Die EU forciert Verbot der Glühbirne

Forciertes Glühbirnenverbot freut Industrie: Ökologischer Effekt und Nutzen ist fraglich

Der ökologische Effekt und Nutzen ist fraglich

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Glühlampen sind gemäß ihrem Wirkprinzip eher Heizgeräte. Nur drei bis fünf Prozent der investierten Energie wandeln sie – quasi als Nebenprodukt – in Licht um. Bei gleicher Helligkeit benötigen gute Energiesparlampen nur ein Fünftel des elektrischen Stroms. Nun droht der mehr als 100 Jahre alten Technologie das Ende. Eine im Dezember verabschiedete EU-Richtlinie setzt Mindestanforderungen für die Haushaltsbeleuchtung fest. Demnach dürfen ab September dieses Jahres keine 100-Watt-Birnen mehr verkauft werden. 75- und 60-Watt-Modelle folgen im Jahresrhythmus, bis 2012 endgültig keine herkömmlichen Glühbirnen mehr im Handel erhältlich sein sollen.

Als „Meilenstein in unserem gemein­samen Bemühen, die Umstellung auf energieeffiziente Beleuchtungen zu beschleunigen“, begrüßte jüngst Rudy Provoost, Chef des niederländischen Konzerns Philips Lighting, die EU-Pläne. Und sein schärfster Konkurrent, Martin Goetzeler, Vorstandschef der Siemens-Tochter Osram, ergänzte, das sei „eine gute Nachricht für Verbraucher und Klimaschutz“. Tatsächlich ist der neue EU-Kurs in erster Linie eine gute Nachricht für die beiden Konzerne, die bei Energiesparlampen Weltmarktführer sind. Der Großteil der im Vorjahr in Europa verkauften 1,8 Milliarden Glühbirnen wird jedoch von Billigproduzenten hergestellt und vielfach zu Dumpingpreisen in den Supermärkten verkauft. Hier besteht also ein riesiges Verdrängungspotenzial. Und so wird der plötzliche Abschied von der Glühlampe in der Branche eher als Marketingerfolg der Licht-Lobby denn als umsichtige Maßnahme für Umweltschutz und Weltklima angesehen. „Die EU kurbelt hier die eigene Industrie an“, kritisiert der Wiener Lichttechniker Nikolaus Thiemann, Leiter des Arbeitskreises öffentlicher Beleuchtung für Österreich. Das Verbot hält er für schlecht, „weil alle Lampentypen Vor- und Nachteile haben“.

Farbecht. Ein wesentlicher Unterschied liegt im Farbspektrum. Glühbirnen erzeugen Licht als Temperaturstrahler und funktionieren damit nach demselben Prinzip wie eine Kerze oder die Sonne. Dieses Licht enthält die gesamte Farbpalette und ermöglicht damit auch in Innenräumen farbechtes Sehen. Energiesparlampen dagegen gehören zu den Gasentladungslampen. Um ultraviolette Strahlen in sichtbares Licht umzuwandeln, muss die Innenseite der Röhren mit einer dünnen Schicht aus Quecksilber ausgekleidet werden. Das unregelmäßige Spektrum zeigt Spitzen im Bereich der Hauptfarben, vor allem beim bläulichen, als „kalt“ empfundenen Licht. „Der Energiespareffekt ergibt sich daraus, dass die Zwischen-Längenwellen nicht erzeugt werden“, erklärt Thiemann. „Allerdings kann es in der Folge passieren, dass man eine graue Hose passend zum Sakko anzieht, und draußen bei Tageslicht entpuppt sich die Hose dann als blau.“

Auch Osram-Sprecher Lars Stühlen konzediert: „Wer darauf Wert legt, das diffizile Farbenspiel eines edlen Rotweins zu beobachten, muss künftig eben eine Halogenleuchte installieren.“ Problem sei das keines, „man muss nur etwas mehr überlegen bei der Lichtgestaltung“. Halogenlampen sind Temperaturstrahler, die über einen Gas- und Metallzusatz einen besseren Wirkungsgrad als Glühbirnen erreichen. Auch hier sind ab 2016 bestimmte Mindestnormen vorgeschrieben. Gänzlich unreguliert bleibt bislang hingegen die Entsorgung der ausgebrannten Energiesparlampen. Sie enthalten Quecksilber und andere giftige Subs­tanzen und gelten deshalb als Sondermüll, der bei speziellen Sammelstellen abgegeben werden muss.

In der Realität landen jedoch vier von fünf Lampen im Hausmüll, weil entweder die Problematik nicht bekannt oder der Weg zum Entsorger zu umständlich ist. Ein Pfandsystem haben die Behörden bislang ebenso wenig für notwendig erachtet wie den verpflichtenden Hinweis auf der Packung, dass die Lampe Quecksilber enthält – und falls das Glas kaputtgeht und das Metall verdampft, die Wohnung mindestens 15 Minuten gut gelüftet werden sollte.

