EU-Wahl: Rechts- parteien im Vormarsch

EU-Wahl: Rechtsparteien im Vormarsch: SPÖ und ÖVP ringen noch um ihre EU-Linie

SPÖ und ÖVP ringen noch um ihre EU-Linie

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Von Otmar Lahodynsky
und Martina Lettner

Zwei Tiefkühlhühner, einmal verpackt und mit diversen Gütesiegeln beklebt und einmal nackt, sollen für die Teilnahme an den Europawahlen werben. „Verbraucher schützen, aber wie?“, steht auf dem blauen Plakat. Auf Musiksendern wie MTV werden jüngere Wähler indes durch eigene Spots umworben. „Can you hear me?“, rufen Jugendliche auf dem Eiffelturm. Antworten bekommen sie keine.

Erstmals werden EU-Bürger mit einer einheitlichen Kampagne um 17 Millionen Euro auf die Wahlen zum Europäischen Parlament am 7. Juni aufmerksam gemacht. Doch die Kampagne der deutschen Agentur Scholz & Friends lässt die EU-Bürger eher ratlos zurück, weil Angaben über Sinn und Zweck des Europaparlaments weitgehend fehlen. Dass dort soeben eine Verbilligung der Handygebühren und des „Daten­roamings“ oder höhere Mautgebühren für Lkws beschlossen und nun auch strengere Regeln für Finanzmärkte ausgearbeitet wurden, kommt in den Werbebotschaften nicht vor. Dabei sind die Österreicher nach den Finnen die größten Skeptiker bei der Frage, ob das EU-Parlament auf seine Bürger hört: 62 Prozent glauben nicht daran.

So läuft knapp sechs Wochen vor dem Urnengang der Wahlkampf in Österreich nur zäh an. Fast scheint es, als wäre es den Parteien lieber, die Wahl fände gar nicht statt. Entsprechend lieblos gerieten die ersten Wahlplakate: „Europa wählt – Österreich entscheidet“, textet die ÖVP uninspiriert. Die SPÖ setzt – Überraschung – auf ein „sozialeres Europa“. Ihr „A-Team“ rund um den Spitzenkandidaten Hannes Swoboda hat mit den schlagkräftigen TV-Helden um Hannibal wenig gemeinsam. Die neue grüne EU-Frontfrau Ulrike Lunacek erscheint großflächig als Freiheitskämpferin im Stile eines Delacroix-Gemäldes – nicht eben aussagekräftig. Auch der parteiunabhängige EU-Kritiker Hans-Peter Martin setzt erstmals auf Plakate. Erwartbarer Slogan: „Nur er kontrolliert die Mächtigen. Für Österreich“. Für österreichweite Plakataktionen fehlt den ohnehin chancenlosen Miniparteien wie Kommunisten und Jungen Liberalen (Juli) schlicht das Geld.

Nicht nur die Werbelinie bereitet Probleme: Neben Martin verfolgen lediglich die als EU-Gegner ausgewiesenen Parteien FPÖ und BZÖ einen klaren Kurs im Wahlkampf. Die sogar zum EU-Austritt bereite FPÖ ruft mit ihrem Spitzenkandidaten Andreas Mölzer schon jetzt den „Tag der Abrechnung“ aus und reimt holprig: „Wir sind für Österreich da, statt für EU und Finanzmafia.“ Das BZÖ umwirbt Wähler als „Kontrollpartei“ mit Volksanwalt Ewald Stadler und einem Überraschungskandidaten aus dem Bankbereich – der so überraschend ist, dass ihn niemand kennt (siehe Artikel Seite 32).

Gemeinsam könnten die beiden Rechtsparteien laut aktueller profil-Umfrage etwa 23 Prozent der Stimmen erreichen. Dabei ist die traditionell hohe EU-Skepsis in Österreich wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise zuletzt um vier Prozentpunkte gesunken. Dennoch haben nur 42 Prozent der Bevölkerung Vertrauen in die EU. „Die Österreicher erwarten sich von der EU Hilfe gegen die Auswirkungen der Krise“, erklärt Richard Kühnel, Leiter des Büros der EU-Kommission in Österreich. „Viele verstehen, dass ein einzelnes Land mit Herausforderungen wie Finanzkrise, Klimaschutz oder Energiesicherheit nicht mehr allein fertig werden kann.“

