Fernsehen: Harter Hase Peter Rapp

Fernsehen: Harter Hase

Der unverwüstlichste Entertainer Österreichs

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Eine Spielkandidatin fällt in Ohnmacht. Live. Was macht ein Quizmaster, der außer an sich selbst an nichts mehr glaubt? Er schubst die bewusstlose Frau, dalli, dalli, aus dem Kamerafeld, damit sie das Blickfeld nicht mehr stört. Eine wahre Anekdote aus Peter Rapps Fundus, die eine frühere deutsche Showgröße posthum etwas kleiner macht.

Was hätte Peter Rapp gemacht? „Ich hätte mich zu der Frau gekniet, nach einem Arzt gerufen, sie nach draußen begleitet und das Publikum später informiert, wie’s der Frau jetzt geht. Ist doch klar.“

Dass er auch jenseits der Kameras so agieren würde, glaubt man ihm erst am Ende des Gesprächs, das in jener im Boudoir-roten Broadway-Schick auffrisierten Tanzschule in Wien-Neubau stattfindet, wo neben Rapp Promikandidaten wie Toni Polster, Arabella Kiesbauer, Marika Lichter oder Barbara Rett für die ORF-Show „Dancing Stars“ (Start: 23.9.) das Schweben erleiden lernen.

Eigentlich war der Anfang des Gesprächs fast auch schon das Ende. „Ich will nicht mehr“, erklärte Rapp gleich nach der Begrüßung ganz trocken und tauschte das nach dem Quickstep-Marathon durchgeschwitzte Hemd gegen einen Bademantel. „Keine Interviews. Ich habe es satt, dass Journalisten sich bemüßigt fühlen, in meine Gefühlswelt zu steigen, um am Ende doch nur zu erzählen, wie’s ihnen dabei geht, wenn sie mich treffen“, erklärt er, bar jeglicher Arroganz und Koketterie. Und fügt hinzu: „Ich bin zu oft verletzt worden.“

Sicher, manchmal gab es im Nachhinein auch Entschuldigungen: „Aber was nützt mir das, wenn der Fuß erst einmal ab ist? Das tut von einem schlechten Autofahrer genauso weh wie von einem guten. Wissen Sie was: Ich mache alles aus Leidenschaft!“

Irgendwer ruft: „Peter, Fototermin für das Gruppenbild!“, und Peter antwortet: „Später! Ich dampfe ja noch.“ Dann fragt er: „Kann ich auch allein aufs Gruppenbild?“ – „Gut siehst du aus“, meint Barbara Rett. – „Ich glaub, du brauchst an Optiker“, entgegnet Rapp wie aus der Pistole geschossen. In Rapps Welt hat immer nur eine Antwort Gültigkeit: die Pointe. Und er schenkt niemandem etwas – am allerwenigsten sich selbst. Er ist insofern eine One-Man-Show, als ihm bereits ein einziger Zuschauer genügt, um sich zu verschwenden.

Jetzt tanzt Rapp zwar, aber strikt nach seiner eigenen Taktvorgabe, auch jenseits des Parketts – nach 42 Jahren an der Front ein wohlverdientes Privileg. Dass ein Mensch, den seine Sucht nach Öffentlichkeit am Laufen hält, sich gleichzeitig dem publizistischen Therapiesystem, auch Interview genannt, entziehen will, mutet paradox an. So braucht man ihm aber schon gar nicht kommen.

Show-Ranger. Rapp hasst psychoanalytisch angehauchte Zugänge zu seiner Person. Wenn das Wort „Gefühl“ fällt, zuckt er wie unter einem Peitschenschlag zusammen und schreit: „Jössas!“

Allergisch reagiert er auch auf das Wort „Comeback“. Denn schließlich war er nie weg. Wenn er nicht am Bildschirm in der wöchentlichen „Brieflosshow“ kampfgeföhnte Volksnähe verströmte („Bravo, Frau X, das ist ein Fußball!“), würde er auf dem „kleinen Bildungsweg“ eines jeden Vollblut-Entertainers wandeln und tingeln.

