Die Landkarte eines Glaubenskriegs

Eurokrise: Die Landkarte eines Glaubenskriegs

Eurokrise. Die Frontverläufe und Allianzen der Eurozone

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François Hollande

Frankreichs sozialistischer Präsident will den Haushalt der maroden Euroländer konsolidieren - allerdings mit völlig anderen Mitteln als seine Hauptgegnerin Angela Merkel: Hollande glaubt, dass zuerst die Wirtschaft stimuliert werden muss. Erst in weiterer Folge seien die Krisenstaaten in der Lage, ihre Schulden zu senken. Zumindest müssten Wachstumspolitik und Strukturreformen gleichzeitig vonstatten gehen. Mit der Einführung von gemeinsamen Anleihen auf EU-Ebene sollen die krisengebeutelten Länder niedrigere Zinsen bekommen und vor Spekulanten geschützt werden.

EU-Kommission und EZB

Die in den vergangenen Jahren zunehmend geschwächte Kommission plädiert seit Langem für die Einführung von Eurobonds und eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik. Die ursprünglich vom deutschen Stabilitätsdogma dominierte Europäische Zentralbank (EZB) hat sich seit Beginn der Krise gewandelt: Gegen den hinhaltenden Widerstand aus Berlin begann sie Staatsanleihen Not leidender Länder aufzukaufen. Sie stehe mit ihren unbegrenzten Mitteln zur Verfügung, wenn es darum geht, den Euro zu retten - so kürzlich EZB-Chef Mario Draghi.

"Die Märkte“

So unterschiedlich deren Interessen sein mögen - in einem Punkt sind sie sich einig: Wenn die EU wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit zeigt, wenn die europäischen Politiker glaubhaft zeigen, dass sie geschlossen hinter der gemeinsamen Währung stehen, fassen die Investoren Vertrauen. Dann gehen die Börsenkurse und der Euro nach oben. Zögerliche und halbe Schritte im EU-Krisenmanagement werden bestraft.

Werner Faymann

Vom Brief an Hans Dichand bis zu seinem Bekenntnis, ein glühender Europäer zu sein, hat der österreichische Kanzler einen weiten Weg zurückgelegt. Lange Zeit hatte Werner Faymann die Europapolitik von Angela Merkel nachvollzogen. Während der Koalitionspartner ÖVP an diesem Kurs festhält, ist Faymanns SPÖ ins Hollande-Lager gewechselt. Damit ist er im Gleichklang mit der Mehrheit der europäischen Sozialdemokraten, die eine vertiefte Integration und Solidarität mit den maroden Südländern fordern. Wirklich dezidiert sind die meisten EU-Sozis aber nicht: Vor allem dort, wo die Bevölkerung starke europaskeptische Tendenzen zeigt, sind die Sozialdemokraten vorsichtig - man will ja schließlich wiedergewählt werden.

Die Angelsachsen

Warum die Europäische Zentralbank (EZB) anders als die US-Nationalbank FED nicht die Gelddruckerpresse in Gang setzt, wenn es notwendig ist, sorgt bei der US-Regierung für Kopfschütteln: Washington drängt die Europäer, endlich einen Wachstumskurs einzuschlagen. Ein Absturz der europäischen Wirtschaft würde die amerikanische mit hinunterziehen, fürchten die USA. Ähnlich die Engländer: Sonst immer gegen die Perspektive eines politisch vereinten Europas, machen britische Politik und Medien dem Kontinent klar, ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik, ohne weitere Integration wird es nicht funktionieren. Mitgehen wollen die Briten auf dem faktisch geforderten Weg zu einem europäischen Bundesstaat freilich nicht.

Südeuropa

Im Unterschied zu ihren nördlichen Parteifreunden sind die Regierungskonservativen in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal nicht auf Merkel-Linie. Die so genannten PIGS-Staaten fühlen sich im Stich gelassen. Das radikale Sparen vertiefe nur ihre ökonomische Misere, argumentieren sie. Dann drohten Aufstände und bürgerkriegsartige Zustände. Zumindest fordern sie mehr Zeit für die Spar- und Reformvorgaben.

