Eurofighter-Affäre: Mitten im Gutachten

Neue Indizien machen Ausstieg wahrscheinlicher

Drucken

Schriftgröße

Gutachten-Präsentation Numero 1, Donnerstagmittag im Verteidigungsministerium in der Roßauer Kaserne: Der kleine Pressesaal ist gesteckt voll, Norbert Darabos hochnervös und im Erklärungsnotstand. Der Minister verspricht sich mehrmals, als er wortreich darlegt, warum er entgegen seinen Versprechungen nichts zum Gutachten des Wiener Universitätsprofessors Helmut Koziol über den potenziellen Ausstieg aus dem Eurofighter-Deal sagen will.

Gutachen-Präsentation Numero 2, Freitagvormittag im Wiener Hotel Sacher hinter der Oper: Der Chef der Eurofighter GmbH, Aloysius Rauen, hat seinen Humor nicht verloren. Er hoffe, sagt der Bayer, die Pressekonferenz im noblen Sacher koste weniger als 96.000 Euro. So viel hatte bekanntlich das Ehepaar Rumpold für eine Präsentation verrechnet. Die Botschaft Rauens und seiner beiden Gutachter, der Linzer Zivilrechtsprofessoren Martin Karollus und Meinhard Lukas, ist juristisch bündig: Die Verhaltensregeln im Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Eurofighter GmbH seien nicht verletzt, „unkorrektes Verhalten“ nicht gesetzt worden.

Drama. Die Schauplätze im Eurofighter-Drama wechselten vergangene Woche ständig: vom Heeresressort ins Parlament, vom Finanzministerium in den Ministerratssitzungssaal im Kanzleramt, von den Parteizentralen in den EADS-Konzern. Nur das Spiel blieb immer dasselbe: Poker auf höchster Ebene. Keiner will seine Karten zeigen, jeder blufft, versucht Druck auszuüben – und den Spieltisch als Sieger zu verlassen. Die SPÖ gambelt, um Asse für einen Ausstieg in die Hand zu bekommen. Die ÖVP würde am liebsten „Game over“ erklären. Ginge es nach der kleineren Regierungspartei, soll der ohnehin ungeliebte Untersuchungsausschuss seine Wühlarbeit beenden und das Thema Eurofighter endlich vom Tisch kommen.

Der auf ÖVP-Initiative im Untersuchungsausschuss beschlossene Antrag, das Koziol-Gutachten anzufordern, wurde von Minister Darabos abgeblockt. Das rot-schwarze Misstrauen ist groß: Da die SPÖ den Verdacht hegt, die ÖVP arbeite parallel zu ihr gegen einen Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag, hält sie das Papier unter Verschluss. Die topgeheime Expertise liest sich freilich weniger wie eine Bewertung, sondern eher wie ein Drehbuch für die weiteren Schritte. In dem 30 Seiten dicken Zwischenbericht wird penibel und ausführlich aufgelistet, welche Belege noch notwendig sind, um einen Ausstieg aus dem Jetvertrag zu garantieren. Die bereits vorliegenden Indizien – die Zahlung von 87.600 Euro des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger an ein Unternehmen der Gattin des früheren Luftwaffenchefs Erich Wolf – wiegen zwar schwer, allerdings fehle der eindeutige Konnex zum Vertragspartner Eurofighter GmbH.

Die Gutachter der Eurofighter GmbH setzen ebenfalls an diesem Punkt an. Ihre Argumentation: Das Unternehmen hafte nur für Tochter-, nicht für Mutterfirmen. Auch Eurofighter-Boss Rauen verkündete kategorisch: „Herr Steininger stand in keinem Vertragsverhältnis zu unserem Unternehmen.“ Seinen Vertrag hatte der Lobbyist tatsächlich mit EADS, die gemeinsam mit der britischen BAE Systems und der italienischen Alenia die Anteile an der Eurofighter GmbH hält, abgeschlossen.

Doch zwei Papiere, in die profil Einsicht nehmen konnte, lassen den Schluss zu, dass Steininger sehr wohl für die Eurofighter GmbH tätig war.

• Das eine Papier, datiert mit 23.3.2002, ist eine von Steininger unterschriebene Übernahmebestätigung für die Leistungsbestimmungen des Verteidigungsministeriums. Darunter ist zu lesen: „Für Eurofighter der Übernehmer Dir. Steininger“.

• Das zweite ist ein Schreiben der Eurofighter GmbH an das Verteidigungsministerium vom 27. März 2002 und betrifft die „Angebotseinholung Abfangjäger“. Darin steht zu lesen: „Wir erteilen hiermit den Herren Eberhard (sic!) Steininger und Fred Plattner die Vollmacht, die Dokumente für die erweiterte Angebotseinholung in unserem Namen in Empfang zu nehmen. Mit vorzüglicher Hochachtung Eurofighter Jagdflugzeug GmbH.“

Steininger hatte also eine von der Eurofighter GmbH erteilte Vollmacht, für das Unternehmen in Österreich tätig zu sein. Und nicht nur das: Er saß auch zumindest einmal im Verhandlungsteam des Eurofighter-Chefverhandlers Reinhold Faltlhauser.

