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Fernsehen: Schlechte Nachrichten

Schlechte Nachrichten

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Am Donnerstagnachmittag gab „Zeit im Bild“-Chefredakteur Werner Mück in einer Redaktionsversammlung bekannt, dass er die allgemeine Redaktionssitzung um 14.30 Uhr wieder einführen werde. Die Ankündigung wurde mit spontanem Applaus bedacht. Mit der Abschaffung dieser Sitzung hatte Mück den Unmut der gesamten Redaktion auf sich gezogen.

Jahrzehntelang hatte es in der „ZiB“ zwei offene Redaktionssitzungen gegeben, eine um zehn und eine um 14.30 Uhr; im Juli hatte Mück verfügt, dass nur noch die Ressortleiter von Politik, Wirtschaft und Außenpolitik an den Sitzungen teilnehmen und die Redaktion hernach von den Beschlüssen informiert werde. Nach Protesten hatte Mück schließlich eine offene, von den Chefs vom Dienst geleitete Sitzung um 15 Uhr eingeführt, an denen alle Redaktionsmitglieder teilnehmen konnten – allerdings nahm Mück selbst so gut wie nie teil, was Diskussionen über ohnehin bereits beschlossene Sendungsinhalte doppelt obsolet machte. Die abgeschaffte Gesamtredaktionssitzung blieb ein Streitpunkt. Dass der Chefredakteur nun nachgab, überraschte viele in der „ZiB“-Redaktion.

Zeit in der Krise. Denn einer der Vorwürfe, die Werner Mück, „Zeit im Bild“-Chefredakteur seit Mai 2002, gemacht werden, ist sein autoritärer Führungsstil. „Wenn autoritär heißt, dass man ja oder nein sagt und dass man entscheidet statt verdrängt, dann haben Sie Recht“, meinte Mück wenige Minuten vor besagter Redaktionsversammlung gegenüber profil.

Mücks Nachgeben dürfte damit zu tun haben, dass sich die „Zeit im Bild“ in einer Krise befindet. In den vergangenen Monaten verlor der ORF kontinuierlich Marktanteile; die „Zeit im Bild“ kämpft mit sinkenden Quoten. Das ist für den ORF insofern bedrohlich, als rund um „Bundesland heute“ und die „Zeit im Bild 1“ mehr als 40 Prozent der TV-Werbeeinnahmen lukriert werden. Sinkende Quoten, der Verlust von Marktanteilen und lauter werdende Kritik an Inhalt, Struktur und Führung der „ZiB“ dürften ihren Chef schließlich so nervös gemacht haben, dass er vor einigen Wochen in „tv-media“ verlautete, es werde an einer Reform gearbeitet. Unter anderem werde es einen neuen Sendungshintergrund und teilweise neue Moderatoren in frischeren Outfits geben.

Im Gespräch mit profil will Mück davon nun nichts mehr wissen: „Ich ändere an den Outfits und dem Sendungshintergrund sicher nichts.“ In der Redaktionsversammlung soll Mück erklärt haben, wieso: Die „Zeit im Bild“ müsse sparen, insgesamt 750.000 Euro jährlich. Also keine Reform. Auch die viel diskutierte Moderatorenumbesetzung könnte zu einer sehr kleinen Lösung werden: Eine interne Studie, die vor einigen Tagen auf sehr wenigen ORF-Schreibtischen gelandet war, könnte eventuell zu diesem Meinungswechsel beigetragen haben. Ein deutsches Unternehmen hatte im Auftrag der ORF-Medienforschung die finanzkritische Zeit zwischen 17 Uhr und 20.15 Uhr untersucht und dürfte dabei auf einige Probleme gestoßen sein, unter denen die Farbe der Moderatorenkrawatten das geringste sein soll.

Keine neuen Gesichter. Mehr Moderatoren dürfte es jedenfalls auch künftig nicht geben: Im Unterschied zu früheren Aussagen könnte Ministersohn Stefan Gehrer seinen Moderatorenjob zwar tatsächlich los sein, allerdings wird er wahrscheinlich nicht ersetzt. Im ORF soll sich die Meinung durchgesetzt haben, dass es möglicherweise doch nicht notwendig ist, monatlich vier Moderatoren zu beschäftigen, von denen jeder nur eine Woche arbeitet. Und dass es schon gar nicht zielführend ist, das Publikum mit neuen, jugendlichen Gesichtern zu irritieren. Auch im ORF scheint man begriffen zu haben, dass der klassische Anchorman besser etwas bejahrt ist, erfahren wirke und möglichst viel Vertrauen auszustrahlen hat.

