Frauen & Politik

Frauen & Politik: Herz-Dame sticht

Herz-Dame sticht

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Die erste Amtshandlung ist bereits verkündet worden. Sämtliche Porträts des am vorvergangenen Sonntag abgewählten Landeshauptmannes Franz Schausberger in Salzburger Schulen, Ämtern und Bezirksämtern seien zu entfernen – im Grunde ein Routinevorgang bei einem anstehenden Machtwechsel. Doch die designierte Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller geht noch weiter: Sie will die Schausberger-Konterfeis nicht durch ihre eigenen ersetzen lassen.

Ein symbolischer Akt zwar nur – aber würde so etwas einem Mann einfallen?

Drei Viertel aller Wahlberechtigten, so hat das Salzburger Institut für Grundlagenforschung erhoben, entschieden beim Urnengang in Salzburg aufgrund des jeweiligen Spitzenkandidaten. Die sozialdemokratische Frontfrau Burgstaller muss also weit über die Reihen ihrer Partei hinaus für vertrauenswürdig befunden worden sein. Eine bemerkenswerte Tatsache für ein Bundesland, das bisher nicht einmal eine Bürgermeisterin hatte.

Hat Burgstaller als Frau gesiegt? Wenn es so ist, warum schrumpfte dann die Kärntner ÖVP unter Spitzenkandidatin Elisabeth Scheucher zu einer Restgröße?

War es tatsächlich die wochenlange Wirtshaustour der grünen Galionsfigur Eva Glawischnig, die den Kärntner Grünen zum Einzug in den Landtag verhalf?

Und weshalb liegt die ÖVP-Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner in Umfragen noch immer satte zehn Prozent hinter ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Heinz Fischer zurück?

Sticht die Frauenkarte nun, oder sticht sie nicht?

Die Erkenntnisse der Meinungsforschung sollten die Parteien und vor allem die Männer in deren Führungsetagen alarmieren: Ein bestimmter Frauentypus hat im eher konservativ geprägten Österreich tatsächlich beste Chancen.

Imma Palme vom Meinungsforschungsinstitut Ifes spricht sogar vom „heißen Wunsch nach Politikerinnen“, jedenfalls in der jüngeren, gut ausgebildeten Frauengeneration. Eine Mischung aus „Kumpel und Mutter, resch und zeitgemäß“ sei gefragt, „eine Frau, vor der man sich nicht fürchten muss, vor der man aber trotzdem Respekt hat“, sagt Palme. Frauen vom Typus Burgstaller (SPÖ), Waltraud Klasnic (ÖVP), Susanne Riess-Passer (Ex-Vizekanzlerin) und, für das urbane Publikum, Eva Glawischnig (Grüne).

Persönlichkeiten. In einer Persönlichkeitswahl so wie jener in Salzburg geht es um Stimmungen und Symbole.
Burgstaller hat auf dieser Klaviatur virtuos gespielt. Über ihre Homepage erfuhren die Salzburger, dass Burgstaller ein patenter Kerl ist, eine Bauerntochter aus einer armen, kinderreichen Familie, deren Eltern immer schon ÖVP gewählt haben.

In Fernsehreportagen sah man, dass sie in der Lage ist, eine Kuh zu melken und mit Bauern über Düngemittel zu fachsimpeln, und nicht die Nase rümpft, wenn sie einen Stall betritt. Nichts in Burgstallers Auftreten musste Bürgerliche oder Freiheitliche ängstigen, und trotzdem konnten auch Sozialdemokraten sie immer als eine der ihren erkennen.

Das Wesen der Klassenunterschiede hat die Bauerntocher nicht in marxistischen Zirkeln studiert, sondern in einem Internat für höhere Töchter, wo man sich über ihre ärmliche Kleidung mokierte. Wenn Gabi nach Hause kam, backte sie Torten, damit sie während der Woche etwas zu verschenken hatte. Auch durch andere kleine Aufmerksamkeitsdienste versuchte sie sich bei den Freundinnen beliebt zu machen. „Es war schon demütigend“, sagt Burgstaller über diese Zeit.

