NS-Verbotsgesetz: Geschichtsbildstörung

FPÖ: Geschichtsbildstörungen

FPÖ-Politiker machen sich für Abschaffung stark

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Christian Bertel, emeritierter Strafrechtsprofessor aus Innsbruck, war unangenehm berührt, als vor 14 Tagen der freiheitliche Europapolitiker Andreas Mölzer bei ihm zu Hause anrief, um ihm Kritisches zum Verbotsgesetz zu entlocken. Bertel wusste nicht, dass er schon in einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ vom Sommer 2007 als Kronzeuge gegen das NS-Verbotsgesetz zitiert worden war und dass sich Kreise um den Neonazi-Anwalt Herbert Schaller neuerdings gern auf ihn berufen.

Vor zwölf Jahren hatte Bertel in einer Festschrift angeregt, den Tatbestand der nationalsozialistischen Wiederbetätigung genauer zu definieren, enger zu fassen und „Lausbuben, die Hakenkreuze schmieren, nicht nach dem NS-Verbotsgesetz anzuklagen“.

„Ich bin keineswegs für die Abschaffung des Verbotsgesetzes, schon gar nicht im Hinblick darauf, dass beide Großparteien mit Rechtsextremen liebäugeln, um dort ein paar Stimmen zu fangen“, erklärt Bertel gegenüber profil.

In den vergangenen Jahren hatten sich – naturgemäß – vor allem rechtsextreme Organisationen oder Einzelpersonen, die selbst schon einmal nach dem NS-Verbotsgesetz angeklagt worden waren, für dessen Abschaffung starkgemacht. Nun bekommen sie Unterstützung von FPÖ-Politikern. Die stellvertretende FPÖ-Chefin Barbara Rosenkranz hält das NS-Verbotsgesetz für „verfassungswidrig“ (profil 45/07). Heinz-Christian Strache will eine „sehr offene Debatte“ zu dieser Frage führen. Die steirische FPÖ-Spitzenkandidatin für die Grazer Gemeinderatswahl, Susanne Winter, erhofft sich von der Forderung nach Abschaffung den „Anstoß zu einer Diskussion“.

Winter verfasst freilich selbst gelegentlich Beiträge für eine unverhohlen antisemitische, schon einmal mit dem NS-Verbotsgesetz in Konflikt geratene Publikation, die der berüchtigte Rechtsextremist Walter Ochensberger herausgibt. „Warum sollte ich nicht auch dort meine Meinung nach außen tragen?“, sagt Winter. Was die FPÖ-Politikerin von der so genannten „Auschwitzlüge“ hält, will sie der Öffentlichkeit nicht verraten: „Mein Geschichtsbild ist meine Privatsache.“

Ein konkreter Novellierungsvorschlag zur Entschärfung des Verbotsgesetzes ist im FPÖ-Vorstand nicht bekannt. Es scheint der FPÖ eher darum zu gehen, das Rechts-außen-Milieu bei der Stange zu halten.

Dabei hatte die alte FPÖ unter Klubobmann Norbert Gugerbauer das derzeit geltende Verbotsgesetz noch mitbeschlossen. Im Jahr 1992 war das alte Verbotsgesetz aus dem Jahr 1947 novelliert worden. Man hatte im Nationalrat einstimmig die Strafsätze verringert und den Paragrafen der Verharmlosung und Leugnung des Holocaust neu eingeführt. Das war notwendig geworden, weil plötzlich massenhaft Flugblätter und Broschüren auftauchten, in denen dubiose Ingenieure auf Basis dubioser Gutachten behaupteten, in Auschwitz habe es keine Gaskammern gegeben. Der verstorbene Simon Wiesenthal beklagte damals, es sei ein Fehler gewesen, die „Gaskammernleugner eine Zeit lang nobel zu ignorieren, weil sie uns so absurd erschienen“.

Vor der Novelle 1992 gab es einige spektakuläre Freisprüche nach dem NS-Verbotsgesetz. Die Angeklagten redeten sich darauf hinaus, sie hätten keineswegs NS-Propaganda im Sinn, sie wollten nur wissenschaftliche Erkenntnisse zur Diskussion stellen. Die Geschworenen wiederum sprachen die Angeklagten häufig frei, weil die Strafsätze unverhältnismäßig hoch waren.

Geschützter Stammtisch. Die Novelle 1992 hatte dies berücksichtigt. Doch auch damals gab es Kritik. Von Juristen wie Bertel kam der Einwand, der Vorsatz der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn sei zu allgemein gefasst. Die Grünen, aber auch die Israelitische Kultusgemeinde kritisierten, dass der Stammtisch von der Holocaust-Leugnung explizit ausgenommen wurde. Strafbar ist die Verharmlosung des Holocaust nämlich nur in einer größeren Öffentlichkeit. Neonazi-Anwalt Schaller hat kürzlich hämisch darauf verwiesen.

Tatsächlich wurden Verfahren nach dem NS-Verbotsgesetz auch nach der Novelle eingestellt, weil Ungeheuerliches nur am Wirtshaustisch gesagt worden war und das Gesagte als „ortsüblich“ charakterisiert wurde. Im zitierten Fall handelte es sich um ein Dorf auf der Kärntner Pack.

Man könne das Verbotsgesetz irgendwann einmal sicher abschaffen, sagt die Leiterin des Dokumentationszentrums des Österreichischen Widerstands (DÖW), Brigitte Bailer-Galanda: „In dem Moment, in dem es keine politische Bewegung mehr gibt, die versucht, über die Glorifizierung und den Geist des Nationalsozialismus Bedeutung zu gewinnen.“ Täterländer wie Österreich und Deutschland hätten dabei eine besondere Verantwortung. Man sei dies auch den Opfern des Nationalsozialismus und deren Nachkommen schuldig. „Die Leugnung von Gaskammern ist keine Meinung, sondern politische Absicht“, sagt Bailer-Galanda.

Auch der vermeintliche Kronzeuge, der Strafrechtsexperte Bertel, glaubt, dass man das Verbotsgesetz noch eine Weile brauchen wird. „Für durchaus gefährlich“ hält Bertel Bewegungen, die nationalsozialistische Ideen wie deutschen Nationalismus, Minderheitenfeindlichkeit, Geringschätzung der Verfassung und des Rechtsstaates hochhalten.

„Die Nichtumsetzung des Ortstafelerkenntnisses in Kärnten“ sei übrigens auch „eine Geringschätzung der Verfassung“, sagt Bertel.

Von Christa Zöchling