EU-Wahl: Absolut Resetarits

Karin Resetarits ist Zweite auf Martins Kandidatenliste

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Nein“, sagt Karin Resetarits, 43, mit einem tiefen, treuherzigen Blick aus großen, braunen Augen: „Wenn das eine Art Matura sein soll, dann will ich auch Zeit haben, mich vorzubereiten. Wie bei einer richtigen Matura. Ich bin bereit, mein Europawissen testen zu lassen. Aber Sie müssen mir eine Chance geben. Rufen Sie mich an. In einer Woche.“

Der Ton, mit dem Resetarits die letzten beiden Halbsätze unterlegt hat, lässt keinen Zweifel: Eine Fortführung der Debatte ist zwecklos. Der Journalist faltet seinen Spickzettel mit den drei kurzen Fragen zu Europa zusammen, während sich auf Resetarits’ Gesicht kurz ein schelmischer Gedanke abzeichnet: „Sie glauben wohl, ich bin blöd. Täuschen Sie sich nicht.“

Beim Europarecht und der Mandatsverteilung im EU-Parlament mag Resetarits noch Lücken haben. Aber mit ihrem Engagement für die Politik ist es ihr ernst. Das ist die Botschaft.

Abschätzige Kommentare. Vergangenen Freitag stellte sich die frühere „ZiB“-Moderatorin, die vor einem Jahr zum Privatradioverbund Krone Hit wechselte, als Wahlkämpferin den Medien. Zwei Tage zuvor hatte der ORF enthüllt, Resetarits sei die Nummer zwei auf der Liste des fraktionslosen EU-Parlamentariers Hans-Peter Martin. Nun sitzt sie unter einem großen, gelben Plakat – „EU-Brüssel aufräumen – der Demokratie helfen“ – und pariert die abschätzigen Kommentare, die die Nachricht von ihrem Wechsel in die Politik nach sich gezogen hatte.

Sie sei keine „virtuelle politische Kunstfigur“ (wie der grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber gelästert hatte), und sie habe „mehr drauf“ als „Schillern und Flimmern“ (wie ihr der SPÖ-Spitzenkandidat Hannes Swoboda unterstellt hatte). Und: Als EU-Parlamentarierin werde sie das tun, was sie schon als Klassensprecherin und später als Vertreterin der freien Mitarbeiter im ORF getan habe: „Den Mund aufmachen, alles kritisch hinterfragen, nicht nach unten treten, sondern nach oben.“
Hans-Peter Martin, mit dem sie vor Jahren im „Treffpunkt Kultur“-Studio über die Buchpreisbindung diskutiert hatte, war nicht der Erste, der Resetarits in die Politik locken wollte. Doch er war der Erste, der ohne Parteiapparat im Hintergrund agiert, der Erste, der „nur eine Liste“ sein wollte, „wo jeder das einbringt, was er kann“. Dass Hans Dichand, Krone-Hit-Radio-Miteigentümer, als leidenschaftlicher Wahlkampfhelfer Hans-Peter Martins gilt, habe bei ihrem Seitenwechsel keine Rolle gespielt, beteuert Resetarits.

Für ihre Weggefährten passt das ins Bild. Gern erzählen ORF-Kollegen, wie Resetarits seinerzeit mit ORF-General Gerhard Zeiler zusammenkrachte. Zeiler hatte der freien Mitarbeiterin Nebenjobs in der Werbung verboten. Resetarits sah ein, dass gut bezahlte, angestellte Redakteure nicht nebenbei Geld verdienen dürfen. Dass dies auch für Freie galt, ging ihr jedoch gegen den Strich. Resetarits drohte mit Kündigung, ohne einen anderen Job in Aussicht zu haben – und verbesserte es sich deutlich. Statt sie wütend von dannen ziehen zu lassen, hielt Zeiler sie mit einem Dienstvertrag im Unternehmen.

Neuanfang. So hoch dürfte der Einsatz diesmal nicht sein. Resetarits ist bis zur EU-Wahl Mitte Juni als Radiomoderatorin beurlaubt. „Danach“, sagt sie, „sehen wir weiter.“ Den Ausflug in die Politik würde sie so oder so nicht bereuen. Sollte sie den Einzug ins EU-Parlament nicht schaffen – „dann bleibt es bei fünf Wochen Wahlkampf. Na und? Die bringen mich sicher auch weiter.“

Die Scheidung von „Am Schauplatz“-Macher Peter Resetarits habe eine Schleuse geöffnet, sagt sie. Damals, mit 40, habe sie gemerkt, „ich kann völlig neu anfangen“. Ihr Format „Absolut Resetarits“ floppte. Resetarits ging für drei Monate nach New York, kam zurück, präsentierte die Kultur-Nachrichten für die „Zeit im Bild“ und langweilte sich zusehends. Als alle Konzepte, die sie in der ORF-Entwicklungsabteilung abgeliefert hatte, in einer Schublade verschwunden waren, kündigte sie ihre Lebensstellung.

Vergangenen Freitag stand Resetarits – in einem perfekt auf die Haare abgestimmten Cord-Jacket – im Lichtkegel von Fernsehkameras. Wieder einmal. Und anders als ihre beiden medienunerfahrenen Mitstreiter auf der HPM-Liste, die Mondseer Unternehmerin Brigitte Brandstötter und der ehemalige Chef des Berufsförderungsinstituts (BFI) in Vorarlberg, Kurt Köpruner, schien sie den Rummel ziemlich zu genießen.

Die Antworten, die die vierfache Mutter den Journalisten gibt, klingen erdig, pragmatisch und politisch ein wenig unbedarft. „Sie ist von den Quereinsteigern, die vom ORF in die Politik wechselten, fachlich am wenigsten darauf vorbereitet“, räumt SPÖ-Abgeordneter Josef Broukal ein. Ansonsten fällt ihm zu seiner politischen Konkurrentin nur Schmeichelweiches ein: „Sie ist eine liebe Freundin, und zwar seit Jahrzehnten – und das ist auch schon das Unhöflichste, das ich mir entreißen lasse.“