Ex-ORF-Chefin Monika Lindner vor ihrem Einzug in den Nationalrat
Eine SMS kann ihr Handy empfangen, telefonieren kann man damit auch, zu mehr ist das Uralt-Gerät nicht in der Lage. Streng genommen ist schon die Telefonfunktion sinnloser Luxus, denn Monika Lindner drückt nur in Ausnahmefällen den grünen Annehmen-Knopf. Zu viele Journalisten und ehemalige Weggefährten wollen von der 69-Jährigen dieser Tage wissen, ob sie sich nun am 29. Oktober tatsächlich als Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat angeloben lasse.
Absolut keine Ahnung
Selbst die zwei beruflichen Lebensmenschen Monika Lindners können nur mutmaßen, was ihr ehemaliger Schützling vorhat. Er habe zu ihr keinen Kontakt mehr, gab Landeshauptmann Erwin Pröll vergangene Woche am Rande eines profil-Interviews knapp zu Protokoll. Christian Konrad, ehemaliger Raiffeisen-Generalanwalt, hat absolut keine Ahnung, was sie nun plant.
Kraftakt
Die beiden mächtigen Herren waren die Ersten, die Monika Lindner am 13. August von ihrer Kandidatur auf der Liste Stronach informiert hatte. Erwin Pröll soll während des Telefonats etwas heftig geworden sein. Er hatte die Journalistin (Willkommen Österreich) 1998 zur ORF-Landesintendantin von Niederösterreich gemacht. Vier Jahre später hievte sie die nun regierende ÖVP/FPÖ-Koalition unter der Stabführung Prölls in den Chefsessel des Gesamt-ORF, damals ein nicht zu unterschätzender Kraftakt, weil dafür erst der ebenso erfolgreiche wie bürgerliche Gerhard Weis in die Frühpension geschickt werden musste.
'Du musst nicht mit mir schimpfen'
Christian Konrad erinnert sich noch gut an das Telefonat mit Monika Lindner an jenem 13. August, in dem sie ihm ihre Kandidatur für Frank Stronach gebeichtet hatte: Ich war zehn Sekunden lang völlig schmähstad, was bei mir eher selten vorkommt. Und in die Stille hinein hat sie gesagt: Du musst nicht mit mir schimpfen, das hat eh schon der Erwin erledigt. Lindner hat auch Konrad viel zu verdanken. Nachdem sie im August 2006 vom Stiftungsrat als ORF-Generaldirektorin abgewählt worden war, fing sie der Raiffeisen-Chef auf und machte sie zur Beraterin der Medienbeteiligungstochter Medicur, in der die Raiffeisen-Anteile an Kurier, profil, Sat 1 und der Senderkette ORS geparkt sind. Im Mai 2009 wurde Lindner Geschäftsführerin des Raiffeisen-Außenwerbungsfirma Epamedia, die schon wenig später ins Schleudern geriet und im Vorjahr an eine slowakische Holding verkauft wurde. Epamedia sei schon auf wackeligen Beinen gestanden, als Lindner dort einstieg, gestehen selbst Kritiker der ehemaligen ORF-Generaldirektorin zu.
Dass aber jemand, der die wichtigsten Karrierestufen seines Berufslebens der ÖVP und Raiffeisen verdankt, just beim politischen Irrwisch Frank Stronach anheuert das verstand niemand in Monika Lindners Umfeld. Er wollte jemanden haben, der ein gewisses Ansehen hat, erzählte Lindner Vertrauten ein wenig geschmeichelt von den Argumenten, mit denen sie der Milliardär geangelt hatte.
Schon drei Tage nach den denkwürdigen Telefonaten mit Pröll und Konrad dämmerte aber auch ihr, dass Stronach bei ihrer Nominierung ganz andere Hintergedanken hegte. Lindner räumte gerade die elterliche Wohnung in Innsbruck, als sie in den Radionachrichten erfuhr, welche Rolle ihr zugedacht war: Jene einer Speerspitze gegen das System ORF, Raiffeisen und Erwin Pröll, wie dies der wenig trittsichere Klubchef Robert Lugar bei einer Pressekonferenz hinausposaunt hatte. Das ging nun auch Lindner zu weit.
