Elfriede Hammerl

Frauensache(n)

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Wir haben also wieder eine Frauenministerin, die Frauenpolitik nicht bloß nebenher betreiben soll. Brauchen wir so was? Ja. Solange die Verdienstschere zwischen Frauen und Männern nicht nur existiert, sondern sogar weiter aufgeht, solange die gläserne Decke Frauen am Aufstieg hindert, solange die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bloß Frauensache ist, so lange wird es nötig sein, Gleichstellungspolitik ausdrücklich von einem dafür verantwortlichen Ressort aus zu betreiben. Sofern man den Gleichstellungsauftrag der EU ernst nimmt.

Das mit der Querschnittmaterie ist so eine Sache. Natürlich gehen Frauenangelegenheiten nicht nur das Frauenministerium was an. Ist ja auch nicht gesagt, dass sie nicht trotzdem von anderen Regierungsstellen berücksichtigt werden können und sollen. Aber wenn man sich damit begnügt, alle für irgendwie zuständig zu erklären, dann endet das erfahrungsgemäß damit, dass sich niemand zuständig fühlt.

Gut auch, dass Frauen- und Familienagenden entkoppelt sind. Frauen müssen als eigenständige Menschen gesehen und behandelt werden, nicht nur als Familienwesen. Stimmt schon, es sind die Frauen, die in der Realität für die Familien zuständig sind. Aber genau diese Realität soll ja geändert und nicht ad infinitum fortgeschrieben werden.

Außerdem gibt es Chancenungleichheit nicht bloß im Zusammenhang mit Mutterschaft. Die gläserne Decke existiert. Auch für Frauen ohne Kinder. Mutterschaft erschwert den Aufstieg, ist aber nicht das einzige Hindernis auf dem Weg nach oben. Viele, die glauben, sie kommen nicht weiter, weil sie Kinder haben, erliegen einem Irrtum. Sie würden auch kinderlos nicht weiterkommen.

Ob Doris Bures eine glückliche Besetzung für den Posten der Frauenministerin ist, muss sich erst zeigen. Wie schon ihre Vorgängerinnen wird auch sie damit zu kämpfen haben, dass ihre personellen und finanziellen Ressourcen knapp sind. Davon abgesehen ist es ihr durchaus zuzutrauen, dass sie dem Koalitionspartner unbeugsamen Widerstand entgegensetzt, wenn ihr das nötig erscheint.

Allerdings muss sie, will sie erfolgreich sein, auch der eigenen Partei bei Bedarf auf die Zehen treten, und das ist schon schwerer vorstellbar. Ihre bisherige Funktion übte sie im glatten Gegenteil: Reflexartig hatte sie jeglichen Ratschluss der SPÖ zu verteidigen. Wär’ schön, wenn ihr der Umstieg von her master’s voice zu einer Politikerin mit eigenen Konturen und – was ebenfalls dringend nötig wäre – gewinnendem Schmäh gelänge.
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Zum leidigen Sozialdienst als Studiengebührenersatz: Nachdem sich das erste Angebot (Studierende dürfen arbeiten, und zwar für extra wenig Geld), hoppala, als ziemlicher Flop entpuppt hat, wird jetzt ans soziale Gewissen appelliert. Solidarität! Hilfsbereitschaft! Gemeinschaftssinn! Tatsächlich propagiert man damit einmal mehr die Privatisierung staatlicher Strukturen. Ehrenamt statt professioneller Kräfte. Almosen statt Anspruch auf Leistungen. Was unseren SchülerInnen fehlt, sind aber nicht mehr oder weniger gutwillige Amateure, die im Nachhilfegeschäft dilettieren, sondern Schulen, an denen kleinere Klassen von mehr LehrerInnen länger unterrichtet werden, sodass auch Zeit fürs Üben und Vertiefen des Lehrstoffs bleibt.

Die Idee, Sozialarbeit in den Charity-Bereich auszulagern, ist zwar trendy, aber beängstigend. Und verordneter Edelmut macht sie nicht besser.
Es hatte Gründe, dass die gütige Gutsherrin, die nach willkürlichem Ermessen Suppe und fromme Sprüche an sieche Taglöhner und deren Kinder verteilte, dereinst zum Auslaufmodell und durch staatliche Sicherungssysteme ersetzt wurde.
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Die neue Gesundheits- und Familienministerin wurde von Parteikolleginnen und Medien genüsslich hergestreut, weil sie weder schlank noch Mutter ist und Kindergebrüll in Abendrestaurants störend findet.

Nun gönnt man’s ja der ÖVP, dass sie sich plötzlich mit der verkörperten Antithese ihrer nervenden Aussagen herumschlagen muss, die da waren: Gesundheit sei machbar, Krankheit daher – zum Beispiel durch Übergewicht – selbst verschuldet, Kinderlosigkeit hedonistischer Egoismus und Mutterschaft die wahre Berufung einer Frau.

Allerdings ist Frau Kdolsky weder das erste noch einzige Mitglied einer Regierung, das in Erscheinungsbild und Lebensumständen von den propagierten Idealen seiner Partei abweicht. Herbert Haupt beispielsweise war als Gesundheits- und Frauenminister übergewichtig und keine Frau. Die Berichterstattung darüber fiel vergleichsweise bescheiden aus und verzichtete auf Gehässigkeiten.

Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und dass Frau Kdolsky, wäre sie ein männlicher Minister, nicht über ihren angeblichen Hang zum Schweinsbratl charakterisiert worden wäre.

Was ihre Aussagen zu Kindern betrifft, so lässt sich daraus alles und nichts ableiten: Vielleicht gehört sie ja zu denen, die schon giftige Blicke schleudern, sobald ein Kind bloß kichert, vielleicht regt sie sich aber auch mit Fug und Recht nur über die Sorte Eltern auf, die glücklich zuschauen, wenn ihre süßen Kleinen ein ganzes Lokal terrorisieren.

In jedem Fall hätte sie als Mann ziemlich sicher keine Zores mit einer Stellungnahme zum Thema „Kinderlos, na und?“ gekriegt, und zwar aus einem einfachen Grund: Kinderlose Männer fühlen sich nicht gedrängt, ihre Kinderlosigkeit zu rechtfertigen.