Als Studentin jobbte sie in Gasthäusern und Fabriken. Burgstaller hat unterschiedliche Lebenswelten kennen gelernt, und man nimmt es ihr ab, wenn sie sich unter die Leute mischt und das protokollarische Gehabe ihres Vorgängers kritisiert. Wenn Burgstaller im Wahlkampf durch die Dörfer fuhr, kam sie zwar auch im Dienstwagen, stieg aber 200 Meter vorher aus und ging zu Fuß zum Gemeindeamt, jeden grüßend, der ihr entgegenkam.

Lebenswelten. „Sie war Everybody’s Darling, kein Häschen, sondern eine, der man etwas zutraut, die mit beiden Beinen am Boden steht, die Wärme und Herzlichkeit ausstrahlt“, analysiert Peter Hajek vom Meinungsforschungsinstitut OGM.

„Ihre öffentlich zelebrierte Heirat mit einem feschen Mann vom Roten Kreuz war im konservativen Salzburg sicher auch hilfreich“, meint der Klagenfurter Politologe Peter Filzmaier. „Und mit Schausberger gab es einen Mann, an dem sie sich reiben konnte“ – für wahlkämpfende Frauen offenbar ein unverzichtbares Asset.

Die Mehrheit der Salzburger wollte keine große Wende, sondern einen Stilwechsel in der Politik, und den hat Burgstaller erfolgreich eingeleitet.

In dieser Hinsicht ist die SPÖ-Winnerin mit der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP) durchaus vergleichbar.

Auch Klasnic folgte auf einen Landesfürsten, Josef Krainer, der allerdings aus derselben Partei stammte. Bald wusste jeder Steirer, dass Klasnic als uneheliches Kind in einer Grazer Barackensiedlung aufgewachsen war und soziale Not aus eigener Anschauung kannte. Man nahm ihr ab, dass sie ein offenes Ohr für die Probleme der einfachen Leute hatte.

Klasnic pflegte politische Aussagen in allgemein-menschliche Ansichten zu verpacken, was ihr, wie später auch Burgstaller, gern als unpolitisch vorgehalten wurde – „der typisch männliche Umgang mit Frauen in der Politik“, ärgert sich Burgstaller (siehe Interview).

Die beiden Frauen schätzen einander. Klasnic findet Burgstaller „sehr sympathisch, mir gefällt sie, eine fröhliche Person, die gut mit Menschen umgehen kann“.

Ein völlig konträres Bild vermittelte die Kärntner ÖVP-Spitzenkandidatin Elisabeth Scheucher. Nach Ansicht des Politologen Filzmaier hat ihr „die Frauenschiene nicht einmal bei den ÖVP-Stammwählern etwas gebracht“.

Dabei schien die Strategie anfangs gut gewählt: Eine Businessfrau mit Herz wollte Scheucher sein. Nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur lag die ÖVP in Umfragen bei 22 Prozent. Günther Ogris vom Meinungsforschungsinstitut SORA erklärt dies damit, dass „Frauen mehr Vorschusslorbeeren haben, weil ihnen nicht der Geruch des Apparatschiks anhaftet“.

Doch dann kam Scheucher der Kanzler in die Quere. Wolfgang Schüssels Rüge, man solle Jörg Haider nicht ausgrenzen, wurde von den Wählern als Machtwort verstanden, das schwerer wog als Scheuchers Meinung. Mit dem Image der selbstständigen Kandidatin war es vorbei.

Zumutungen. Auch der Wahlkampf verlief unglücklich. Schon beim Auftakt las Scheucher unsicher vom Blatt und stotterte, und irgendwann lächelte sie nur noch.

