Fax und Foxi

Fax und Foxi

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Wenn Sie diese Zeilen lesen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Revision der Revision der „Verordnung zur Chefarztpflicht neu“ bereits wieder revidiert worden ist.
Denn das neueste Ringelspiel der österreichischen Gesundheitspolitik ist voll in Schwung, weil es von allen Betreibern ständig mit zusätzlichen und noch zusätzlicheren Impulsen genährt wird. Das Ironische dabei ist, dass alle Akzelerateure versichern, sich nichts sehnlicher zu wünschen, als dieses Drahdiwaberl zu stoppen.

Am meisten wünscht sich dies gewiss die stolze Erfinderin der Konstruktion der neuen Chefarztpflicht, Frau Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat. Doch wie’s manchen, die ein Werk machen, so geht, merkte sie zu spät, dass es ein Machwerk war. Nach dem Dezenniums-Desaster mit der Chip-Karte – die angeblich allen Ernstes Ende dieses Jahres eingeführt werden soll – steht nun abermals ein erfrischender Streit zwischen den Kontrahenten bevor, die allerdings eine gemeinsame Meinung einigt: jene nämlich, von einer voreiligen und nicht überdimensioniert sensiblen Ministerin überfahren worden zu sein.

Traditionell besteht das Gesundheitswesen aus Ärzten und Krankenkassen, in diesem Fall dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Beide kümmern sich um die Patienten, und jene Arzneien, die die einen den Patienten verschreiben, müssen, zu einem großen Teil jedenfalls, die anderen zahlen. Je nach Zurückhaltung oder Zuvorkommenheit der einen ihren Patienten gegenüber gehen die anderen alle paar Jahre bankrott. Um zu verhindern, dass Ärzte, die sich den überzeugenden Argumenten der pharmazeutischen Industrie nicht immer verschließen können, neuere, teurere Arzneien verschreiben, wurde die Chefarztpflicht eingeführt: Ebenso wie Kuren oder Rehas müssen solche Medikamente chefärztlich bewilligt werden. Jedes Gesuch um so eine Bewilligung muss begründet werden. Um den Ärzten den Papierwust zu ersparen, wurde ihnen vom Ministerium angeboten, ihr Begehren per Fax zu schicken. Gleichzeitig wurde der Hauptverband gebeten, den Ärzten einen „Erstattungskodex“ (eine Verhaltensrichtlinie) zu liefern – was auch geschah. Und dann sagte Frau Rauch-Kallat: Auf los geht’s los.

Die Ärzte wussten nicht, ob alles, was sie bisher schon verschrieben hatten (also eine weiterführende Behandlung), noch einmal zu bewilligen war und nach welchem Ermessen sie faxen sollten/mussten, der Hauptverband wusste nicht, was er mit Rezepten anfangen sollte, die Ärzte nach der alten Methode ausgestellt hatten, und die Chefärzte sahen überhaupt keine Erleichterung. Die Patienten hatten Angst, dass begonnene Behandlungen eingestellt würden.

Über all dem Chaos saß die Gesundheitsministerin und sonnte sich auf einer Pressekonferenz. Nicht just untypisch für gesetzliche Zauberkunststücke jenes Kabinetts, dem sie angehört, fiel auch ihr nach elf Tagen schon der Hase aus dem Ärmel in den Pfeffer. Den gab zunächst die Ärztekammer dazu, die „das Ganze für undurchführbar“ hielt, den streute ihr vor allem der Hauptverband in die verdutzt geweiteten Augen. Denn als sie gewahr wurde, was sie angerichtet hatte, war sie’s auf einmal nicht; schuld wäre der „Erstattungskodex“, an dessen „Benutzerfreundlichkeit erhebliche Kritik“ bestünde. Eben diesen Kodex hatte sie selbst aber zuvor mit „besonderem Dank“ für den „bemerkenswerten Einsatz“ bejubelt.

Es wäre nicht Maria Rauch-Kallat, wäre das aktuelle Näpfchen nicht voll Fett gewesen; denn in ihrem politischen Leben verband sie zumindest schon einmal das, à la longue, Unangenehme mit dem Nutzlosen.

Als Umweltministerin rief sie Anfang der neunziger Jahre die große „Entsorgungs-Offensive“ aus: Jedweder Müll – Weißglas und Buntglas, Karton, Papier und Kunststoff – sei feinsäuberlich zu trennen. Dies zu einem Zeitpunkt, zu dem holländische Sozialmediziner warnten: „Penible Mülltrennung kann Ihre Gesundheit gefährden!“ Denn in jenen Containern, in die Behälter entleert würden, in denen sich Essensreste befänden, würden sich Fäulnisbakterien und Schimmelpilze köstlich vermehren, was zu Gicht und Asthma führen könnte, während dies in ungetrenntem Müll nicht der Fall sei. Und ein Wiener Abfallwirtschaftsexperte meinte, der Hausmüll mache nicht einmal zehn Prozent aller Abfälle aus, ein häufigerer Verzicht aufs Autofahren brächte der Umwelt erheblich mehr.

Derlei ökologische wie ökonomische Expertisen fochten Maria Rauch-Kallat nicht an, mag sein, dass es jetzt auch medizinische nicht vermögen werden, seitdem sie von der Umsorgung des Mülls auf die des Menschen avanciert ist.

Denn als gelernte Lehrerin hat sie natürlich stets gewusst, dass sie weit eher dazu ausersehen ist, Ratschläge zu erteilen denn welche zu empfangen. Ihre auch semantisch eindrucksvolle, im Beharren nie erlahmende Art, ahnungslosen Skeptikern klar zu machen, dass sie im Wisserischen besser ist, wird sie eventuell auch diesmal nicht verleugnen wollen.

Ihre Treue, nur sich selbst zuzuhören, kann sie durchaus zur Ahnfrau der Wiener Medizynischen Schule machen.