Franz Prenner: „Ein Pianist im Bordell“

Der ATV-Chef über die Kunst des Krachmachens

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profil: Mit der Bawag haben Sie einen Miteigentümer, der für den größten Finanzskandal der Zweiten Republik verantwortlich ist. Wie schlecht schläft man da als Senderchef?
Franz Prenner: Im Tagesgeschäft hat uns das überhaupt nicht tangiert. Für dieses Jahr ist die Ausfinanzierung ja vom Aufsichtsrat längst beschlossen worden. Das Geld ist schon geflossen. Das sind ja außerdem für eine Bank vergleichsweise minimale Beträge.
profil: Bislang sind die Bemühungen seitens der Bawag, den ATV-Anteil von 43 Prozent zu verkaufen, ohne Ergebnis verlaufen. Sowohl die RTL-Gruppe als auch Sat.1 sowie der französische Sender TW 1 sind wieder abgesprungen.
Prenner: Mir wäre es natürlich sehr recht, Teil einer starken Medienfamilie zu sein. Herbert Kloiber hat von Bawag-Generaldirektor Ewald Nowotny ein Mandat bekommen, sich bis Jahresende nach Möglichkeiten umzusehen.
profil: Viel wird die Bawag für ihre Anteile nicht bekommen. Wird Kloiber sie selbst kaufen?
Prenner: Ich kenne die detaillierten Geschäftsbeziehungen zwischen Kloiber und der Bawag nicht. Aber die gehen sicher über eine bloße Beteiligung hinaus. Der Sender hat heute, zwei Jahre vor dem Break-even, einen Wert, der über hundert Millionen Euro liegt. Aber über halb gelegte Eier redet Kloiber mit mir nicht. Ich glaube fest, dass sich da in den nächsten Monaten was tun wird.
profil: Inwiefern wird auch ATV zur Zielscheibe von politischen Interventionen seitens der Machthaber?
Prenner: Ich schwöre es auf die Bibel: Bei mir hat noch kein Politiker angerufen.
profil: Aber auch nur, weil Peter Westenthaler nicht zu Ihnen durchgestellt worden ist.
Prenner: Nein, auf die Bibel: Der hat nie angerufen.
profil: Das könnte auch den Grund haben, dass ATV den Politikern schlichtweg zu unbedeutend ist.
Prenner: Ich fürchte, dass das der Grund ist. Leider haben Österreichs Politiker noch nicht die Kraft und die Bedeutung unserer News erkannt. Alles, was diesseits der „ZiB“ und der damit verbundenen Million an Zuschauern liegt, registrieren die nicht. Wir sind natürlich boulevardesker, das ist unser gutes Recht.
profil: ATV wird, wie Befragungen ergeben, im News-Bereich von den Sehern keine Kompetenz zugetraut.
Prenner: Unsere Kernzielgruppe sind die Zwölf- bis 29-Jährigen. Und die ködert man nicht mit Nachrichten, sondern mit Unterhaltung. Aber unsere tägliche News-Sendung hat an guten Tagen einen Marktanteil von sieben Prozent und hunderttausend Zuschauer.
profil: Im Zusammenhang mit dem ATV-Unterhaltungsverständnis drängt sich zwangsläufig der Begriff Trash auf …
Prenner: Als junger privater Sender muss man Krach machen, um es in den Hirnen der Menschen zu irgendeiner Form von Relevanz zu bringen. Wenn man eine gewisse Flughöhe erreicht hat, kann man sich imagemäßig wieder etwas überlegen.
profil: Der RTL-Pionier Helmut Thoma stellte „die ‚Bild-Zeitung‘, die laufen lernte“, als seine Erfolgsformel auf. Gibt es für Sie ein Niveau, das zu unterschreiten Sie sich scheuen würden?
Prenner: Ich kenne, ehrlich gesagt, kaum Skrupel, um Aufmerksamkeit zu erregen. Als ich noch Werber war, gab es diesen Spruch: „Ich bin in der Werbung, aber meine Mutter glaubt, ich bin Pianist in einem Bordell.“ Dieser Vergleich ist auch auf das Fernsehen anzuwenden.
profil: Das heißt, man sollte als ATV-Macher besser sein gutes Elternhaus hinter sich lassen …
Prenner: Ja, wenn Sie so wollen. Nehmen Sie nur das Format „Tausche Familie“, die Doku-Soap hat anfangs für einen Riesenwirbel gesorgt, weil eine türkische Familie mit Rechtsextremisten getauscht wurde. Die türkische Familie wollte das auch so, weil die dachten, sie könnten pädagogisch auf die einwirken. Natürlich ist das diskussionswürdig, aber der Effekt war maximal. Inzwischen gab es hundert Folgen, und das Format wurde viel weniger trashig. Es stellt heute eine Art soziales Abbild dieses Landes dar, eine andere Form dessen, was Elisabeth T. Spira mit ihren „Alltagsgeschichten“ und ihren „Liebes’gschichten und Heiratssachen“ im ORF macht.
profil: Eine Familie, mit der kaum jemand tauschen möchte, sind die Lugners, deren Treiben ATV im gleichnamigen Reality-Format drei Staffeln wert war.
Prenner: Ich hätte gerne noch weitergemacht, aber es gab ja diesen Knatsch im Hause Lugner, der dann eine gewisse Medienscheu zur Konsequenz hatte. Zufällig hatte ich aber gerade heute ein Treffen mit dem Baumeister Lugner – im Mausi-Markt, wo wir über eine mögliche Fortsetzung gesprochen haben.
