Finanzmarktaufsicht erhält mehr Macht

Finanzmarktaufsicht: Sheriffs für die Börse

Börse-Sheriffs: Mehr Rechte und härtere Strafen

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Der Geburtstag wurde reichlich unspektakulär begangen. Kein Fest, keine knallenden Sektkorken, keine Glückwünsche.

Vergangene Woche wurde die Finanzmarktaufsicht (FMA) zwei Jahre alt. Am 1. April 2002 hatte die Aufsichtsbehörde für Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Börse ihre operative Tätigkeit aufgenommen. Zwei Jahre, in denen die junge Behörde ordentlich gewachsen ist: Die einst in vier Bereiche zersplitterte Aufsicht wurde unter einem Dach vereint, mittlerweile kontrollieren rund 180 Mitarbeiter den österreichischen Finanzmarkt.

Gefeiert wurde trotzdem nicht – und dennoch gibt es für die FMA-Chefs Andreas Grünbichler und Kurt Pribil ein großes Geschenk. Überreicht von Justizminister Dieter Böhmdorfer: Die Aufsichtsbehörde soll schon bald deutlich mehr Befugnisse im Kampf gegen Mauscheleien und Malversationen am Finanzplatz Österreich erhalten. Vor wenigen Tagen wurde eine entsprechende Novelle des Börsegesetzes in Begutachtung geschickt. Böhmdorfer erwartet, dass sein Gesetzesvorschlag im Herbst in Kraft treten wird.

Höhere Strafen. Unter anderem will Böhmdorfer das Strafausmaß für Insidergeschäfte (das Ausnutzen nicht öffentlicher Informationen für Aktientransaktionen) auf bis zu zehn Jahre ausweiten. Dieser Strafrahmen soll dann gelten, wenn der Insider aufgrund seiner inkriminierten Transaktionen mehr als 40.000 Euro lukriert hat. Bisher war eine maximale Haftstrafe von zwei Jahren möglich.

Damit es überhaupt so weit kommt, wird der FMA ein größerer Handlungsspielraum zugestanden. Zunächst sollen die Ermittlungen der Behörde insofern erleichtert werden, als es ihr gestattet werden soll, vor Ort Einblick in interne Unterlagen von börsenotierten Unternehmen zu nehmen. Böhmdorfer: „Die FMA darf zwar nicht, wie bei Hausdurchsuchungen, Unterlagen beschlagnahmen, aber die Ermittlungen dürfen an Ort und Stelle durchgeführt werden.“ FMA-Vorstand Kurt Pribil zeigt sich über die Pläne des Justizministers naturgemäß höchst erfreut: „Das wird die Ermittlungen sehr erleichtern. Denn das Schwierigste bei Insideruntersuchungen ist meist, nachzuweisen, dass der Verdächtige die vertrauliche, kursrelevante Information zum Zeitpunkt des Deals hatte.“

Pribil und dessen Kollege Grünbichler hatten schon lange eine Ausweitung ihrer Befugnisse gefordert. Denn während die Aufsicht von Banken, Versicherungen und Pensionskassen wie am Schnürchen läuft, wurden gerade im sensiblen Bereich der Kontrolle von Wertpapiertransaktionen zuletzt mehrfach Defizite offenbar. Vor allem bei ihrem Kampf gegen Insidervergehen mussten Grünbichler und Pribil immer öfter zur Kenntnis nehmen, dass ihre Behörde nur über sehr stumpfe Waffen verfügt. Eine Ansicht, die auch Richard Schenz, Kapitalmarktbeauftragter der Regierung, vertritt: „Die FMA ist sehr aktiv und arbeitet sehr gut. Den Vorwurf, zahnlos zu sein, kann man ihr nicht machen. Sie hatte bislang einfach zu wenig Befugnisse.“

Aufsicht und Kontrolle des Wertpapierhandels erfordern neben Spürsinn vor allem Akribie und modernste technische Ausstattung. Die FMA ist per Computer direkt mit der Wiener Börse vernetzt und registriert sämtliche Kurs- und Umsatzbewegungen der in Wien gehandelten Aktien. Kommt es zu Abweichungen von den Durchschnittswerten, wird das vom FMA-Computersystem sofort registriert, und ein Mitarbeiter geht der Sache nach. Rund 3500 solcher „Alarmmeldungen“ gibt es pro Jahr. In jedem dieser Fälle prüft die FMA dann, ob es plausible Gründe für die außergewöhnlichen Kursbewegungen gibt.

Kontenöffnung. Ist das nicht der Fall, wird weiter recherchiert: Die Bank, über welche die Transaktion gelaufen ist, wird aufgefordert, den Auftraggeber zu nennen und das dazugehörige Wertpapierdepot offen zu legen. Dann wird eruiert, ob die betreffende Person in einer Beziehung zum jeweiligen börsenotierten Unternehmen steht, möglicherweise also Insiderinformationen illegal für den Kauf oder Verkauf von Aktien genutzt hat. Wobei die unternehmensinternen Informationsflüsse bislang bloß telefonisch – und nicht vor Ort – eruiert werden konnten.

