Ernst Strasser im profil-Porträt

Ernst Strasser im profil-Porträt: Ernst Strasser und die Sucht nach Macht

Kein Teamspieler fürs Europaparlament

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Von Eva Linsinger und Ulla Schmid

Hier kommt Ernst. Beileibe kein einfacher Abgeordneter in spe, sondern ein Mächtiger, der Jobs verschaffen kann. So sieht sich Ernst Strasser selbst, und so trat er vergangenen Mittwoch bei einem Besuch im Europaparlament in Brüssel auf: „Ich werde dafür sorgen, dass Sie in der kommenden Periode wiedergewählt werden“, versicherte er großspurig Hans-Gert Pöttering, dem Präsidenten des Parlaments. Pöttering braucht Strassers Hilfe gar nicht: Er tritt im Juni ab – und zur Wiederwahl nicht an. Solche Widersprüche zwischen großem Machtstreben und kleinem Gestaltungsspielraum wird Strasser, Spitzenkandidat der ÖVP für die Europawahl, noch viele erleben. „Ich muss um einiges geduldiger werden“, gibt er selbst zu. Der Part als einer von 736 EU-Abgeordneten ist ihm nicht auf den Leib geschrieben. Bisher hatte er immer politische Exekutivfunktionen – Landesgeschäftsführer der ÖVP Niederösterreich, ORF-Kurator, Innenminister –, in denen er als Macher gefürchtet war. Man kann das „überdurchschnittliche Umsetzungsqualitäten“ nennen, wie es der ehemalige blaue Justizminister Dieter Böhmdorfer tut. Oder „Alpha-Kämpfer“ wie Andreas Khol. Oder einfach – brutal.

Sein Machthebel ist die Strategie bis ins Detail. Vor wichtigen Auftritten, etwa vor dem ersten EU-Innenministerrat, studierte er selbst Pläne des Sitzungssaales. Ein Termin ohne strategischen Wert ist für den Mann, der demonstrativ das Clausewitz-Buch „Vom Kriege“ im Ministerbüro platzierte, Zeitverschwendung. Jovial ist am knapp 53-Jährigen nur der Name, „Strasser Ernst“ nennt er sich gern. Ein Essen im Wiener Nobelrestaurant „Meinl am Graben“ konnte nur fünf Minuten dauern, weil Strasser aufsteht und geht, wenn sein Gegenüber seiner Ansicht nach Unsinn redet.

„Ich war ein Häferl“, sagt er über sich selbst. Wutausbrüche über die angebliche falsche Kameraeinstellung – was sonst soll schuld sein, wenn Strasser in einem Interview schlecht aussieht? Das ist am ORF-Küniglberg in Erinnerung geblieben. Die Steigerungsform sind verkappte Drohungen an ORF-Mitarbeiter à la „Machen Sie sich nicht unglücklich“ wegen eines geplanten unbotmäßigen Berichts. Nicht umsonst nannte der ehemalige SPÖ-Geschäftsführer Andreas Rudas, selbst kein Mann des Samthandschuhs, Strasser „den größten Intervenierer aller Zeiten“. BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz, der Strasser in der schwarz-blauen Koalition erlebte, urteilt: „Strasser ist ein gefährlicher Typ, der jeden Schritt in seinem Leben aus Eigennutz macht.“

Solotänzer. Ein Teamspieler war Strasser nie. Im Ministerrat saß er stets links hinten, klappte seinen Laptop auf, bevor ihn jemand ansprechen konnte, und begann zu tippen. Manche dieser Mails sind mittlerweile öffentlich (profil 10/08) und tragen den Betreff „Intervention“. Bis zum kleinsten Postenkommandanten bestimmte der Innenminister über Karrieren – mit Daumen runter „wie bringen wir den an?“ (über einen roten Beamten) oder Daumen rauf „schaust du um den mann?“ (über einen Parteifreund). Sollte ein Kabinettsmitglied irrtümlicherweise einen SPÖ-Parteigänger empfehlen, rügte Strasser: „X. ist spö-bundesrat. Also darf ich dich bitten, etwas genauer zu recherchieren.“ Peter Westenthaler, damals FPÖ-Klubchef, fasst Strassers Bilanz so zusammen: „Er hat das Innenministerium für sich instrumentalisiert.“

Am meisten stört Westenthaler aber, dass Strasser die Rolle des Law-and-Order-Politikers nur gespielt habe. Das bestreitet Strasser gar nicht (siehe Zitate). Er hatte, sagt er, in der Koalition eben eine gewisse Funktion. Allerdings nicht die, die er gern gehabt hätte: Als ihm Kanzler Wolfgang Schüssel die Koalitionskoordination wegnahm und ihn nicht als EU-Kommissar aufstellte, warf Strasser alles hin. „Wenn etwas nicht nach Plan läuft, kann er einen Grant haben“, sagt Johannes Rauch, früher Kabinettsmitglied, heute ÖVP-Landesgeschäftsführer in Tirol, über seinen Ex-Chef, den er bis heute als „wahnsinnig strukturierten Menschen“ verehrt.
Es ist aber vor allem sein Firmennetzwerk, das Strasser im Wahlkampf Probleme bereiten könnte. Von welchen Unternehmen er sich trennen will, kann er noch nicht sagen. Fix ist nur: „Aus allen Beteiligungen werde ich mich in Aufsichtsratsfunktionen zurückziehen.“ Keineswegs wolle er „materiell von der Politik abhängig sein“.

