FPÖ: Explosive Mischung

Zwei ehemalige Linke im FPÖ-EU-Wahlkampf

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Kein Grund zum Jubel, befindet der Obmann des Kärntner Heimatdienstes anlässlich des EU-Beitritts Sloweniens auf Seite 7. Auf Seite 3 räsoniert der Autor, Arzt und Astrologe Heinz Fidelsberger über Adolf Hitlers pazifistische Seite („In vielfältiger Weise wurde mit den Nachbarstaaten eine echte Friedenspolitik durchgeführt“). Und auf Seite 27 macht sich ein Anonymus über „Fernsehsprecher“ in der Politik her: „Denken wir auch an den freiheitlichen Europaabgeordneten Hans Kronberger, der seinen – bescheidenen – Bekanntheitsgrad als Assistent einer Bürgerservicesendung im Fernsehen erwarb.“

All das und noch viel mehr gab es vergangene Woche in der nationalkonservativen Druckschrift „Zur Zeit“ zu lesen. Herausgeber und Chefredakteur: Andreas Mölzer, seit Montag vergangener Woche Nummer drei auf der FPÖ-Liste für die Europawahlen. Angeführt wird diese von Hans Kronberger, der seinen „bescheidenen Bekanntheitsgrad“ nun – zu Mölzers Leidwesen – als Spitzenkandidat erhöhen darf.
Die Wiener FPÖ – unterstützt von den blauen Seniorenvertretern – hätte lieber Andreas Mölzer als Listenführer gesehen. Auch die Kärntner hatten dies ursprünglich vor. Aber Jörg Haider stieg auf die Bremse: Der rechte Bürgerschreck als Frontmann – das war dann doch zu wenig Wechselwähler-freundlich. Zur Stammwählermobilisierung sei auch Platz drei gut genug.

Auf Platz zwei wurde der Anwalt Franz Großmann gesetzt. Ende der achtziger Jahre war er Kärntner SPÖ-Landesparteisekretär gewesen, später trat er als roter Rebell in Erscheinung. Ideologisch eher ein linksliberaler Freigeist, fand er Spaß daran, seine Genossen zu ärgern. Vorläufiger Höhepunkt seines persönlichen Rachefeldzuges gegen Ambrozy & Co: die Wahlempfehlung für Jörg Haider im Februar – und nun die FPÖ-Kandidatur.

„Großmann ist nicht von vornherein illoyal“, sagt Melitta Trunk (SPÖ), „aber er war halt immer auf der Suche nach Zuwendung.“ Von Jörg Haider bekam er sie.
Wie Großmann hat auch Hans Kronberger (Porträt Seite 28) von links aus den Marsch durch die Institutionen angetreten.

Steirerbuam. Die einzige Gemeinsamkeit dieser so unterschiedlichen Polit-Charaktere: Alle drei, Kronberger, Großmann und Mölzer, stammen aus der Steiermark.

Erreicht die FPÖ am 13. Juni allerdings nur das letzte Nationalratswahlergebnis (zehn Prozent), wackelt sogar das zweite EU-Mandat. Franz Großmann könnte sich dann wenigstens die Reisestrapazen ersparen: Er leidet nämlich an Flugangst.

Die blaue Basis ist von der EU-Liste wenig angetan: auf Platz eins ein Parteifreier (Kronberger), auf Platz zwei ein ehemaliger Roter (Großmann), auf Platz drei ein Publizist (Mölzer), erst auf Platz vier mit Heike Trammer der erste aktive FPÖ-Politiker. Sogar das FPÖ-Organ „Kärntner Nachrichten“ motzte über die FPÖ-Kandidatur Großmanns: Das sei so, als würde die SPÖ Gernot Rumpold aufstellen.