Deshalb dringt auch aus höheren ORF-Etagen die Nachricht, dass der in den letzten Wochen häufig kolportierte Name Tarek Leitner wohl auch künftig nicht in der „ZiB 1“-Moderationseinblendung zu lesen sein wird. Ebenso fraglich ist, ob Cornelia Vospernik, die sich als Karenzvertretung von Danielle Spera bewährt hatte, in den Rang einer fixen Moderatorin erhoben wird. Eher dürften sich künftig nur noch Spera und Gerald Grossmann auf dem Moderatorensessel der „Zeit im Bild 1“ abwechseln. Es sei denn, eine ziemlich unwiderstehliche Idee nähme tatsächlich konkrete Formen an: Josef Broukal zurück zum ORF zu holen. Der habe, heißt es auch in besagten Etagen, in Wirklichkeit nie ersetzt werden können. Eine Erkenntnis, zu der auch eine kürzlich veröffentlichte „tv-media“-Umfrage beigetragen haben könnte: Mit 60 Prozent Zustimmung ist Broukal auch über ein Jahr nach seinem Ausscheiden noch immer der beliebteste ORF-Moderator. Natürlich will sich im ORF zu Broukal offiziell niemand äußern – wie auch Broukal sich nicht zu seinem ehemaligen Arbeitgeber äußern möchte; außer dass ihn dieses Ergebnis tüchtig freue.

All das wirft allerdings nur ein oberflächliches Licht auf die Verwerfungen, denen die „Zeit im Bild“ momentan ausgesetzt ist. Denn selbstverständlich werden die Gründe für das Sinken der Quoten und der Verlust von Marktanteilen von verschiedenen Menschen verschieden beurteilt.

„ZiB“-Chef Mück, der zunächst auf neue, positivere November-Zahlen verweist, weiß nicht, „warum überhaupt von Krise die Rede ist“. Man könne das Jahr 2003 nicht isoliert beziehungsweise im direkten Vergleich mit dem Hochwasser-, Regierungsumsturz- und Neuwahl-Jahr 2002 sehen, da solche Ereignisse die Menschen naturgemäß vor dem Fernseher festnageln: „Es ist keine Frage, dass ‚ZiB‘-Berichte über Ecofin, den Verfassungskonvent oder eine langwierige Pensionsdebatten keine Quotenbringer sind. Einige Kritiker finden das fad. Aber damit ignorieren sie unseren Informationsauftrag. Es ist wichtig, dass wir Informationen zu bieten haben, die nicht immer quotenmaximierend sind.“

Langweilige Nachrichten. ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer meint, die Gründe für den Quotenverlust der „Zeit im Bild“ seien in der Einführung von Privatfernsehen zu suchen (siehe Interview S. 101). Franz Prenner, Geschäftsführer des bislang einzigen österreichischen ORF-Konkurrenten ATVplus, vertritt die Ansicht, Broukal hätte gehalten werden müssen, das Erscheinungsbild der „ZiB“ hätte nie geändert werden dürfen (siehe Interview). Der österreichstämmige Geschäftsführer des deutschen Verlagsriesen Holtzbrinck, Michael Grabner, TV-Produzent, versierter Medienkenner und qualifizierter Beobachter, sieht die Krise der „Zeit im Bild“ mehr als Krise der politischen Landschaft: „Das Nachrichtenmaterial ist teilweise so uninteressant, dass die Leute einfach nichts mehr davon wissen wollen.“ ÖVP-Abgeordneter und Medienexperte Ferry Mayer meint, die „ZiB“ sei ihm „zu fad. Ich schaue lieber CNN.“

„Kurier“-Chefredakteur Christoph Kotanko meint, die Quoten der „ZiB“ seien „aus mehreren Gründen auf der Rutschbahn. Die Nachrichtensendungen leiden unter der aktuellen politischen Situation. Der innerösterreichischen Politik ist die offene, kritische Auseinandersetzung abhanden gekommen. Die Regierungsparteien wollen sie nicht, die Oppositionsparteien können sie nicht. Das ruiniert das Kerngeschäft der Nachrichtensendungen.“ Zudem fehle sehr oft „die entschlossene Eigenleistung der ‚ZiB‘, die freche Frage, der kecke Bildschnitt, der mutige Kommentar. Das Publikum erwartet Orientierung. Die ‚ZiB‘ ist ja auch das Erklärungsforum der Nation. Kommentatoren wie Mück und Bürger geben diese Orientierung in ihren besten Zeiten. Entweder sie dürfen nicht mehr, oder sie wollen nicht mehr.“ Für die „ZiB“ sei es jedenfalls höchste Zeit für eine Re-Vision.
Ähnlich sieht das, wenig überraschend, SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos. Die „ZiB“ informiere einseitig, weshalb die Menschen sie nicht mehr sehen wollten. Und er benennt durchaus auch personelle Gründe. „Ich mache auch Chefredakteur Mück verantwortlich.“
Hier wird es knifflig. Denn in der Person Werner Mück spitzt sich einiges zu.

