Eurofighter-Affäre: Schwärzarbeiter

Zahlungen an eine frühere FPÖ-Mitarbeiterin

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Die derzeit heißesten Akten des Landes liegen in einem Panzerschrank im Lokal VIII des Parlaments am Dr.-Karl-Renner-Ring 3 in 1017 Wien. Der Raum ist Sperrgebiet, selbst befugte Abgeordnete des Eurofighter-Untersuchungsausschusses müssen bei Bedarf einen Parlamentsbeamten bitten, das Lokal aufzuschließen. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und der Vorsitzende des U-Ausschusses, Grün-Mandatar Peter Pilz, hatten die verschärfte Sicherheitsstufe angeordnet. Donnerstag vergangener Woche um acht Uhr Früh versammelte Pilz die Fraktionsführer des Ausschusses vor dem Tresor. In der folgenden Stunde spielte sich ein Mix aus ernsthafter Kontrolltätigkeit, parteipolitischer Komödie und lustigem Ratequiz ab. Auf einem Tisch vor den Abgeordneten lag der vom Ausschuss angeforderte Steuerakt von Alfred Plattner, 47, Chef der P&P Consulting GmbH, Auftragnehmer und Kompagnon des umstrittenen EADS-Lobbyisten Erhard Steininger.

Buchhaltung und Zahlungsverkehr-Dokumentationen von Steininger und Plattner sind dieser Tage die Lieblingslektüre von Peter Pilz & Co. Doch die Abgeordneten fühlten sich um wesentliche Kapitel des Eurofighter-Krimis geprellt. Denn die Unterlagen Plattners wurden dem U-Ausschuss vom Finanzministerium großteils eingeschwärzt oder erst gar nicht übermittelt. Nur zehn von 300 Seiten des Steuerakts gingen ans Parlament.

Totalzensur – wie Peter Pilz behauptet? Oder Wahrung von Steuergeheimnis und Datenschutz – wie Finanzminister Wilhelm Molterer argumentiert?

Mit den dieswöchigen Sitzungen des U-Ausschusses Montag und Donnerstag erreicht die Aufarbeitung der Jet-Affäre ihren Höhepunkt. Geladen sind Minister, Lobbyisten und Spitzenvertreter des Eurofighter-Managements. Und erstmals erfasst die öffentliche Erregung direkt das Regierungsbündnis: Finanzminister und Vizekanzler Molterer geht auf direkte Konfrontationslinie mit dem U-Ausschuss und riskiert dabei sogar den Fortbestand der jungen großen Koalition.

Brisanter Akt. Erhard Steininger wird sich vor dem Ausschuss aufs Neue wenig auskunftsfreudig zeigen. Sein Partner Plattner kann allerdings nicht zur Gänze auf die Abdeckungen setzen: Ein Teil der geschwärzten Unterlagen in seinem Steuerakt blieb – gegen Licht gehalten und nach intensiver Entschlüsselung – lesbar. Und auch die nicht übermalten Passagen werfen dramatische Fragen auf.

Laut profil vorliegenden Informationen finden sich in Plattners Steuerakt zwei Honorarnoten der PR-Beraterin Romana Maria Schmidt. Diese stellte mit Datum 8. Dezember 2002 jeweils 20.000 Euro inklusive Umsatzsteuer in Rechnung. Die Auszahlungen sind auf Plattners Bankaufstellung mit 19. Dezember und 31. Dezember verbucht. Die mit insgesamt 40.000 Euro dotierte Dienstleistung für Plattner erbrachte Romana Schmidt in den Monaten November und Dezember 2002. Ihr in der Honorarnote beschriebenes Aufgabenprofil liest sich reichlich skurril: „Meinungsbildung und Argumentationstransport betreffend des Consulting-Auftrages (sic!) für eine Stimmungsverbesserung im Zuge des Ankaufs der Eurofighter“.

Unter jenen Blauen, die heute im BZÖ und orange sind, ist Schmidt eine alte Bekannte. Die Oberösterreicherin, Jahrgang 1971, war parlamentarische Mitarbeiterin von Jörg Haider, als dieser zwischen 1992 und 1999 Klubobmann der FPÖ im Wiener Parlament war. Haiders Schwester Ursula Haubner hatte den Kontakt hergestellt. Als Haider 1999 Landeshauptmann in Kärnten wurde, diente sie unter dessen Nachfolger Herbert Scheibner. Nach der schwarz-blauen Wende im Februar 2000 arbeitete Schmidt als Pressesprecherin der Kurzzeit-Sozialministerin Elisabeth Sickl. Danach war sie bis Mai 2001 im Büro von Verkehrsministerin Monika Forstinger tätig. Nach ihrem Ausscheiden aus der Politik machte sich Schmidt selbstständig und gründete die „PR und mehr“-Agentur – Motto: „Kommunikation à la carte“.