Dennoch setzen diesmal praktisch alle Parteien auf einen EU-kritischen Kurs. So fordert die SPÖ ein „Neudenken der EU“ und lässt ihren Spitzenkandidaten Hannes Swoboda in persönlichen Briefen eine „Rückkehr zum politischen Projekt Europa“ fordern. „Wir haben zu wenig Regeln, um Marktexzesse zu verhindern, aber zu viele, die von den Bürgern als störende Eingriffe verstanden werden.“ Das jüngste Verbot der herkömmlichen Glühlampen zählt der SPÖ-Politiker ebenso dazu wie das von der EU-Kommission bekämpfte Verbot des Genmais-Anbaus in Österreich. „Hier wurden von der EU-Kommission falsche Prioritäten gesetzt. Man darf sich nicht wundern, dass diese politische Ausrichtung auf Skepsis und Ablehnung in der EU stößt.“

In der Volkspartei wollte ÖVP-Chef Josef Pröll solche EU-Skeptiker durch die überraschende Ernennung des früheren Innenministers Ernst Strasser zum Spitzenkandidaten umgarnen. „Ich weiß nicht, ob diese Strategie wirklich so klug ist“, erklärt der frühere EU-Kommissar Franz Fischler gegenüber profil. „Wir waren eigentlich die einzige proeuropäische Partei. Dann hat man Ernst Strasser zum Spitzenkandidaten gemacht, weil er bei den EU-Gegnern Stimmen sammeln soll. Aber diese werden wahrscheinlich gleich für Mölzer & Co stimmen und nicht für uns.“

Fischler unterstützt das neue Komitee für Othmar Karas, der auf Platz zwei der VP-Liste gereiht wurde und nun über Vorzugsstimmen Strasser von Platz eins verdrängen könnte (profil 18/09). Karas sammelt im Internet Unterstützungserklärungen mit Seitenhieben auf Ernst Strasser: „Österreichs Interessen und der Wohlstand unserer Bürger werden nicht mit starken Worten in Österreich gegen Europa verteidigt, sondern durch engagiertes Handeln für Österreich in Europa“, erklärt Karas.

Für ÖVP-Chef Josef Pröll, der Strasser als Nummer eins für die EU-Wahlen aufstellte, stellt der ohne sein Wissen formierte „Freundeskreis“ für Karas eine Provokation dar. Denn gleich alle Ex-ÖVP-Chefs – von Josef Taus über Wolfgang Schüssel bis Wilhelm Molterer – unterstützen Karas. Dazu kommen noch zahlreiche Abgeordnete, Funktionäre sowie die frühere Außenministerin Ursula Plassnik. Auch in der größten Fraktion im Europaparlament, der Europäischen Volkspartei (EVP), will man keinesfalls für Strasser den Teppich ausrollen. EVP-Fraktionschef Joseph Daul stellte klar, dass nach den Wahlen nur ein Österreicher erneut ins Präsidium aufrücken könne: Othmar Karas.

Verzweifelt versuchte ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger, das Komitee für Karas als gefinkelte Doppelstrategie zu verkaufen. So würden „alle an einem Strang“ ziehen. „Das Gegenteil ist wahr“, meint ein ÖVP-Grande.
Auch die Grünen ringen vor dem Urnengang um ihre Linie. Seit ihr „Europa-Urgestein“ Johannes Voggenhuber im Jänner zuerst vom Spitzenplatz und dann ganz aus der grünen Liste verdrängt wurde, ist die Marschrichtung unklar: Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek kam gleich bei ihrer Antrittsrede vom bedingungslosen Pro-EU-Kurs ihres Vorgängers ab, der damit 2004 immerhin 13 Prozent der Stimmen sichern konnte. Lunacek und ihr Team versuchen mittlerweile zurückzurudern, allerdings ohne auf Kritik an der EU zu verzichten. „Die Krise können wir nur gemeinsam, in der EU, meistern. Aber was wäre ich für eine Politikerin, wenn ich nichts zu beanstanden hätte?“, erklärt Lunacek – ein schwieriger Spagat, der die Grünen laut profil-Umfrage auf nur mehr neun Prozent der Stimmen sinken lässt.

Der grüne EU-Abgeordnete Voggenhuber kritisiert, dass die Bedeutung des Europaparlaments in Österreich zu wenig bekannt sei. „Wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt, entscheiden wir auch in den Bereichen Inneres, Justiz und in der Landwirtschaft mit.“ EU-Abgeordnete seien obendrein weit widerspenstiger als ihre Kollegen im Hohen Haus in Wien. Voggenhuber: „Im Nationalrat gehen 85 Prozent der Regierungsvor­lagen ohne Änderung durch. Bei uns werden 85 Prozent der Gesetzesvorschläge abgeändert oder ganz abgelehnt.“