Allein gegen Europa: H. P. Martin

Europa: Der Terminator

Ohne Wahlkampfbudget gegen "Spesenritter"

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Bei der offiziellen Präsentation der SPÖ-Kandidaten für die EU-Wahlen wurde am vergangenen Donnerstag ein Name peinlich vermieden. Nur einmal tauchte Hans-Peter Martin, der ehemalige Spitzenkandidat der SPÖ im Europa-Wahlkampf 1999, in der Rede von Alfred Gusenbauer anonym auf: als „Mitbewerber, der in der Grauzone des Verdachts versucht, Misstrauen zu schüren“.

Hannes Swoboda, SP-Listenführer für die EU-Wahl, sprach ebenfalls nur indirekt über den wegen fragwürdiger Spitzelmethoden aus der SPE-Fraktion ausgeschlossenen Ex-Kollegen. „Es gibt Kollegen, die flimmern und flirren vor der Wahl, halten dann lange Winterschlaf und flimmern und flirren wieder vor der Wahl. Das ist nicht unsere Methode.“

Am vergangenen Donnerstag gab der frühere Journalist und Buchautor („Bittere Pillen“, „Die Globalisierungsfalle“) in Bregenz seine Wiederkandidatur bei den Europawahlen am 13. Juni als parteifreier Abgeordneter bekannt. Er wolle „bei der EU aufräumen“, kündigte er an. Er werde „für mehr Demokratie und gegen Spesenrittertum“ kämpfen.

Den neuerlichen Einzug ins EU-Parlament will Martin „ohne Mitstreiter und ohne Wahlkampfbudget“ schaffen. „Mein Kapital sind die interessierten Bürger“, sagt er und weiß bei seinem Feldzug zahlreiche Medien in Österreich – und auch in Deutschland – hinter sich.

Andere werfen Martin vor, jahrelang selbst vom großzügigen Spesenregime profitiert zu haben. „Plötzlich sind alle gierige Abzocker“, ärgert sich der Budgetexperte Herbert Bösch (SPÖ). „Dabei ist jetzt wichtig, ob uns bei der Neuordnung des EU-Budgets Weichenstellungen zu mehr Ausgaben für Beschäftigung, Wissenschaft und Infrastrukturprojekte gelingen.“

„Später Saubermann“. Vor allem von der „Kronen Zeitung“ dürfte Martin weiterhin massive Rückendeckung bekommen. Liebevoll und detailreich berichtet das Kleinformat von der Wühlarbeit des Europamandatars mit Knopflochkamera.
Dass die „Krone“-Miteigentümer von der deutschen WAZ-Gruppe das Engagement für Martin hinnehmen, ist unwahrscheinlich. Eine Kampagne für den EU-Terminator könnte als Änderung der Blattlinie ausgelegt werden, die zur Unabhängigkeit von politischen Interessengruppen verpflichtet – und dafür müsste sich dann Hans Dichand auch in seiner Funktion als Herausgeber rechtfertigen. Im derzeit laufenden Schiedsgerichtsverfahren verlangt die WAZ nur seine Abberufung als Geschäftsführer.

„Mithilfe der ‚Kronen Zeitung‘ könnte Martin den Einzug ins EU-Parlament schaffen“, meint der FPÖ-Ideologe Andreas Mölzer, der im auflagenstarken Kleinformat regelmäßig eine Kolumne schreibt. Falls Mölzer zum Spitzenkandidaten der FPÖ für die Europawahlen ernannt wird, müsste er dann wohl in seinem Leibblatt mit Martin um Platz kämpfen.

Sicher ist: Martin wird hauptsächlich der SPÖ und den Blauen Stimmen wegnehmen. Um gewählt zu werden, braucht der Abgeordnete in Österreich etwa fünf Prozent der Stimmen, je nach Wahlbeteiligung wären das zwischen 100.000 und 150.000.
Vor allem in der FPÖ sorgt Martins Kandidatur für Nervosität. Jörg Haider nannte ihn vergangene Woche einen „spät berufenen Saubermann“. Im FPÖ-Generalsekretariat wirft ihm Heimo Lepuschitz, Sprecher von Magda Bleckmann, vor, „urfreiheitliche Themen“ wie die „Kontrolle der EU-Bürokratie“ gekapert und dabei jahrelang selbst von großzügigen Spesenpauschalen profitiert zu haben. Lepuschitz: „Während unser EU-Abgeordneter Hans Kronberger alle Reisebelege offen gelegt hat, hat dies Martin bisher nicht getan. Hat er etwas zu verbergen?“

Genugtuung. Bei den Blauen ist der Ärger über Hans-Peter Martin erklärbar: Falls ein größerer Teil der ohnehin geschrumpften freiheitlichen Wählerschaft für den selbst ernannten „EU-Aufdecker“ stimmen sollte, wird es für die Partei eng: Die FPÖ, die 1999 mit fünf Abgeordneten ins EU-Parlament einzog, könnte diesmal nur noch einen oder zwei Abgeordnete entsenden.

Bei den Grünen zeigt man sich über Martins Kandidatur gelassen. „Uns tut er am wenigsten weh“, erklärt Parteichef Alexander Van der Bellen.
In der ÖVP verfolgt man die Attacken Martins mit klammheimlicher Genugtuung. „Die SPÖ hat ihn geholt. Jetzt soll sie das auch ausbaden“, meint die wiedergekürte ÖVP-Spitzenkandidatin Ursula Stenzel nicht ohne Schadenfreude.