Geschäftsmodell und Angebotspalette der PR und mehr erinnern an die Agentur 100% Communications von Erika Rumpold, die über Steininger von EADS einen 6,6-Millionen-Euro-Etat zur Vermarktung des Eurofighter erhalten hatte: „Exklusivgespräche mit Journalisten“, „Kommunikationsberatung“, „Medienbeobachtung“, „Medienresonanzanalyse“, „Lobbymanagement“, „Road-Shows“. In ihrem Werbefolder führt Schmidt als Referenzen neben diversen Unternehmen immerhin auch die italienische Autobahngesellschaft Autostrade, ihre früheren Arbeitgeber Sozial- und Verkehrsministerium sowie die Kapsch TrafficCom an, bei der ihr Lebensgefährte Josef Eltantawi beschäftigt ist. Das Unternehmen lieferte die Technologie für das österreichische Lkw-Mautsystem. Eltantawi hat ebenfalls eine blaue Vergangenheit. Er war Nachfolger von Herbert Scheibner als Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend. Er arbeitete ebenfalls im FPÖ-Parlamentsklub und in der von Scheibner geleiteten Freiheitlichen Akademie. Eltantawi galt als Vertrauensmann des früheren Verteidigungsministers. Bei den Nationalratswahlen im November 2002 kandidierte er auf Platz 16 der FPÖ-Landesliste Steiermark. Romana Schmidt erklärt gegenüber profil, Alfred Plattner über einen ihrer Kunden und nicht über ihre politischen Verbindungen kennen gelernt zu haben. Ihr Auftrag sei es gewesen, „Zielgruppenanalysen“ in Zusammenhang mit dem Eurofighter-Projekt durchzuführen. Die Höhe ihrer Gage wäre durch die Beiziehung von Mitarbeitern erklärbar. Sie habe nichts zu verbergen. Schmidt: „Ich habe den Auftrag lange nach meiner Tätigkeit in der Politik erhalten. Außerdem kann es kein Berufsverbot für ehemalige Parlamentsmitarbeiter geben.“

Fall Lukasek. Der 40.000-Euro-Auftrag für Schmidt erinnert frappant an den Fall Kurt Lukasek. Der frühere FPÖ-Kommunikationschef und enge Mitarbeiter des heutigen BZÖ-Obmanns Peter Westenthaler profitierte ebenfalls vom Eurofighter-Deal. Er erhielt von Erhard Steininger im Jahr 2003 28.500 Euro. Seine Aufgaben laut eigenen Angaben: „Medienbeobachtung, Medienanalyse, Medienbetreuung“. Für Donnerstag dieser Woche ist Lukasek als Zeuge vor den U-Ausschuss geladen.

Schmidts Auftraggeber Alfred Plattner rief Ende vergangener Woche in der Parlamentsdirektion an und verkündete, aufgrund einer Dienstreise nach Singapur nicht vor dem U-Ausschuss am Donnnerstag erscheinen zu können. Als Beweis faxte er eine Buchungsbestätigung für einen Flug nach Singapur – Abflug: 9. Mai, Rückkehr: 25. Mai.

Dennoch wird sich Plattner früher oder später den scharfen Fragen der Abgeordneten zu seinem Steuerakt stellen müssen. Laut profil-Informationen stellte der Consulter am 4. Dezember 2002 dem EADS-Konzern 25.200 Euro brutto für „Beratungsleistungen“ in Rechnung. Adressat war Uwe Kamlage, Vice President Sales der EADS Military Aircraft. Im Juni und im Dezember 2002 verrechnete Plattner Erhard Steiningers Unternehmen, dem Bofors Verbindungsbüro, je 54.000 Euro für „Beratungstätigkeit Projekt Eurofighter“ – kein schlechtes Salär für die Tätigkeiten, die Plattner laut Steiningers Anwalt Andreas Nödl ausübte: Autos organisieren, Behördenwege erledigen etc. Alles in allem erhielt Plattner von Steininger 188.000 Euro (siehe Seite 18). Doch Plattner war nicht nur mit Steininger und EADS, sondern auch direkt mit dem Bundesheer in Kontakt. Dies geht aus einem zwar geschwärzten, aber doch lesbaren Teil seines Steuerakts hervor. Demnach kassierte er eine „Provision für Verkauf an ÖBH“ (Österreichisches Bundesheer, Anm.) in der Höhe von ungefähr 1500 Euro.