Doch nur einen Tag zuvor waren die Bundeswahllisten der einzelnen Parteien fristgemäß im Innenministerium abgegeben worden, und auf jener der Stronach-Partei stand eben ihr Name. Sie würde also gewählt werden, das war klar. Lindner rief Stronach an, um ihm mitzuteilen, dass sie nicht mehr seinem Team angehören wolle. Öffentlich ließ sie verlauten, sie werde das Mandat nicht annehmen. Dann hörte man bis dato nichts mehr von ihr.
profil erreicht sie eher zufällig am Montag nach der Wahl. Sie habe schon alles gesagt, und wenn sie ihre Meinung ändere, werde sie das mitteilen, war Lindner nun nicht mehr so sicher, ob sie das Mandat wirklich ablehnen soll.
Konkreter scheint sie tags darauf in einem Telefonat mit Frank Stronach gewesen zu sein. Stronach erklärte jedenfalls engen Mitarbeitern nach dem Gespräch, Lindner wolle ihr Mandat annehmen aber nicht als Mitglied der Stronach-Fraktion.
Vorvergangene Woche wurde Lindner selbst aktiv. Nach profil vorliegenden Informationen fragte sie beim kaufmännischen Direktor des ORF Richard Grasl nach, ob Einkünfte aus parlamentarischer Tätigkeit ihre ORF-Pension kürzen würden. Grasl verneinte: Nur Arbeit für den ORF oder eine andere TV-Station würde gegengerechnet. Die 8307 Euro Nationalratsbezug stünden ihr neben den rund 10.000 Euro monatlicher Pension ungeschmälert zu.
Zeitlebens gut verdient
Macht Lindner das alles wegen des Geldes? Nötig hätte sie es nicht: Die kinderlose Witwe des seinerzeitigen ORF-Star-Regisseurs Otto Anton Eder hat zeitlebens gut verdient, zuletzt als ORF-Chefin und Geschäftsführerin der Epamedia sogar blendend. Möglich, dass ihr der Abschied von der Macht 2006 zu abrupt kam, dass sie es noch einmal wissen will. Denkbar freilich auch, dass der agilen Dame einfach langweilig ist. Sie bekleidet nur noch zwei nicht wirklich auslastende öffentliche Funktionen: Lindner ist Vizepräsidentin des österreichischen Roten Kreuzes (davon gibt es vier) und Präsidentin des Hilfswerks Austria International auch das eine eher repräsentative Position.
Die ÖVP versucht den Eindruck zu vermeiden, sie wolle sich mit Hilfe Lindners das eigentlich dem Team Stronach zustehende Mandat krallen. Spitzenkräfte halten sich von ihr fern, nur die im Wahlkampf praktisch nicht in Erscheinung getretene Nummer zwei auf der ÖVP Bundesliste, Michaela Steinacker, traf sich mit Lindner zum Frühstück. Steinacker war früher im Epamedia-Aufsichtsrat gesessen.
Vergangenen Mittwoch startete dann Stronachs Statthalterin Kathrin Nachbaur eine letzte Erkundungsmission: Nach der im Chaos geplatzten Sitzung des neuen Bundesdirektoriums ihrer Partei in Oberwaltersdorf verfügte sich Nachbaur zu Monika Lindner, um eine verbindliche Antwort einzuholen. Danach hatte sie ihrer Partei wie so oft in den vergangenen Tagen nichts Positives zu berichten.
Dass es dem Team Stronach gar nicht gut geht, dürfte Lindner die Entscheidung erleichtern, das Mandat als wilde Abgeordnete anzunehmen: Nur noch acht Prozent der Österreicher glauben, dass es das Team Stronach am Ende dieser Legislaturperiode noch geben wird (siehe Grafik). Auch Monika Lindner sieht das so: Sie erinnert die Truppe um Stronach immer mehr an eine Sekte. Festlegen will sie sich noch nicht ganz. Das Leben als Wilde sei ja wohl auch nicht einfach und sie habe halt niemanden mehr, mit dem sie sich beraten kann, klagt sie.
Irgendwie fehlt ihr jetzt der Erwin.