Dreimal hat die FMA bisher Insiderfälle zur Anzeige gebracht – doch bloß einmal ist es in der Folge auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen (siehe „Strafbare Informationen“). „Für uns ist das natürlich einigermaßen frustrierend“, räumt FMA-Vorstand Andreas Grünbichler ein. Zumal der Behörde im Gerichtsverfahren stets die Hände gebunden waren.

Doch auch das soll mit der bevorstehenden Gesetzesnovelle anders werden. „Die FMA wird in Gerichtsverfahren die Stellung eines Privatbeteiligten erhalten“, erläutert Justizminister Böhmdorfer. „Sie ist also quasi Vertreter des geschädigten Kapitalmarktes.“ Die Aufsichtsbehörde wird somit Parteienstellung haben. Sie wird ein Äußerungsrecht, ein Beweisantragsrecht sowie ein Rechtsmittelrecht erhalten. Soll ein Verfahren beispielsweise eingestellt werden, weil die Staatsanwaltschaft keinen strafbaren Tatbestand erfüllt sieht, kann die FMA, beurteilt sie die Sachlage anders, als Subsidiarkläger anstelle des Staatsanwaltes auftreten und für die Fortführung des Verfahrens sorgen.

„Die Finanzmarktaufsicht sollte die Staatsanwaltschaft unterstützen dürfen“, meint denn auch Richard Schenz in seiner Funktion als Kapitalmarktbeauftragter. Eine sehr höfliche Formulierung dafür, dass Richter und Staatsanwälte in der Vergangenheit bisweilen den Eindruck erweckten, mit der komplexen Materie der Kapitalmarktregeln überfordert zu sein. So war einst – vor der Etablierung der FMA – ein Generaldirektor samt Ehefrau angezeigt worden, weil sie Aktien des börsenotierten Unternehmens erworben hatten, das vom Ehemann geleitet wurde – und zwar bevor die Öffentlichkeit von einer kursrelevanten Nachricht informiert wurde. Gegenüber dem Staatsanwalt sagte der Angezeigte aus, sein Sparkassenberater hätte ihm das Investment empfohlen. Der Staatsanwalt glaubte ihm.

Überfordert. Auch der Freispruch eines Angeklagten, dem vorgeworfen worden war, Insiderhandel mit Aktien des Telekomanbieters Cybertron begangen zu haben, deutet auf eine gewisse Überforderung der Gerichte. FMA-Vorstand Pribil: „Da sind Fehler passiert.“

Böhmdorfer will solche Fehler nun ausmerzen, indem die FMA Parteienstellung erhalten soll. Zudem ist, wie in Deutschland, die Schaffung einer so genannten Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft geplant. „Um die Sache professioneller handhaben zu können“, kündigt der Justizminister an, dass „alle Insiderverfahren künftig an die Staatsanwaltschaft in Wien gehen“. Unabhängig vom Tatort des Vergehens.
Bei der Wertpapieraufsicht wird die FMA also – dank der Machtausweitung per Gesetz – wohl einen Zahn zulegen. Dass sie ihre Möglichkeiten durchaus zu nutzen bereit ist, hat sie schon in der Vergangenheit bewiesen. Vornehme Zurückhaltung kann ihr jedenfalls nicht nachgesagt werden.

So ist es der FMA – im Gegensatz zu den Aufsichtsbehörden anno dazumal – ausdrücklich gestattet, öffentlich vor Finanzdienstleistern zu warnen. Bereits mehrfach kannte die FMA kein Pardon: Im Oktober 2003 wurde vor Geldanlagegeschäften mit einem Unternehmen namens Cambridge Global gewarnt, weil gegen das Unternehmen in Schweden, Großbritannien, Irland und den Niederlanden Verfahren wegen mutmaßlichem Anlagebetrugs laufen.
Wenige Wochen später wurde ein Finanzdienstleister namens First Net Finance Ltd. mit Sitz in London auf die schwarze Liste der FMA gesetzt. Das Unternehmen hatte günstige Kredite gegen den Abschluss einer Lebensversicherung versprochen, die Prämien kassiert – und dann behauptet, das Geld sei verschwunden. Und schließlich wurde vor der Austrian Trader AG gewarnt, die ohne Konzession Finanzdienstleistungen im Internet angeboten hat. Auch den Vertrieb der so genannten Supergau-Crazy-Card, mit der eine teilweise Rückerstattung von Radar- und Parkstrafen versprochen wurde, untersagt die FMA – wegen fehlender Versicherungskonzession des Anbieters.

Und weil es ebenso zu den Aufgaben der FMA gehört, im Rahmen der Bankenaufsicht danach zu trachten, dass im Bankwesen alles seine Ordnung hat, schaltete sich die Behörde Anfang Jänner auch gleich im Parmalat-Skandal ein. Vorstand Grünbichler: „Es gab damals unglaublich viele Gerüchte über die Auswirkungen auf Österreich.“ Also entschloss sich die FMA, das Gesamtobligo aller 16 betroffenen Banken zu veröffentlichen.
Das war beispiellos. Die Banken sollen mäßig erfreut gewesen sein.