Dass ihnen durch die Schwärzungen in den Steuerakten der Firmen von Steininger, Plattner sowie Gernot und Erika Rumpold Informationen vorenthalten werden, empört die U-Ausschuss-Mitglieder über die Maßen. Der Abgeordnete Ewald Stadler warf Finanzminister Molterer „einen evidenten Bruch der Verfassung und der Gesetze“ vor, und SPÖ-Mandatar Günther Kräuter unterstellte dem Vizekanzler gar „politische Motive für die Aktenverweigerung“.

Welche Teile, Seiten oder bloß Zeilen der Steuerakte geschwärzt werden, unterliegt der willkürlichen Beurteilung der zuständigen Finanzämter – im Falle Alfred Plattners jenem für die Wiener Bezirke 2, 20, 21, 22. Auf Anleitungen und Vorgaben etwa in Form von Such- und Stichworten hat das zuständige Finanzministerium verzichtet. Man vertraut offenbar dem Wissensstand, den sich die verantwortlichen Finanzbeamten aus der Medienberichterstattung zur Eurofighter-Affäre selbst angeeignet haben. Die aus Sicht des U-Ausschusses unerfreuliche Nebenwirkung: Im Zweifel dürften alle Zeilen geschwärzt werden, in denen die Begriffe „Eurofighter“ oder „EADS“ nicht wörtlich aufscheinen. Nach der Schwärzarbeit werden die Steuerakte ins Finanzministerium geschickt und landen auf dem Schreibtisch des obersten Beamten des Hauses: Peter Quantschnigg, Leiter der Steuer-Sektion, unter Minister Karl-Heinz Grasser zum Generalsekretär des BMF befördert. Quantschnigg ist in Koordination mit dem Ministerbüro für die Freigabe der Akten an den Ausschuss letztverantwortlich.

Finanzminister Molterer lässt sich von den heftigen Protesten demonstrativ nicht irritieren: „Ich darf nicht mehr weitergeben, weil ich sonst das Steuergeheimnis und den Datenschutz verletzen würde.“ In der Vorwoche übte erstmals Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter – in Absprache mit Kanzler Alfred Gusenbauer – Kritik an seinem Vorgesetzten und forderte die Herausgabe der kompletten Akten. Molterers Replik: „Das Finanzministerium wird von mir geführt.“ Seinen Ladungstermin vor den Ausschuss diese Woche sagte Molterer wegen Terminkollisionen ab. Dennoch wird sich der Ausschuss mit der Problematik der geschwärzten Akten beschäftigen. Der Rechts- und Legislativdienst des Parlaments erstellt derzeit ein Rechtsgutachten. Die möglichen Konsequenzen reichen von einem Misstrauensantrag bis zur Ministeranklage, die allerdings nur durch einen Mehrheitsbeschluss im Nationalrat möglich wäre. Es wäre das Ende der Koalition.

Gutachter-Krieg. Molterer rechtfertigt die Schwärzungen mit Gutachten der Finanzprokuratur und des Verfassungsdiensts im Kanzleramt. Unumstritten ist, dass sämtliche Details aus den Steuerakten, die in Zusammenhang mit dem Eurofighter-Projekt stehen, dem U-Ausschuss zugänglich gemacht werden müssen. Doch zumindest in einem Fall haben die Einschwärzer unabsichtlich oder gezielt eine Zeile im Steuerakt Plattners – allerdings schlampig – geschwärzt, in der die Begriffe „Bofors“, „EADS“ und „Steininger“ bei genauem Hinsehen zu lesen sind. Davon konnten sich die Fraktionsführer des U-Ausschusses bei ihrem Lokalaugenschein im Parlament Donnerstag vergangener Woche selbst überzeugen. Die semidetektivische Arbeit, unter den Schwärzungen im Plattner-Steuerakt das Gedruckte zu entziffern, führte bei allen Abgeordneten zum selben Ergebnis. Bei fast allen: ÖVP-Fraktionsführerin Maria Fekter vertrat eine Minderheitsmeinung. Wo ihre Kollegen unter einer geschwärzten Stelle deutlich „EADS“ und „kaufmännische Beratung“ entzifferten, meinte Fekter anderes zu lesen: „tschechische Beratung“. Für größere Heiterkeit unter den Anwesenden war damit gesorgt.

Von Gernot Bauer