Eurofighter-Krimi: Nur fliegen ist schöner

Eurofighter: Nur fliegen ist schöner

Aus der Abfangjäger-Affäre wird ein Politthriller

Drucken

Schriftgröße

Am Ende machte Erhard P. Steininger, 69, auf Seniorenclub: „Ich will in mein Bett. Ich bin müde, schließlich bin ich ja keine 25 mehr.“ Ganz konnten es ihm die Abgeordneten des Eurofighter-Untersuchungsausschusses nicht verdenken. Acht Stunden lang war der Rüstungslobbyist Donnerstag vergangener Woche im Parlament Rede und Antwort gestanden. Dabei hatte der Klosterneuburger einen durchaus vitalen, mitunter bissigen Eindruck hinterlassen: Mal warf er Ex-FPÖ-Mandatar Ewald Stadler Zoten an den Kopf („Wann und wie Sie kommen, ist mir egal“), mal legte er sich mit dem grünen Ausschussvorsitzenden Peter Pilz an („Das ist hier wie bei der spanischen Inquisition“), und am Ende, gegen 18 Uhr, stand er einfach auf und verkündete: „Ich möchte mich für heute verabschieden.“ Sprach’s, packte seine Unterlagen und verließ mit seinem streitbaren Anwalt Andreas Nödl das Hohe Haus am Dr.-Karl-Renner-Ring. Für ein Interview mit dem ORF auf der Parlamentsrampe reichten die schwindenden Kräfte gerade noch aus.

Dann war der Tag für Erhard Steininger gelaufen. Nach eigener Aussage diente er dem EADS-Konzern – Großaktionär der Eurofighter GmbH – bloß als „Pfadfinder“. Eine charmante Selbstdegradierung des früheren Kadetten der Theresianischen Militärakademie: In Wahrheit war Steininger Aufklärungs-, Nachrichten- und Verbindungsoffizier in einer Person, zur besonderen Verwendung abgestellt und mit Zugang zu politischen und militärischen Entscheidungsträgern. Wochenlang hatte der Lobbyist die Geduld des Ausschusses strapaziert und die Ladungen ignoriert. Seine Begründung: Er verbringe die kalte Zeit stets in Thailand, der Heimat seiner Frau, Tochter eines Generals der thailändischen Armee. Steiningers Anwalt, Andreas Nödl, schießt sich auf das „parteipolitisch motivierte Tribunal“ gegen seinen Mandanten ein: „Im Ausschuss herrscht Willkür. Der Vorsitzende Pilz will nicht verstehen, dass der Ausschuss weder ein Strafgericht noch eine Zivilinstanz ist, sondern sich um politische Verantwortlichkeiten einer früheren Regierung kümmern muss. Steuergeheimnis, Amtsverschwiegenheit und Zeugenentschlagungsrechte werden einfach links liegen gelassen.“

Steiningers Auftritt war der vorläufige Höhepunkt des seit Herbst 2006 tagenden Untersuchungsgremiums. Diese Woche folgt der nächste: Auf der Zeugenliste steht Vizekanzler Wilhelm Molterer. Die Abgeordneten – allen voran Pilz und Stadler – wollen den Finanzminister wegen des Streits um geschwärzte und vorenthaltene Unterlagen ins Visier nehmen. Längst ist aus der Affäre um den Ankauf neuer Abfangjäger ein Politkrimi geworden, an dem die Koalition zerbrechen kann. Und jüngste profil-Recherchen belegen, dass der teuerste Beschaffungsvorgang in der Geschichte der Zweiten Republik das Zeug zum Agententhriller hat. Im Mittelpunkt des Geschehens: Erhard Steininger.

Bei seiner Aussage vor dem U-Ausschuss hatte der „Pensionist“ (Steininger über Steininger) für Unklarheit gesorgt. Auf eine Frage von Ewald Stadler, ob er einen Herrn namens János Szabó kenne, meinte Steininger: „Dieser Name sagt mir nichts.“ Doch einige ermüdende Stunden später schien Steininger mit der Person plötzlich doch etwas anfangen zu können: Er glaube, sich erinnern zu können, den Namen „Szabó“ auf einer Rechnung gelesen zu haben. Die Fakten: Am 2. Dezember 2003 zahlte Steininger 220.000 Euro an die Budapester Firma Hortobágy Consulting & Management Kft. Wie der EADS-Berater vor dem Ausschuss aussagte, sei ihm das Unternehmen von einem „russischen Kunstflieger“ empfohlen worden und sollte für ihn Choreografien für Airshows entwickeln.

Agentenleben. Geschäftsführer der Hortobágy ist János Szabó, Oberstleutnant im Ruhestand. Wie Erhard Steininger beruft sich der ungarische Kaufmann bei unangenehmen Fragen gerne auf seine Schweigepflichten. Doch inzwischen stellte sich heraus, dass der verschwiegene Herr Szabó im früheren Leben als Agent des kommunistischen Geheimdienstes in Ungarn tätig war. Bereits im Jahr 2003 ließ er in einem Interview mit der konservativen Wochenzeitung „Hetek“ („Sieben Tage“) durchblicken, in den sechziger Jahren vom ungarischen Miltärgeheimdienst angeworben worden zu sein.