Es muss an dieser Stelle ein bisschen ausgeholt werden: Niemand im ORF möchte reden. Die oberen Etagen wollen nicht und halten sich, wie sie es von der Politik gelernt haben, an das Rezept der Informationsverweigerung gegenüber nicht deklariert wohlgesonnenen Medien: Es gibt keine Informationen. Und nein, „ZiB“-Chefredakteur Werner Mück stehe für ein Interview nicht zur Verfügung. Der, wie Usus, in der Pressestelle deponierte Wunsch nach einem Interview mit Informationsdirektor Gerhard Draxler bleibt unbeantwortet. Auch der kaufmännische Direktor Alexander Wrabetz ist nicht zu sprechen. Der Chefkoordinator in der Generaldirektion, Wolfgang Lorenz, der beauftragt wurde, gemeinsam mit Mück über eine „ZiB“-Reform nachzudenken, ist gleichfalls nicht auskunftswillig.

Die unteren Etagen wiederum können nicht – jedenfalls nicht offiziell. Das war schon immer so. Dass die Verträge von über 1000 freien ORF-Mitarbeitern momentan in Anstellungsverträge umgewandelt werden, während man sich von anderern trennt, vergrößert die interne Interna-Auskunftsfreudigkeit nicht unbedingt. Wer immer also dennoch etwas erzählen möchte, tut das stets unter der Bedingung, dass sein Name im Bericht verlässlich nicht vorkommt.

Gerade als also dieser Artikel über die „ZiB“ zu einer Geschichte ohne Namen zu werden droht, meldet sich „ZiB“-Chefredakteur Mück und hat es sich anders überlegt: Er wünscht nun, zu allfälligen Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Gut: Denn die Vorwürfe und Vorbehalte gegen Mück sind zahlreich.

Ohne Zweifel hängt die Krise der „Zeit im Bild“ mit zahlreichen widrigen Außenfaktoren zusammen, sehr viel davon dürfte allerdings hausgemacht und die Folge personeller und struktureller Probleme sein.

Werner Mück hat die Tatsache, dass ihm Generaldirektorin Monika Lindner die Chefredaktion der „Zeit im Bild“ übertragen hat, ziemlich sicher zu Recht als Auftrag verstanden, in der „ZiB“ etwas zu ändern beziehungsweise die „Zeit im Bild“ zu verändern. Das hat er gemacht. Robert Stoppacher soll ein freundlicher, lustiger, engagierter, aber nicht auffällig entscheidungsfreudiger Vorgänger gewesen sein – Werner Mück soll von diesen Eigenschaften keine außer dem Engagement mit in die Chefredaktion gebracht haben. Mück griff durch und veränderte: neben der Sitzung vor allem eines – er machte sich zum alleinigen Herrscher über alle „ZiBs“. Und genau das könnte eines der wesentlichen Probleme sein.

Am Beispiel der „Zeit im Bild 2“ lässt sich dieses Problem ganz gut illustrieren – auch mithilfe eines internen ORF-Papiers, das die Quoten der „Zeit im Bild 2“ seit Anfang August auflistet: Während die „ZiB 2“ unter Gerhard Zeiler noch die Vorgabe hatte, 35 Prozent Marktanteil in den Kabel- und Sat-Haushalten zu erreichen (was sie meistens tat), pendelt sich der Marktanteil nun bei knapp 25 Prozent ein. Das heißt, auf drei Viertel der eingeschalteten Fernsehgeräte liefen andere Programme. Von 15 Sendungen erreichte nur eine 35 Prozent, während die niedrigste Quote 18 Prozent ausmacht. Mück sagt, das liege daran, dass ORF 2 aufgrund von „Kontrastprogrammierung“ an ORF 1 verliere – zum Beispiel an den „Bullen von Tölz“ oder „Starmania“.

Einige Beobachter orten das Problem woanders: Mück hat die Sendungsmannschaften und ihre Verantwortlichen abgeschafft. Früher waren die „ZiB 1“, die „ZiB 2“ und die „ZiB 3“ jeweils eigenständige Sendungen mit eigenen Mitarbeitern: Das ermöglichte Identifikation und eine gesunde Konkurrenz unter den „ZiBs“: Jede der drei „ZiBs“ wollte die beste sein. Allerdings kostete das viel Geld. Mück: „Der ORF ist mit bis zu drei Kamerateams bei Veranstaltungen aufgetaucht, als wir das Geld dafür gar nicht mehr hatten.“ Mück setzte stattdessen Fachredaktionen – also die Ressorts Innenpolitik, Außenpolitik und Wirtschaft – ein, die nun alle „Zeit im Bild“-Sendungen mit Beiträgen beliefern. Leider sind das oft die immer gleichen. So kann es einem aufmerksamen Nachrichtenkonsumenten passieren, dass er in der „ZiB 3“ um Mitternacht einen Beitrag seit der 13-Uhr-Sendung fast unverändert zum fünften Mal sieht. Früher hatte die „ZiB 1“ die Aufgabe, umfassend über das Tagesgeschehen zu informieren, während die „ZiB 2“ Analyse und Interviews lieferte, zum Schluss rundete die „ZiB 3“ mit Debatten, Hintergrundinfos und auf ein jüngeres Aufbleiberpublikum zugeschnittenen Extrameldungen den Nachrichtenmix ab.