Kein Bierzelt war ihm zu eng, keine regionale Ferienmesse zu provinziell, keine Wäschemodenschau zu schäbig. Schamschwellen sind Rapp nach eigenen Angaben ein unbekanntes Territorium: „Nur im Zelt kriegst du die direkte Nähe zum Publikum. Du musst alle Knöpfe kennen, bevor du draufdrücken kannst. Das ist die Ranger-Ausbildung im Showgewerbe.“

Um Geld geht es dabei nicht, jedenfalls nicht in erster Linie. Über Geld kann man mit Rapp auch aus anderen Gründen ohnehin nicht reden. „Ich habe Fehler gemacht und bin für diese Fehler eingestanden.“ Mehr geht nicht. Tabu sind auch die drei gescheiterten Ehen, die aktuelle Lebensgefährtin und die drei Kinder, die Rapp, so ein Intimus, „immer mit besonderer Großzügigkeit bedachte“.

Seine persönliche Würde habe die ausgiebigen Exkursionen in die Hinterhöfe des Entertainments ohne Dellen überstanden, erzählt Rapp, aber manchmal sei ihm danach doch die Geschmackssicherheit ein wenig verrutscht: „Wennst da oben in so einem Zelt keinen ordinären Witz reißt, schießen’s dich nämlich von der Bühne runter. Und diese Zielgenauigkeit für die Gegend unter der Gürtellinie muss man dann aber wieder vergessen lernen.“

Primetime-Liga. Neben seinem Einsatz in „Dancing Stars“ wird der bekennende Nicht-Tänzer Rapp ab Mitte Oktober mit „Wir sind die Fans“, einem Hybriden aus verjüngtem „Musikantenstadl“ und Game-Show (siehe Kasten Seite 110), auch wieder in der Primetime-Liga antreten. Ihm zur Seite steht DJ Ötzi als „perfekter Psychiater von der Kanzel“, schwärmt Rapp ohne erkennbare Ironie, „ein hochsensibler Mensch, der die Fähigkeit zur Massenanimation verkörpert wie kein anderer“.

Rapp war zeit seiner Karriere intelligent genug, um sich für nichts zu dumm zu sein. Er hat von fahrenden Zügen und himmelfahrendenTürmen moderiert, mit Bärenfellmütze auf dem Kopf im polnischen Fernsehen Polen parodiert, ist durch eisige Gebirgsbäche gewatet, hat den damals noch unbekannten Schmuse-Pfeifer Roger Whitaker ins „Spotlight“ gestellt und generell nichts Menschelndes ausgelassen, Gastauftritte auf der Löwinger-Bühne eingeschlossen.

„Ich mache alles, wenn es mich in einen emotionellen Strudel reißt“, begründet er sein „geriatrisches Experiment“ als ältester „Dancing Star“ und hofft, „dass irgendwann die Füße von selbst anfangen zu denken“.

Seit Marcel Prawy nicht mehr ist und Edith Klinger nicht mehr sein darf, gehörte kein Fernsehmensch so lange und innig zum Fixinventar des österreichischen Wohnzimmers wie Peter Rapp. Die Namen der dazugehörigen Shows („Hoppala“, „Peters Party“, „Champion“) mögen in der Erinnerung verblasst sein – das Bild des Barts rund um dieses „Ich-bin’s-euer-Rampentier“-Lächeln ist unauslöschlich. Davon, dass Rapp auch schon in „Spotlight“-Tagen auffallend unjung wirkte, profitiert er heute. Mit seinen 61 Jahren wirkt er weit juveniler als die gealterten Berufsjugendlichen seiner Generation.

Gemüsehobel-Aura. „Er ist selbst mit einem Gemüsehobel in der Hand amüsanter als all die Koffer-Fendrichs und Millionen-Assingers“, schwärmt der Satiriker Christoph Grissemann (aktuelles Programm: „Harte Hasen“). Der Mann könne „mit drei Busladungen Mindestrentnern mehr Spannung erzeugen als Gottschalk mit Mariah Carey“, ganz zu schweigen von seinem Pioniergeist („Lange vor der Erfindung des Klobrillenbarts hat er den Klobrillenbart getragen“), seiner Schlagfertigkeit und seiner „Allürenfreiheit und charmanten Trinkfestigkeit“, die Grissemann bei einer privaten Begegnung bewundern durfte. Eine Frage treibt Grissemann allerdings um: „Wofür um alles in der Welt hat sich der Mann in seine Villa eine kleeblattförmige Vier-Personen-Badewanne einbauen lassen? Ansonsten: Gebt ihm alle Sendungen dieser Welt!“

Rapp bekennt sich durchaus zu Größenwahn, schwört aber, sich zeitlebens immer nur auf „Ein-Mensch-Badewannen“ beschränkt zu haben.