Über seine Tätigkeit sagt Szabó nichts, weil er angeblich noch immer ans Dienstgeheimnis gebunden ist. Auch über die Umstände seiner Entlassung gibt er sich wortkarg: Die Zeit der Wende vom Kommunismus zur Demokratie sei eine „Zeit der Verwirrung“ gewesen. Und auch ein Spionagekrimi, den er 2003 unter dem Pseudonym János I. Szirtes und dem Titel „H-008. Das Spiel. Aus der Geschichte der ungarischen Militäraufklärung“ veröffentlichte, trägt nichts zur Erhellung bei. Ebenso wenig sein zweiter Roman „Der Spion des Terrors – H-008s neue Abenteuer“.

Nicht weniger geheimnisvoll ist die Geschichte der Hortobágy Consulting GmbH (HCM). Wie laut einem Bericht der ungarischen Wochenzeitung „HVG“ aus Handelsregistereintragungen hervorgeht, war das Unternehmen 1996 als Best West Hortobágy Külkereskedelmi GmbH von den österreichischen Staatsbürgern Leopold und Silvia Scholz in Budapest gegründet worden. 1997 stiegen die Gründer aus, die Gesellschaft erhielt den heutigen Namen.

Szabó wurde Geschäftsführer, als neue Eigentümer fungierten zwei auf den britischen Virgin Islands registrierte Off-Shore-Firmen, eine Eshin Ltd. sowie eine Fiscon Ltd. Zwei Jahre später übernahm die in Irland domizilierte Lirespa Holding den Anteil von Fiscon Ltd. an HCM, 2002 kam es zu einem neuerlichen Eigentümerwechsel: Das Unternehmen gelangte in den Besitz einer in der Schweiz angesiedelten Rainbow Holding und des in Österreich lebenden deutschen Staatsbürgers Frank Petmecky.

Derzeit läuft am Handelsgericht Budapest ein Antrag, die HCM mit einer ursprünglich von zwei Russen gegründeten Gesellschaft zu verschmelzen und eine im US-Bundesstaat Delaware eingetragene Inverico Llc. als Mehrheitseigentümer einzusetzen. Minderheitseigentümer Frank Petmecky soll auch den Geschäftsführerposten übernehmen, Szabó nur mehr noch als Zustellungsbevollmächtigter firmieren. Dass HCM in den vergangenen Jahren gut im Geschäft gewesen wäre, lässt sich beileibe nicht behaupten: 2002 wies die Bilanz gerade einmal einen Umsatz von umgerechnet 1,1 Millionen Euro und einen Gewinn von 98.000 Euro aus. 2003 – im Jahr, in dem die Überweisung von Steininger in der Höhe von 220.000 Euro kam – lag der Gewinn bei 245.000 Euro.

Diskrete Dienstleistungen. Eigenen Angaben zufolge ist HCM ausschließlich mit Berater-Dienstleistungen beschäftigt, hat aber keine Verbindungen zum Rüstungsgeschäft. Szabó habe, so die Firma in einer Stellungnahme an die Zeitung „HVG“, Erhard Steininger nie getroffen. Und weiter: „Unter den Eigentümern unserer Firma sind keine – und waren auch nie – politisch exponierten Personen, öffentlich Bediensteten oder Vertreter von politischen Parteien, aber auch keine österreichischen oder ungarischen Staatsbürger.“
Was wollte Steininger von HCM tatsächlich?

Das zuständige österreichische Finanzamt ging in einer Betriebsprüfung davon aus, dass Steininger die Firma für die Flugshow-Veranstaltung Airpower 2003 in Zeltweg engagiert und bezahlt hatte, was Steininger vor dem U-Ausschuss allerdings abstritt: Er hätte das Flugshow-„Package“ von Hortobágy Consulting in seiner Pension umsetzen wollen. Doch es sei eine Fehlinvestition gewesen. Details zur Show verriet er nicht, vielleicht könne er das Konzept noch anderweitig „verscherbeln“.

Bei den Abgeordneten des U-Ausschusses stießen Steiningers Angaben auf Skepsis. Der grüne Abgeordnete Werner Kogler mutmaßt, bei HCM handle es sich nicht um Kunstflugexperten, sondern um eine Gruppe von Rüstungslobbyisten, Beratern und Anbietern diverser Finanzdienstleistungen mit guten Ostkontakten.

Die Originalrechnung von HCM an Steininger liegt dem Ausschuss nicht vor – zum Zorn der roten, grünen und blauen Abgeordneten. Es ist beileibe nicht der einzige fehlende Beleg. Der Vorsitzende Peter Pilz wirft dem Finanzministerium seit Wochen vor, dem Ausschuss Unterlagen vorzuenthalten oder relevante Stellen in den Akten zu schwärzen. Aufstellungen und Berechnungen des grünen Klubs ergeben, dass für rund 3,2 Millionen Euro aus Steiningers Einnahmen- und Ausgabenrechnung keine Belege wie Fakturen oder Honorarnoten vorliegen. Neben den 220.000 Euro an HCM sind vor allem Zahlungen von Steiningers Auftraggeber EADS unbelegt: unter anderen eine Million Euro, die der Konzern am 17. März 2003 überwies.