„Ein Blödsinn!“ Diese Buntheit wurde einer neuen Übersichtlichkeit geopfert – und, wie vielfach kritisiert wird, der einfacheren politischen Kontrolle. Natürlich sei es lästig für die Parteien, in drei Sendungen anrufen und bei drei Sendungsverantwortlichen die politischen Wünsche deponieren zu müssen. Das habe sich durch die Abschaffung der verschiedenen Verantwortlichen auf bequeme Weise erledigt – vor allem für die jetzige Regierung.

Und die rede, heißt es, in der derzeitigen ORF-Information viel mit. Es heißt, Mück stehe etwa in stetem Kontakt mit Wilhelm Molterer, er telefoniere allzu regelmäßig mit dem ÖVP-Klubobmann. Ein Vorwurf, auf den Mück erbost meint: „Ich sage Ihnen, es gibt von mir keine Auskunft, mit wem ich telefoniere.“ Während Molterer meint: „Ich telefoniere mit vielen Leuten“, er werde aber gewiss nicht darüber debattieren, mit wem (siehe Interview) Auf die Frage, ob er mit der ÖVP über das „ZiB“-Programm spreche, meint Mück, das sei „ein Blödsinn! Ich verhandle nicht mit Regierungsvertretern über die Inhalte der ‚ZiB‘. Sicher nicht!“
Genau darüber gibt es von innen und außen anders lautende Ansichten. Die „Zeit im Bild“ sei willfährig gegenüber der Regierung, berichte wenn möglich nicht über Konflikte und manchmal, wie im Fall Grasser, überhaupt erst mit mehrtägiger Verspätung. „Welchen Fall meinen Sie jetzt?“, meint Mück auf diesen Vorwurf durchaus zu Recht. Es könne nicht sein, dass „wenn irgendwo in einer Wochenendausgabe was steht, die ‚ZiB‘ sofort berichtet. Wir sind ja keine Abschreiberedaktion.“

Während manche diese Verstrickung von Politik und ORF demokratiepolitisch höchst bedenklich finden, sehen andere sie gelassener. Es sei doch immer schon interveniert worden, sagt etwa Holtzbrinck-Chef Grabner. Nicht mal SPÖ-Geschäftsführer Darabos streitet Interventionen der früheren SPÖ-Regierung ab. Allerdings sei die, meint Grabner, dabei „früher etwas subtiler und effizienter vorgegangen. Die jetzige Regierung geht da etwas rüder vor.“ Andere meinen dagegen, unter der SPÖ seien die Interventionen banaler beziehungsweise stärker darauf konzentriert gewesen, den jeweiligen Chef möglichst lange ins Bild zu rücken. Der jetzigen Regierung dagegen sei es angelegen, ein Weltbild zu transportieren, naturgemäß ein traditionelles, konservatives. Der ungeschminkte Interventionismus eines FPÖ-Klubobmanns Peter Westenthaler bleibt vermutlich ewig ungeschlagen.

Blümchenfernsehen. Wolfgang Zinggl, Stiftungsrat auf grünem Ticket, meint, die „Zeit im Bild“ sei „Blümchenfernsehen, das lustlos runtergedreht wird und in dem die gemütliche, heile österreichische Welt möglichst wenig angepatzt werden soll“. Es wird allerdings ein weiterer, nicht uninteressanter Einwurf kolportiert: Falls das Ausmaß der politischen Einflussnahme tatsächlich so massiv sei, müsse man doch mal ihren Erfolg hinterfragen – schließlich gehe es ja weder der Regierung noch der „Zeit im Bild“ besonders gut.

Aus der Redaktion hört man, es gebe nun wieder Anlass zu hoffen, dass sich zumindest das Zweite ändern werde: Redaktionssprecherin Danielle Spera sieht in der Wiedereinführung der Redaktionssitzung „ein positives Signal, um das wir seit Monaten gekämpft haben“ und das hoffentlich dazu führe, dass wieder „mehr Kreativität in das Produkt eingebracht wird“.
Das hoffen viele.