Strassers Netz an Beteiligungen ist ­beachtlich. Da wäre einmal die cce-consulting, deren Alleingeschäftsführer Strasser seit 2006 ist. Die auf Beratung und Coaching spezialisierte Gesellschaft weist für die
ersten zwei Jahre einen Bilanzgewinn von rund 380.000 Euro aus. Über diese Beratungsagentur ist Strasser an vier weiteren Unternehmen beteiligt, unter anderem zu 49 Prozent an der ZSA Strategy Consulting. Diese wird seit 20. Februar vom früheren Liberalen-Obmann Alexander Zach geführt. Mitgesellschafter ist die AZH-BeteiligungsGmbH, die von einem gewissen Aczel Zoltan geführt wird. Zach und Zoltan leiteten früher die Agentur Eurocontact, die im Natio­nalratswahlkampf 2008 unter Verdacht geriet, in Ungarn Schmiergeldzahlungen für den Baukonzern Strabag getätigt zu haben. Die Affäre kostete Zach den Parteivorsitz. Seit Jänner ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Zach und Strabag-Boss Hans Peter Haselsteiner.

Mit Haselsteiner hat Strasser auch anderweitig zu tun: Er ist wie Haselsteiner im Aufsichtsrat der RAIL Holding mit Sitz in Wiener Neustadt. Erste Tochter der Holding ist die Westbahn GmbH, die ab 2011 eine privat geführte Zugverbindung zwischen Wien und Salzburg anbieten will.

Firmengeflecht. Von 2005 bis 2008 war Strasser beim Wiener Investmenthaus ­Vienna Capital Partners (VCP) zugange. Er war Geschäftsführer und über die cce Minderheitsgesellschafter an VCP-Tochterfirmen. Die VCP, die rege Geschäftstätigkeiten in Zentral- und Osteuropa entwickelte, war 2007 Auslöser für schwere Verstimmungen zwischen der österreichischen OMV und dem ungarischen Ölkonzern MOL. Damals stockte die an der MOL beteiligte OMV ihren Anteil auf 18,6 Prozent auf. Einen signifikanten Teil, über sechs Prozent, hatte die VCP erworben und an die OMV weitergereicht. Die Aktien kamen angeblich von einem russischen Oligarchen, und Insider behaupten bis heute, Strasser habe diesen Deal eingefädelt. Er selbst sagt: „Das war ohne mein Zutun. Ich habe davon erst erfahren, als alles über die Bühne war.“ Am Ende vereitelten die harschen Auflagen der EU-Kommission die Übernahme der MOL durch die OMV.

Seine Erfahrungen als Innenminister brachte Strasser anders ein: Er sitzt als Aufsichtsrat in der G4S Security Services AG, dem privaten Sicherheitsunternehmen Group4 und ist Gesellschafter in der CIN Consult. Die Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens besteht im Wesentlichen aus der Beschaffung und Verwertung von Informationen über Personen und Unternehmen. Seine Kontakte als Präsident der russisch-österreichischen Gesellschaft wusste Strasser auch beruflich zu nutzen. Der Glücksspielkonzern Casinos Austria/Lotterien erhielt eine Lotto-Lizenz für eine russische Teilrepublik. Ab Sommer dieses Jahres darf somit in Baschkortostan „6 aus 40“ gespielt werden. Eingefädelt hat den Deal Strasser.

Besonders delikat ist freilich, dass Strasser erst kürzlich eine Beteiligung mit der Tiroler Werbeagentur hofherr.communications einging – und diese nun die persönliche Betreuung Strassers im Wahlkampf übernimmt. Josef Pröll ging freilich auch aus einem anderen Grund ein Risiko mit Strassers Nominierung ein: Im Februar 2003 kippte Innenminister Strasser einen Millionenvertrag, der für den Aufbau des behördeninternen Funknetzes Adonis vergeben worden war. Das verärgerte einige ÖVP-Granden schwer. Zum Zug kam schließlich ein Konsortium, hinter dem der Lobbyist Alfred Mensdorff-Pouilly stand – und eine Reihe ehemaliger Kabinettsmitarbeiter von Strasser, die an Mensdorffs Jagdgesellschaften teilgenommen haben. Inklusive Minister. Mensdorff steht im Zentrum gerichtlicher Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche.

Der Grüne Peter Pilz widmet sich Strasser täglich auf seiner Homepage und urteilt: „Wer die Kriminalpolizei ruiniert hat und jetzt mit seltsamen Geschäften glänzt, sollte nicht nach Brüssel exportiert werden.“ Strasser stellt sich, wie er sagt, „darauf ein, dass jetzt all diese Geschichten aufgewärmt werden“. Zusatz: „Aber für Europa nehme ich das auf mich.“