Dass dem Ausschuss wesentliche Unterlagen vorenthalten wurden, lässt sich auch aus Steiningers Geschäftsbeziehung mit der PR-Agentur 100% Communications von Erika Rumpold schließen. Bekanntlich stellte Rumpold, Gattin des früheren FPÖ-Bundesgeschäftsführers Gernot Rumpold, Steininger für die Vermarktung des Eurofighters im Jahr 2002 insgesamt 7,8 Millionen Euro brutto in Rechnung, darunter 96.000 Euro für eine Pressekonferenz. Die Frage, ob er die Plausibilität der Rechnung überprüft hätte, wollte er vor dem Ausschuss nicht beantworten. O-Ton Steininger: „Ich kann für die Rumpolds nicht die Hand ins Feuer legen.“ Jedenfalls hätte das Paar an dem Auftrag gut verdient.

Steininger beglich alle Rechnungen und leitete sie an EADS weiter. Doch im Jahr 2002 überwies EADS Steininger bloß 5,3 Millionen Euro. Da der Lobbyist die Differenz wohl kaum aus eigener Tasche leistete, müssen Buchungen und Belege zu den Zahlungen in den geschwärzten Akten stecken. Der FPÖ-Abgeordnete Manfred Haimbuchner: „Finanzminister Molterer sollte sich endlich an die Gesetze halten und nicht Zensur üben wie zu Zeiten Metternichs.“ Und Ausschussvorsitzender Peter Pilz beschuldigt Molterer, „sich zum politischen Schutzherrn von Steininger und den Rumpolds zu machen“.

Der Finanzminister versuchte vergangene Woche, dem Ausschuss entgegenzukommen. Er bot an, eine Schiedsstelle zu installieren, die über die Einschwärzungen der Akten aus Datenschutzgründen und aufgrund des Steuergeheimnisses entscheiden solle. Der Ausschuss beharrt allerdings mehrheitlich auf seinem exklusiven Recht, über die Akteneinsicht zu bestimmen. Nun will Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gemeinsam mit Molterer eine Lösung erarbeiten.

Darabos’ Hasard. Für Prammers Parteifreund Norbert Darabos könnten die kommenden Monate karriereentscheidend sein. Vergangene Woche überraschte der Verteidigungsminister Freund und – noch mehr – Feind mit seiner Ankündigung, der erste zur Auslieferung bereite Eurofighter für das Bundesheer werde die für diese Woche geplante „Güteprüfung“ nicht bestehen. Details zu seinem Geheimwissen blieb der Minister schuldig. Allerdings deutete er an, aufgrund fehlender Lizenzen die Annahme des Eurofighters AS001 verweigern zu wollen. Freilich ist für die Lizenzen das heimische Verteidigungsministerium und nicht die Eurofighter GmbH verantwortlich. Darabos könnte zu formalen Tricks greifen und mit der mangelnden Überprüfbarkeit des Jets als Folge der fehlenden Lizenzen argumentieren.

Im Hintergrund wird trotz aller Meinungsverstimmungen zwischen dem Eurofighter-Hersteller und Darabos über Lösungsmöglichkeiten nachgedacht. Ein Ansatz: der noch nicht endverhandelte Folgeaufwand wie Infrastruktur, Pilotenausrüstung, Ausbildung, Lenkflugkörper oder Munition. Dieser macht laut Budgetplanung für 2007 rund 38 Millionen Euro aus, für das kommende Jahr 62 Millionen Euro.

Darabos’ und Kanzler Alfred Gusenbauers Wunschziel bleibt allerdings der komplette Ausstieg. Doch dem Vernehmen nach soll die vorliegende Kurzversion des in Auftrag gegebenen Gutachtens des Zivilrechtsexperten Helmut Koziol noch nicht das gewünschte Ergebnis gebracht haben. Darabos’ Hoffnung ruht weiterhin auf dem Ausschuss, der weitere Gründe für einen Ausstieg aus dem Abfangjägervertrag liefern könnte.

Die Alternativlösung des Ministers zu den 18 Eurofightern sei laut Heeresinsidern eine Luftwaffe light. So soll Darabos ministeriumsintern Vorschläge und Konzepte erbeten haben, wie die Luftraumüberwachung mit bloß zwölf Abfangjägern zu gewährleisten sei. Bei den Kommandanten der Luftstreitkräfte bereitet man sich derweilen schon auf den Fall der Fälle vor. Sollte es Darabos tatsächlich gelingen, die ersten Eurofighter schon vor ihrem Start abzufangen, muss der Ausbildungsbetrieb auf dem Testgelände der Eurofighter GmbH in Manching bei Ingolstadt beginnen. Eine Vorhut Bundesheersoldaten soll bereits kurz vor der Verlegung nach Bayern stehen.

Von Gernot Bauer, Ulla Schmid und Gregor Mayer (Budapest)
Mitarbeit: Martin Staudinger