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Feuert die Feuerer

Feuert die Feuerer

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Diese Kolumne dient mit zwei Innovationsempfehlungen: erstens der Ideal-Architektur einer Diskussionsveranstaltung, zweitens der zeitgemäßen Ideal-Formel zur Bewertung von Wirtschaftsbossen. Als Förderer der Underdogs, Rächer der Enterbten und Tröster der Geschlagenen freue ich mich über jede Gelegenheit, Gutes über Beamte und Politiker zu schreiben. Oder über beide zugleich, wie in diesem Fall. Es ist angebracht, die Beamten des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vor den Vorhang zu holen, als erstklassige Exekutoren einer guten Idee ihres Ministers Wilhelm Molterer.

Es geht um einen Geistes-Event im Atrium des BMF, der besser geplant war als alle Veranstaltungen von privaten Unternehmern, die ich zuletzt als Moderator begleitete. Ausgerechnet eine so genannte „Tintenburg“ zeigte, wie es geht. Vielleicht aus Boshaftigkeit: um zu beweisen, dass man mit geringem Aufwand eine feine Leistung erbringen kann. Ich begeistere mich an der Struktur der BMF-Veranstaltung „Innovation – Schlagwort oder Zeichen der Zeit?“ im Rahmen der Reihe „Perspektive Österreich“, weil sie aus vier Gründen ein Vorbild für moderne Veranstalter ist. Erstens: die Dauer. Zwischen Begrüßung und Schlussgong lagen nur 75 Minuten, zirka die Hälfte des Üblichen. Dies gehorcht der Erfahrung, dass die körperlich, geistig und steuerlich ausgebrannten BürgerInnen am Abend maximal zwei Stunden des passiven Zuhörens ertragen, ehe sie
lethargisch zusammenbrechen. Das ist unabhängig von der Qualität des Gehörten. Man hat beobachtet, dass etwa bei Kultur-Diskussionen schon nach durchschnittlich 100 Minuten Gesundheitsschäden auftreten, darunter Amnesien und Todessehnsüchte, zusätzlich vertieft durch die schlechten Getränke danach. Das BMF bot 75 Minuten und österreichische Weltklasse-Weine. Vorbildlich. Zweitens: Verzicht des BMF auf eitles Beiwerk. Nur das Auditorium und die Podiums-Aktiven wurden begrüßt. Das ist keinesfalls üblich. Die von mir geschätzten Bundesländer-Events sind in diesem Punkt berüchtigt. Dort wird oft noch die Teilzeitsekretärin des stellvertretenden Bürgermeisters der Nachbargemeinde namentlich willkommen geheißen, was der Sache entschieden den Schwung nimmt. Drittens: Balance (I). Der schwarze hauseigene Finanzminis­ter Wilhelm Molterer wurde als Impulsgeber und Disku­-tant ausgependelt durch den roten deutschen Finanzminis­ter Peer Steinbrück. Und der österreichische Humangenetiker Markus Hengstschläger verzahnte sich trefflich mit Beatrice Weder di Mauro, der ersten Frau, die es in den deutschen Wirtschafts-„Weisenrat“ schaffte. Viertens: Balance (II). Eine Frau und drei Männer auf der Bühne könnte als Geschlechter-Ungerechtigkeit kritisiert werden. Theoretisch mit Recht, praktisch nicht. Es ist eine Renaissance. In den neunziger Jahren gab es zwar schon Veranstaltungen mit einer Verteilung eins zu eins, pro Mann eine Frau. Doch seit dem Millennium gab es wieder viele frauenlose Events. Die Veranstalter hatten sich trotzig dem „Quoten“- oder „Alibifrau“-Diktat entzogen. Das BMF bot eine Rückkorrektur und ging damit als Vorbild voran.

Das a priori Erfreulichste des BMF-Events war das Thema „Innovation“. Gemessen an seiner Bedeutung für den Wohlstand und damit den sozialen Frieden, kommt es zu selten vor. Die erstklassigen, polyglotten Diskutanten dieses Abends schliffen dem Kristall neue Flächen an, vor allem an den Makro-Schnittstellen von Wirtschaft-Wissenschaft-Politik. Mir trug das Zuhören eine neue Idee ein, wenngleich zur Innovation im engeren Sinn, an der Schnittstelle „Topmanager und Personalabbau“.

Folgende Ausgangslage: Viele Führungskräfte zerstören derzeit mit beispiellosem Zynismus die Vertrauensbasis zu ihren Mitarbeitern (die Wörter „Arbeitnehmer“ und „Belegschaft“ meide ich wegen ihres grotesk beleidigenden Charakters, was den Gewerkschaftsführern freilich nie auffiel). Rund um den Globus feuern sie ihre Mitarbeiter, getrieben von eigener Kopfgeld-Prämien-Gier und der Dividenden-Gier kurzatmig hechelnder Aktionäre. Herr Ackermann (Deutsche Bank) bleibt dafür das beste Bespiel. Unvergesslich, wie fröhlich er einen Rekordgewinn und die baldige Freisetzung von tausenden Mitarbeitern verkündete. Dumme Kapitalisten sehen in ihm einen Helden. Er und seinesgleichen sind keine. Sie sind nicht einmal gut. Zur Exzellenz fehlen ihnen exakt 50 Prozent. Ihr Sarkasmus raubt ihnen Sensibilität und Fantasie. Diese ­Eigenschaften braucht man aber für Innovationen, die veraltete Arbeitsplätze durch neue ersetzen. Den Eismännern selbst ist kaum ein Vorwurf zu machen. Sie sind halt so. Auch Rottweilern wirft man nicht vor, nicht singen zu können. Man darf sie nur nicht dort freilassen, wo sie Schaden anrichten können.

Diese Überlegung gibt den Weg zu einer neuen Formel frei, die einem ethisch orientierten „Kapitalismus mit dem menschlichen Antlitz“ gut anstünde. Denkschritte: Produktivitätsfortschritt (PF) und Innovationsfortschritt (IF) sind die zwei Brennpunkte der Ellipse „Erfolg“, gültig für einzelne Betriebe wie für die Volkswirtschaft. PF ist ökonomisch existenznotwendig und gefährdet alte Arbeitsplätze (AP), IF schafft neue. Fazit: Wir sollten nur jene Unternehmer und Top-Manager achten, deren sozialer Erfolgsfaktor AP = f(IF) gleich hoch oder höher ist als AP = f(PF). Diese Formel wird Verfeinerung brauchen. Doch schon als Idee würde sie uns von jenen Simpeln befreien, die von Irre­geleiteten als cost-killers bejubelt und beschenkt werden.