Paul Krugman und Jürgen Habermas

Inmitten einer Rezession zu sparen hält der Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman für ein suizidales Unterfangen. Der Kolumnist der "New York Times“ ist zum führenden Kritiker der deutschen Europapolitik geworden. Schon einmal, in den dreißiger Jahren, hätte eine ähnliche Politik zu einer Weltwirtschaftskrise geführt. In Deutschland führt der Philosoph Jürgen Habermas die intellektuelle Opposition zum Merkel-Kurs an. Um die Krise zu meistern, gelte es einen großen Integrationsschub zu vollziehen. Das Eliteprojekt EU müsse dabei schleunigst eine echte demokratische Fundierung finden.

Angela Merkel

Die konservative deutsche Kanzlerin steht an der Spitze jener Fraktion, die durch einen rigiden Sparkurs die europäische Währungskrise lösen will. Im März dieses Jahres setzte die Regierungschefin des ökonomisch mächtigsten Staates der EU einen Fiskalpakt durch. Damit können sich die Unterzeichnerstaaten nur noch begrenzt verschulden, die Souveränität über ihre Haushalte soll teilweise an die EU abgetreten werden. Eine Niederlage droht Angela Merkel hingegen in der Streitfrage, ob der Europäische Rettungsschirm eine Banklizenz bekommen soll. Damit könnte er sich von der Europäischen Zentralbank unbegrenzt Geld leihen und dann an Krisenländer weitergeben. Indirekt würde die EZB so die Finanzierung der Staatsschulden übernehmen, argumentiert sie. Vehement stemmt sich die deutsche Kanzlerin gegen jede Form von Eurobonds, also gesamteuropäischen Anleihen. In der EU ist Merkel immer stärker isoliert.

Nordeuropa

Die Garantien für solide Haushaltspolitik müsse vor milliardenschweren Hilfspaketen kommen. Das fordern neben Angela Merkel derzeit vor allem nordische Nicht-Euro-Länder wie Schweden oder die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Rückendeckung bekommt die deutsche Kanzlerin auch von Holland, Dänemark und Finnland, die nicht für den maroden Süden finanziell in die Bresche springen möchten.

Michael Spindelegger

Österreichs Außenminister bleibt auf Merkel-Linie: "Eine Vergemeinschaftung von Schulden - dafür stehe ich nicht zur Verfügung“, sagt Spindelegger über die Einführung von Eurobonds: Auch Finanzministerin Maria Fekter will keinesfalls für die Schulden maroder Nachbarländer aufkommen. 


Hans-Werner Sinn und Co

Die Mehrheit der europäischen Ökonomen spricht sich mittlerweile gegen Merkels Sparkurs aus. Unterstützt wird die deutsche Kanzlerin vor allem von Hans-Werner Sinn. Der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo warnt vor einer so genannten europäischen Bankenunion, die - anstelle der einzelnen Staaten - große marode Finanzinstitute auffangen und die Haftung für die Einlagen übernehmen soll. Anfang Juli formulierte Sinn einen öffentlichen Appell, in dem er auch die geplante Bankenlizenz für den ESM-Rettungsschirm scharf verurteilte. Über 160 deutsche Ökonomen haben das Papier bereits unterzeichnet.

Die deutschen Medien

Die Europapolitik Merkels wird von einer großen Mehrheit der Deutschen unterstützt. Die Popularitätswerte der Kanzlerin sind höher denn je. Auch die meisten deutschen Medien - selbst sonst so regierungskritische liberale Blätter wie "Der Spiegel“ und "Die Zeit“ - stehen tendenziell hinter dem konservativ-liberalen Krisenmanagement Berlins.

Die Rechtspopulisten

In einer äußerst komplexen Situation haben die rechtspopulistischen Parteien ein vergleichsweise einfaches Spiel: Sie sind aus nationalistischen Gründen gegen eine weitere Integration der EU und wehren sich dagegen, dass "brave Steuerzahler“ künftig für die südlichen "Verschwender“ einspringen sollen. Sie sind tendenziell auf der Seite von Angela Merkel, auch wenn sie die deutsche Kanzlerin für zu kompromissbereit halten. Direkt oder indirekt plädieren sie für ein Ende der Währungsunion.

Georg Hoffmann-Ostenhof