Bei den Roadshows der ÖVP stand die Spitzenkandidatin hilflos auf der Bühne, links von ihr Moderator Peter Rapp, der das Publikum mit Witzen über seine vier Scheidungen und Alimentezahlungen unterhielt; von rechts tätschelte Parteiobmann Georg Wurmitzer großväterlich ihre Hand, während Scheucher über Familienpolitik sprach. Die Plakate, auf denen sie versprach, dass der nächste Kärntner Landeshauptmann eine Frau sein werde, konnte niemand richtig ernst nehmen.

„Vielleicht war ich nicht der richtige Frauentyp“, sagt Scheucher, „zu modern für das konservative Kärnten – vielleicht auch nicht die richtige Kandidatin für die ÖVP.“

„Scheucher wurde als Kandidatin von Gnaden eines Mannes wahrgenommen“, sagt der Politologe Filzmaier, „und dafür gibt es keinen Frauenbonus.“

Mit ähnlichen Problemen kämpft auch Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner. Immer wieder musste sie ihre Haltungen in außenpolitischen Fragen revidieren, wenn der Kanzler eine andere Linie vorgab. So bekommt das Bild einer selbstbewussten Frau nicht unbedingt schärfere Konturen.

Auch an authentischer Volkstümlichkeit fehlt es Ferrero-Waldner. Soziale Not hat die Dentistentochter aus bürgerlichem Salzburger Haus in ihrer Kindheit nicht verspürt. Als junges Mädchen arbeitete sie als Billeteuse bei den Salzburger Festspielen, „nur um dabei zu sein“. Mit „gut erzogenen Menschen“ könne sie gut reden, gestand sie 1998, „aber bei einfacheren habe ich es oft schwer, da finde ich nicht den richtigen Zugang“. Aber sie versuche das zu ändern. Sie gebe sich dann „lockerer, eben down to earth“.

Ferrero-Waldner kann nun darauf hoffen, im Präsidentschaftswahlkampf vor allem mit Charity-Aktivitäten und dem Image einer polyglotten Salondame zu punkten.

Wahlkämpfe erfordern den Kontakt mit dem Volk. Kein Politiker – egal, ob Mann oder Frau – kann es sich leisten, seine Botschaften nur über das Fernsehen zu verkünden.

Frauen haben es dabei aber weitaus schwerer. Sie sind den taxierenden Blicken der Männer ausgesetzt, und von Frauen werden sie oft eifersüchtig beobachtet. Ihr Aussehen, ihre Kleidung, die Bewertung ihres Status als Sexualobjekt sind im Bewusstsein stets präsent, begleitet von übergriffigen Annäherungen, die man sich bei einem Mann nie gestatten würde.

Eva Glawischnig, als Wirtshaustochter allerhand gewohnt, hörte bei ihren Beisltouren durchs Kärntner Unterland bis zum Überdruss Bemerkungen über ihre schönen Augen und musste auch weinselige Heiratsanträge abwehren. Wenn sie gut drauf war, sagte sie schlagfertig: „Ihre Stimme wäre mir lieber.“ Aber wer ist schon immer gut drauf?

Elisabeth Scheucher hatte es irgendwann einfach satt, dauernd als „fesche Taub’n“ vorgeführt zu werden.

Burgstaller wiederum trug jahrelang keine engen Blusen, weil die Herren im Landtag ihre Oberweite kommentierten.

Susanne Riess-Passer, die den Zenit ihrer Beliebtheit im September 2002 erreichte, als sie sich von Haider lossagte, litt zeit ihrer politischen Karriere darunter, „immer als Haiders Sekretärin wahrgenommen zu werden“.

ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat machte die Erfahrung, dass Männer anfangs sowieso davon ausgehen, „mit einer Frau leichtes Spiel zu haben“.

Peter Hajek vom OGM-Institut spricht von einem „Spagat, den Frauen leisten müssen: gleichzeitig selbstständig und weiblich wirken“.

Burgstaller hat das geschafft. Ob Frauen auch eine andere Politik machen, muss sie erst beweisen.