie präsentiert. Nun wüten schon acht Zyklone in den Staubsaugern, die 45 Prozent mehr Saugkraft versprechen als beim Dual Cyclone. Intensiv wird auch an einem Roboterstaubsauger gearbeitet. „Die heutigen Produkte sind alle nur Gimmicks, die weniger als zehn Prozent Saugleistung der herkömmlichen Staubsauger erreichen“, meint die Roboterforscherin Susan Riley, während sie zwecks eines Testeinsatzes Sägespäne und Fusseln auf einen Teppich streut.

Demnächst soll von Dyson jedoch ein Haushaltsgehilfe auf den Markt gebracht werden, der nach Angaben des Unternehmens immerhin bereits 75 Prozent der Saugleistung konventioneller manueller Sauger aufweisen wird. Er soll systematisch saugen, keine Ecke auslassen sowie Hund und Katze nicht verschrecken. Riley rechnet damit, dass Roboterstaubsauger schon in einigen Jahren Standard sein werden.

Der Designer Dyson konnte mit seinen Erfindungen schon zahlreiche Preise einheimsen. Und manche Produkte scheinen beinahe zu schön für den schnöden Alltagsgebrauch. Deshalb sind sie in Museen wie etwa im Wiener Museum für angewandte Kunst, dem Design Museum London und dem Centre Georges Pompidou in Paris ausgestellt. Doch auch im Wiener Technischen Museum und im Science Museum London sind Dysons Gerätschaften zu besichtigen.