Die Begeisterung in der FPÖ-Regierungsriege hält sich ebenso in Grenzen. „Jetzt kann das nationale Lager zeigen, was es noch draufhat“, ätzt ein hochrangiger Funktionär. „Wenn sie es geschafft haben, Mölzer auf die Liste zu setzen, werden sie wohl auch Stimmen bringen.“

Lange war die FPÖ auf der Suche nach einem Quereinsteiger gewesen, einem Teflonkandidaten, an dem das Spesenthema abtropft: Gerhard Hirschmann wurde gefragt, auch Franz Fiedler, nicht jedoch Hans-Peter Martin. „Wir hätten uns schon ein neues Gesicht gewünscht“, meint Club-Jörg-Gründer Harald Fischl. „Aber Kronberger ist immerhin ein solider Arbeiter.“

Die bisherige blaue EU-Delegationsleiterin sollte – entgegen dem Wunsch von Parteichef Herbert Haupt – nur mehr einen hinteren Listenplatz zugewiesen bekommen. Daniela Raschhofer, Anti-Knittelfelderin und in Brüssel zur Pro-Europäerin mutiert, verzichtete. „Ich brauche jetzt einmal eine Auszeit“, sagt sie desillusioniert. „Und dann mache ich mein Politikwissenschaftsstudium fertig.“

Im vorige Woche erschienenen Buch „Der Jörg-Haider-Faktor und das Ende der Blauen“ rollt ORF-Redakteur Berndt Ender übrigens eines der entscheidenden Kapitel von Knittelfeld neu auf: Jörg Haider habe Kurt Scheuch damals angewiesen, das zwischen ihm und Susanne Riess-Passer ausgehandelte Kompromisspapier am Podium zu „zerreißen“. Haider meinte allerdings den Inhalt. Scheuch zerfetzte die Zettel. Ein skurriles Missverständnis besiegelte das Aus für Schwarz-Blau I.

Im Hintergrund wird derweil eifrig an einem Haider-Comeback gebastelt. Am 28. April hatte die „Zeit im Bild“ berichtet, dass FPÖ-Funktionäre Jörg Haider die Obmannschaft angeboten hätten, was dieser abgelehnt habe. Haider nannte die Meldung eine „reine Erfindung“. Der ORF wies dies scharf zurück. Die „ZiB“-Leute hatten sogar Gesprächsprotokolle angefertigt. Chefredakteur Werner Mück, von seinen Mitarbeitern mehr gefürchtet als geliebt, avancierte kurzzeitig gar zum Sympathieträger. Er nahm seine Truppe vor FPÖ-Beschwerdeführern massiv in Schutz. „Da ist er richtig laut geworden“, zollt ein Redakteur Respekt.

Parteitag. Der jüngste Versuch, Haider an die FPÖ-Spitze zu hieven, war am 24. April am oberösterreichischen Landesparteitag unternommen worden. Die früheren Abgeordneten Anna-Elisabeth Achatz und Karl Wimleitner stellten einen Antrag, um Jörg Haider wieder als Parteichef „zu installieren“ – zum Entsetzen der anwesenden FPÖ-Troika Herbert Haupt, Hubert Gorbach und Ursula Haubner. Mit Jörg Haider an der Spitze, so Achatz, stünde der blaue Porsche wieder in der ersten Reihe.

Doch dieser muss vorerst in der Kärntner Garage bleiben. „Mein Antrag wurde abgewürgt, das habe ich nicht verstanden“, klagt Anna-Elisabeth Achatz. „Aber das wird nicht mein letzter Versuch gewesen sein.“

Andreas Mölzer hält eine Haider-Rückkehr gar nicht für nötig: „Seine Politik in der FPÖ ist so dominant, dass sich die formale Obmannfrage für ihn nicht stellt.“

Auch Harald Fischls Club Jörg – dieser zählt mittlerweile 7500 Mitglieder – wird nachgesagt, Haider zum Comeback bewegen zu wollen. „Wahlen kann man nur mit Haider gewinnen“, glaubt Fischl. Allerdings müsse man es respektieren, wenn dieser sich nur um Kärnten kümmern wolle.

Ebendort ist gerade der blau-rote Honeymoon vorbei: Das Engagement Franz Großmanns als EU-Kandidat wird in der Landes-SPÖ als Affront empfunden, jenes von Mölzer als Zumutung. Haider selbst ist nach wie vor voll des Lobes für den Chianti-Pakt: Man glaube gar nicht, wie viele Genossen ihm täglich zu Rot-Blau gratulieren und dies auch im Bund wünschen.

Im fernen Wien sieht man das freilich etwas anders: Beim SPÖ-Defilee am 1. Mai trugen linke Veteranen wie Silvio Lehmann (Republikanischer Klub) oder Kanzlersohn Peter Kreisky dieses Jahr Anti-Rot-Blau-Buttons am Revers. Lehmann: „Vorsicht ist geboten. Das Spargelessen jährt sich dieser Tage zum ersten Mal.“