profil: Begreifen Sie, jenseits Ihrer Existenz als Fernsehmacher, warum sich Menschen so sehr exponieren wie die Lugners?
Prenner: Ich glaube, Baumeister Richard Lugner ist das Vorbild aller It-Girls. Er kommt halt so gerne in den Medien vor.
profil: Gab es Szenen aus dem Lugner-Leben, die im Nachhinein seitens der Familie zensuriert wurden?
Prenner: Nun ja, die Mausi hat sich oft über Szenen aufgeregt, die Streitereien zum Inhalt hatten. Sie wollte nicht brüllend gezeigt werden, weil das ihrem wahren Wesen nicht entspräche. Als richtig heftig habe ich viel mehr ihn empfunden. Wenn er auszuckt, dann ist es ein Wahnsinn. Der schreit dann irrsinnig herum. Und wenn er was getrunken hat, ist sein Schmäh eher in der unteren Schublade beheimatet. In „Hi, Society“ gab es einmal eine Szene, wo er seine Frau als „Lesbe“ beschimpft hat, weil sie die Jeannine Schiller geküsst hat.
profil: Gibt es andere österreichische Dynastien, die bereit sind, sich für ATV auf den Wühltisch zu legen?
Prenner: Ich habe schon bei Hannes Kartnig angeklopft. Aber ich fürchte, seine Frau ist dagegen. Sie ist Lehrerin. Für unsere älteren Zuschauer hätte ich mir gut die Zilks vorstellen können. Aber dafür ist ja Helmut Zilk jetzt leider zu krank.
profil: Der ORF hat „L-Word“, die Serie über eine amerikanische Lesben-Clique, nicht gekauft. Wäre das nicht ein ideales ATV-Produkt gewesen?
Prenner: Das dachte ich mir anfangs auch. Nur ist die Serie leider wirklich langweilig. Bei Pro Sieben sind die ja nach einem fulminanten Start quotenmäßig furchtbar eingekracht. Ich könnte mir solche Flops nicht erlauben. Wir sind ja, was unser Spielfilm- und Serienangebot betrifft, dank unseres Hauptgesellschafters Herbert Kloiber, seines Zeichens einer der größten Filmhändler, sehr gut aufgestellt. Da legt er eine Loyalität an den Tag, vor der ich nur den Hut ziehen kann.
profil: Als einer der größten Flops der jungen ATV-Historie erwies sich der Erwerb der österreichischen Bundesliga-Rechte in Kooperation mit dem Paysender Premiere. Kann man diesem Deal unter „Viel Ärger, viel Geld und keine Zuschauer“ zusammenfassen?
Prenner: Das kann man leider. Es hängt hauptsächlich mit der harten Entscheidung des Bundeskommunikationssenats zusammen, dass der ORF viele Ausschnitte, und die deutlich vor uns, zeigen darf. Und zwar deswegen deutlich vor uns, weil wir durch den Vertrag mit Premiere zu so genannten Karenzzeiten gezwungen sind. Premiere hat sich in der Partnerschaft leider als sehr unbeweglich erwiesen. Dennoch werde ich nach Vertragsende im Juni 2007 wieder mit der Bundesliga und auch mit Premiere verhandeln.
profil: Wie sieht denn das Verhältnis zwischen ATV und dem ORF heute aus?
Prenner: Wir sind einerseits Kunde des ORF, weil wir an seinen Satellitenkapazitäten hängen, andererseits aber natürlich auch Erzfeinde, wenn es um den Kampf um die Werbeeinnahmen geht. Aber natürlich sind die wahren Feinde des ORF nicht wir, sondern die großen deutschen Medienkonzerne, die hier mit ihren Werbefenstern ganz nebenbei hunderte Millionen Euro lukrieren. Als Hauptkonkurrenten sehe ich für uns auch eher ProSieben, die hart auf unsere Zielgruppe der Jungen gehen. Deswegen müssen wir daran arbeiten, noch cooler und urbaner zu werden.
profil: Der ATV-Quotenhit „Bauer sucht Frau“ wirkt aber zum Beispiel, in diesem Kategorienverständnis, verdammt uncool.
Prenner: Das stimmt nicht. Unsere Jungen lieben das. Aber wir sind nicht MTV, das ist schon klar.
profil: Im Zuge der bevorstehenden TV-Revolution durch Digitalisierung, Internet und die Möglichkeit, alles, wann immer man möchte, sehen zu können, stellt sich die Frage: Wie kann ein kleiner privater Vollprogrammsender in Zukunft überhaupt überleben?
Prenner: Als Teil einer Medienfamilie – vorzugsweise mit Internet, Radio oder einer Zeitung als weiteren Familienmitgliedern. Und durch die Ausweitung und Verschiebung der Einnahmen, die dann nur mehr zur Hälfte aus der Werbung lukriert werden. Ich könnte mir für die Zukunft für ATV durchaus einen weiteren Spartenkanal auf Home-Shopping-Basis vorstellen oder ein Pay-Segment, wo gewisse Events und Filme zusätzlich bezahlt werden.
profil: Wie würden Sie den ORF der nahen Zukunft gestalten?
Prenner: Mit einem Generaldirektor, der nicht politisch besetzt wird. Und möglicherweise nur mit einem Kanal, nämlich ORF 2, nach dem öffentlich-rechtlichen Prinzip. ORF 1 könnte ich mir durchaus als semiprivatisierten Kanal für die Jungen vorstellen, den auch ein Sender wie ATV mitbespielt.

Interview: Angelika Hager, Martin Himmelbauer