Markenhersteller bleiben mittlerweile in der Produktion mit 1,5 Milligramm Quecksilber unter dem EU-Limit von fünf Milligramm. Bei Stichproben-Tests chinesischer Billigware wurden hingegen schon deutlich höhere Werte festgestellt. Diese No-Name-Produkte werden teils zu Dumpingpreisen von einem Euro angeboten. „Da haben wir schon ziemliche Überraschungen erlebt“, sagt Thiemann. Einige Modelle entwickelten eine derartige Störfrequenz, dass im Umkreis der Lampe andere elek­tronische Geräte, wie etwa Handys, nicht mehr funktionierten.

Tatsächlich tragen Energiesparlampen zum „Elektrosmog“ im Haushalt bei, weil jede Lampe ein elektronisches Vorschaltgerät besitzt. Damit wird zum einen die Gasentladung angeregt, zum anderen eine gleichmäßige Spannung aufrechterhalten. Deshalb kann es – je nach Modell – einige Zeit dauern, bis die Lampe ihr Leuchtmaximum erreicht. Dieser Vorschaltmechanismus steht allerdings im Widerspruch zu einem stufenlosen Dimmer, weil die Gasentladung bei zu geringer Spannung zusammenbricht. Zwar haben die großen Anbieter dieses Problem mittlerweile technisch weitgehend lösen können, dimmbare Energiesparlampen haben jedoch ihren Preis und kommen auf rund 30 Euro pro Stück.

UV-Licht. Ein weiteres Problem von chinesischen Billigimporten sei der oft ungenügende UV-Filter, warnt der auf Lichtschäden spezialisierte Augenarzt Peter Heilig von der Wiener Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie. „Um zu vermeiden, dass sie eine zu hohe UV-Dosis abkriegen, sollten Kleinkinder deshalb nicht unmittelbar neben einer Leuchtstoffröhre sitzen“. Bedenken, dass das eher bläuliche Licht der Energiesparlampen einen negativen Einfluss auf den Hormonhaushalt des Menschen ausübt, teilt Heilig nicht. „Die Lichtrezeptoren in der Netzhaut sind tatsächlich mit hormonellen Zentren im Gehirn verkoppelt, sie werden jedoch nicht nur vom blauen Licht allein beeinflusst.“ In den Medien verbreitete Warnungen mancher „Lichtbiologen“, dass damit das Risiko für Brust- oder Prostatakrebs ansteigen könnte, entbehren laut Heilig jeglicher wissenschaftlichen Basis. Deutlich problematischer sei hingegen der vermehrte Einsatz von „blauweißem stechendem Licht“ bei Xenon-Gasentladungslampen in Autoscheinwerfern. Dies führe bei Personen mit empfindlicher Netzhaut häufig zu einer Art Lichtschock. „Speziell im höheren Alter braucht die Netzhaut immer länger, um sich von einem derartigen Schock zu erholen“, warnt Heilig. „Das heißt, es gibt eine Phase, in welcher der alte Herr sprichwörtlich im schwarzen Loch fährt.“

LED-Revolution. Einig sind sich die meisten Lichtexperten, dass die fernere Zukunft weder den Gasentladungslampen noch den Halogenstrahlern, sondern der Leuchtdioden-Technologie (LED) gehört. Bei kleineren Anwendungen wie der Beleuchtung von Handys, bei Taschenlampen oder Kfz-Rücklichtern haben LEDs die Konkurrenz bereits hinter sich gelassen. Nun kommen die ersten LED-Glühbirnen auf den Markt, Bürokomplexe werden vollständig damit beleuchtet, und auch in der Gebäude- und Straßenbeleuchtung gibt es viel versprechende Pilotprojekte. „Daneben ist von Zimmerlicht, das sich automatisch der Tageszeit anpasst, bis zu leuch­tender Kleidung nahezu jede Anwendung denkbar“, sagt Philips-Österreich-Sprecherin Ingun Metelko.

Die auf Niedervolt-Basis betriebenen LEDs entwickeln zudem keine UV-Strahlung, kaum Abwärme und benötigen kein Quecksilber. Ihre Lebensdauer ist mit bis zu 50.000 Betriebsstunden konkurrenzlos, und auch der Wirkungsgrad bei der Energieeffizienz verdoppelt sich etwa alle zwei Jahre. „Eigentlich“, sagt Lichttechniker Nikolaus Thiemann, „wäre es wesentlich vernünftiger gewesen, mit dem Verbot der Glühlampen zuzuwarten, bis die LEDs vollständig ausgereift sind, und dann gleich auf diese neue Technologie umzusteigen.“ Das hätte allerdings bedeutet, dass den Herstellern der Energiesparlampen ein Milliardengeschäft versagt geblieben wäre.

Von Bert Ehgartner