„Er ist wahnsinnig ehrgeizig“, lobt ihn seine „Dancing Stars“-Lehrerin Julia Polai. „Ich war wirklich erstaunt, wie ehrgeizig der Peter ist.“

„Viel Glück beim Tanzen“, ermuntern ihn die Menschen jetzt auf der Straße, die Rapp, vielleicht gerade wegen seiner persönlichen Crashtests, als einen von ihnen respektieren, im Gegensatz zu den besorgt blickenden Branchenmenschen, die ihm Scheinheiligkeiten wie „Ich bewundere deinen Mut“ zuraunen.

„Ich hatte von Anfang an keine Zweifel an meiner Fähigkeit und deswegen auch das Glück, nie auch nur irgendeine Art von Lampenfieber zu haben“, sagt Rapp. „Angst war nie. Ich war immer überzeugt: Mir kann nichts passieren. Und wenn sich wer gegen mich gestellt hat, hab ich mir gedacht: Der Trottel wird auch noch draufkommen.“ Das Gefühl der Unverwundbarkeit kannte Rapp schon als Kind, als er mit eintausend anderen Buben um die Aufnahme bei den Wiener Sängerknaben in der Hofburg sang. Er bestand die Prüfung. Hingeschickt hatte ihn die Mutter, eine „Marktfierantin, weil Standlerin wäre zu viel: Meine Mutter hat aufgebaut und dann zusammengepackt, bevor die Polizei gekommen ist. Ich bin an der Basis aufgewachsen.“

Rapps Vater war ein Beamter, der nach dem Krieg sieben Jahre arbeitslos war. „Er hat zuvor mit der falschen Partei sympathisiert.“ Das Geld war knapp, und „bei den Sängerknaben hoffte meine Mutter, dass ich dort so was wie Bananen bekomme“. Aber hilfreicher als die Bananen waren die ersten Gehversuche in der Disziplin Selbstdarstellung: „Da gehört natürlich ein kontrollierter, kleiner Größenwahn dazu. Damals habe ich gelernt: Du musst dich wichtig nehmen. Weil wenn du’s nicht tust, dann wird’s auch kein anderer für dich erledigen.“

Gelassenheit. Dass der ORF ihn im Lauf der Jahrzehnte zeitweilig nicht so wichtig nahm, „hat er mit bewundernswerter Gelassenheit hingenommen“, erinnert sich der ehemalige Programmintendant Ernst Wolfram Marboe. „Der Rapp war nie einer, der beleidigt im Eck gesessen ist, wenn die Aufgabenlage schütter war.“

„Ich war nie der Meinung, dass mir der ORF gehört und dass ich irgendwelche Ansprüche habe“, rollt Rapp sich klein. „Wenn ich Leerräume hatte, konnte ich sie zudecken.“ Dann schreibt sich Rapp zum Beispiel „Belastendes von der Seele herunter, um es dann in der Schublade zu beerdigen“. Oder er trainiert sein Gedächtnis, um sich für das Pointen-Apportieren in Bestzeit ausgeschlafen zu halten: „Ich studiere die richtige Reihenfolge aller amerikanischen Präsidenten. Oder rattere alle Triumvirate runter. Und wenn Sie wissen wollen, wie das Lieblingspferd von Alexander dem Großen geheißen hat, fragen S’ nur … Geschichte ist mein Hobby.“

Seinen Bildungswahn weiß Rapp am Schirm professionell zu camouflieren. „Beim Quizmaster sieht der Zuschauer das Abbild seiner eigenen Beschränktheit glorifiziert“, schrieb Umberto Eco. Instinktiv lebt Rapp nach dieser Prämisse und bleibt auf gleicher Augenhöhe mit dem Zuschauer. Das ist quotensichernd. Und Quote garantiert weitere Befriedigung der „extremen Rampensucht“, die den Rapp „zu diesen professionellen Höchstleistungen treibt“, so der Autor Werner Schneyder.

Rapp erzählt die Geschichte vom dem müden alten Mann, den er einmal an einer Bühnenseite in sich versunken stehen sah. Irgendwann kniete ein Kammerdiener vor dem müden alten Mann, fädelte ihn in einen Frack ein, drückte ihm einen Girardi-Hut aufs Haupt und einen Stock in die Hand. Dann ging das Licht an, und der alte Mann verwandelte sich wie durch einen Stromschlag in Maurice Chevalier.

Noch Fragen?
Ach ja, das Lieblingspferd von Alexander dem Großen hieß übrigens Bukephalos.

Von Angelika Hager