Die Chancen eines Ausstiegs aus dem Vertrag sind damit gestiegen. Der Zivilrechtsexperte Josef Aicher, der im Auftrag des Verteidigungsministeriums die Verhaltensregeln des Vertrags mitverfasste, vertrat im U-Ausschuss die Ansicht, dass es bei möglichen Schmiergeldzahlungen egal sei, „ob das Verhalten von EADS oder der Eurofighter GmbH gesetzt wird“.

Schwärzungen. Für den U-Ausschuss ist schwer nachvollziebar, an wen Steininger Geld verteilt hat. Die dem Ausschuss übermittelten Steuerakten des Lobbyisten wurden großteils eingeschwärzt. Doch einiges weist darauf hin, dass sich unter den Schwärzungen des Finanzministeriums weitere Geldflüsse in Zusammenhang mit den Abfangjägern verbergen. Aus den sichtbaren Zahlen lässt sich nämlich Folgendes ablesen: Steininger hat rund 7,013 Millionen Euro weitergeleitet, von EADS aber nur 7,005 Millionen bekommen. Damit hätte er ein Defizit gemacht. Nun hat das Ministerium vier weitere Zahlungseingänge in der Buchhaltung über insgesamt 2,4 Millionen Euro ausgeschwärzt. Die Beamten mögen der Meinung gewesen sein, das Geld stamme von unbeteiligten Dritten. Die Mitglieder des U-Ausschusses gehen aber davon aus, dass zumindest Teile der Einnahmen von EADS, wenn nicht gar von der Eurofighter-Gesellschaft kommen.

Am 10. Mai soll Steininger, der sich derzeit noch in Thailand aufhält, vor dem U-Ausschuss dazu aussagen, ebenso sein Partner Alfred Plattner. Der 47-Jährige erhielt von Steininger Aufträge für rund 220.000 Euro und saß gemeinsam mit ihm ebenfalls bei den Vertragsverhandlungen mit dem Verteidigungsministerium. Laut Steiningers Anwalt Andreas Nödl sei Plattner aber nicht mehr als ein Laufbursche gewesen – jemand, der eine Limousine organisierte, wenn Eurofighter-Chef Aloysius Rauen mal in der Stadt war, oder Behördenwege betreffend Aufstellgenehmigungen von Jet-Attrappen bei Präsentationen einholte. Plattner befindet sich derzeit ebenfalls im Ausland.

Scharmützel. Die Ergebnisse des Ausschusses und der Streit um die Gutachten belasten die Koalition schwer. Am Mittwoch im Ministerrat erreichten die Scharmützel einen Höhepunkt. In einer selten unharmonischen Sitzung kollidierten die Ansichten von SPÖ und ÖVP zu gleich mehreren Eurofighter-Punkten. Die ÖVP, die schon ein Ende der Untersuchungsausschüsse per Anfang 2007 angestrebt hatte, drängte auf ein rasches Aus für den Ausschuss. Ende Mai, so schließlich die Übereinkunft, soll die Arbeit beendet sein. Hitzig umstritten war auch die Frage, ob Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer dem Ausschuss Rede und Antwort stehen soll, weil der Steuerakt des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger mehr Schwärzungen als Informationen enthielt. Er muss am 7. Mai antreten, ebenso wie Verteidigungsminister Norbert Darabos, der sich im Ministerrat ein ebenso kurzes wie grimmiges Wortgefecht mit Molterer lieferte: Molterer wollte wissen, was denn das Koziol-Gutachten enthalte. Darabos verweigerte mit der Begründung, dass es kein Gutachten, sondern nur einen Zwischenbericht gebe. Und er über Zwischenergebnisse nichts sage. Mehr als diese Nicht-Antworten konnte Molterer dem Koalitionspartner auch auf Nachfragen nicht entlocken. „Unmöglich“, grollte ein ÖVP-Minister noch Stunden danach über die Auskunftsverweigerung.

Der Ausschuss macht der ÖVP offenbar zu schaffen. „Letztlich ist es eine Untersuchung der politischen Verantwortung. Dass der Beschaffungsvorgang nicht sauber war, ist mittlerweile unbestreitbar“, sagt der Fraktionsführer der SPÖ im Untersuchungsausschuss, Günther Kräuter. Jörg Haider wiederum, seinerzeit immerhin Regierungspartner in einer schwarz-blauen Koalition, mutmaßt kryptisch, ob es „Geldflüsse von Eurofighter oder EADS in Richtung ÖVP gegeben“ habe.

Der für die Beschaffung hauptverantwortliche Politiker, Exbundeskanzler Wolfgang Schüssel, forderte seinerseits „rückhaltlose Aufklärung“ der Vorgänge. An seiner Entscheidung hält der heutige ÖVP-Klubobmann fest. Österreich habe mit der Eurofighter GmbH einen „sehr guten Vertrag“ abgeschlossen.

Die Bestemmhaltung der kleineren Regierungspartei pro Eurofighter ist jedenfalls wenig imagefördernd. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifes von Anfang April lehnen 69 Prozent der Österreicher die Eurofighter ab. 80 Prozent gehen davon aus, dass es beim Ankauf „nicht mit rechten Dingen zugegangen ist“.

Sogar unter den ÖVP-Anhängern glaubt nur ein knappes Drittel, der Beschaffungsvorgang sei korrekt abgelaufen.

Von Gernot Bauer, Eva Linsinger und Ulla Schmid