Gabi Burgstaller:

Gabi Burgstaller: „Ich kreische nicht“

„Ich kreische nicht“

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profil: Laut Wählerstromanalysen waren Sie für alle weltanschaulichen Lager wählbar. Das könnte man auch so interpretieren, dass Sie einen sehr unpolitischen Wahlkampf geführt haben – was Ihnen ja auch tatsächlich vorgeworfen wurde.
Burgstaller: Ich habe klare Inhalte vertreten, an denen die Medien allerdings nicht sonderlich interessiert waren. Und ich habe nicht polarisiert und nicht ausgegrenzt, denn die Menschen schätzen das nicht. Bei den Grünen haben wir schon 1999 einiges abgezogen, die eigene Partei stand hoch motiviert und geschlossen hinter mir. Im ÖVP-Lager, das macht mir besonderes Vergnügen, hat sicher meine Herkunft eine große Rolle gespielt. Meine Eltern sind Bauern, meine ganze Verwandtschaft kommt aus dem ÖVP-Lager. Ich verstehe die Sorgen dieser Menschen gut. Und ich bekenne mich auch als Sozialdemokratin zu einer sehr pointierten Regionalpolitik für den ländlichen Raum.
profil: Anders als bei den Nationalratswahlen 2001 ist es in Salzburg der SPÖ und nicht der ÖVP gelungen, frustrierte FPÖ-Wähler abzuschöpfen. Warum?
Burgstaller: Die freiheitlichen Wähler haben wir durch eine klare Linie in Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des Privilegienabbaus erreicht. Ich habe im Wahlkampf oft von Wählern gehört, sie seien ganz erstaunt, dass ich auf meine Politikerpension freiwillig verzichtet habe. So etwas wirkt in diesen Kreisen
– zu Recht, meine ich. Politiker müssten wirklich Vorbilder sein.
profil: Ihr Programm war Gabi Burgstaller. Hat diese Personalisierung ohne Inhalte Zukunft?
Burgstaller: Ich wünsche mir, dass bei Wahlen auch wieder mehr über Inhalte diskutiert wird. Ich habe mich darum bemüht, alles andere ist Propaganda. Es kränkt mich ein bisschen, wenn ich immer lese, ich hätte bloß einen Wohlfühl-Wahlkampf geführt. Person und Inhalt gehören zusammen. Ich verspreche nichts, was ich nicht halte. Ich tue das, was ich sage, und die Menschen glauben mir. Und das hat schon Zukunft.
profil: Bisher war Salzburg das einzige Bundesland ohne eine einzige Bürgermeisterin. Wie konnten Sie sich als Frau da durchsetzen?
Burgstaller: Ich habe vor zehn Jahren meine Chance bekommen und etwas daraus gemacht. Wenn man Frauen in der Politik aufsteigen lässt, dann wird es solche geben, die erfolgreich sind, und solche, die enttäuschen. Ich bin sicher in einer privilegierten Situation: Ich habe keine Kinder und einen Mann mit viel Verständnis. Wenn man Revue passieren lässt, welche Frauen es in die Spitzenpolitik geschafft haben, dann sind das durchwegs kinderlose Frauen oder Frauen, die schon erwachsene Kinder haben: Susanne Riess-Passer oder Waltraud Klasnic. Ich habe auch gelernt, als Politikerin nicht auf die klassische Hausmacht zu setzen, sondern auf Anerkennung.
profil: Die klassische Hausmacht bestünde worin?
Burgstaller: Frauen sollten sich nicht darauf verlassen, dass sie von der SPÖ-Frauenorganisation unterstützt werden, sondern sich strategische Partner suchen und sich weit gehend unentbehrlich machen. Mein Rat an Frauen: Lasst euch nicht nur auf typische Frauenbereiche ein, denn da wird man schnell überflügelt von einer weiteren Frau, die nachkommt. Erobert die Männerdomänen! Meine Themen waren Bau, Verkehr, Finanzen, Gewerbe.
profil: Sie hatten immer männliche Förderer. Bei den SPÖ-Frauen waren Sie nicht sonderlich beliebt.
Burgstaller: Auf der Frauenschiene in die Politik einzusteigen ist für mich nie infrage gekommen, weil mich die SPÖ-Frauenorganisation in den Anfangsjahren eher abgelehnt hat. Mittlerweile ist die Zusammenarbeit allerdings hervorragend.
profil: Ist das ein Vorwurf an die Grande Dame der sozialdemokratischen Frauenpolitik, Johanna Dohnal?
Burgstaller: Das will ich gar nicht beurteilen, denn damals war ich noch nicht so involviert. Johanna Dohnal als Frauenpolitikerin ist für mich durchaus ein großes Vorbild.
profil: Sind Sie Feministin?
Burgstaller: Ja, ich bezeichne mich als solche. Und ich verstehe darunter, dass ich überzeugt bin von der Notwendigkeit, Frauen besonders zu unterstützen.
profil: Warum haben Sie denn jetzt nicht verhindert, dass die Stadtregierung in Salzburg ein reines Männergremium geworden ist?
Burgstaller: Weil Qualität vor Geschlecht geht. Das klingt vielleicht hart, aber in diesem Fall waren die fachlichen Voraussetzungen eben so. Ich glaube, dass es Frauen sehr schadet, immer nur auf den Faktor Frau zu setzen.
profil: Gibt es Sexismus in der Politik?
Burgstaller: Im Wahlkampf bei den Menschen draußen hat eigentlich niemand meine Kompetenz infrage gestellt oder gemeint, ich gehöre an den Herd. Die Aussage meines Vorgängers Franz Schausberger, dass die Landtagswahl keine Misswahl sei, war aus meiner Sicht sexistisch, ebenso wie eine Zeitungskolumne, in der von meiner schrillen Stimme die Rede war. Ich kreische nicht. Aber so etwas schreibt man schnell über Frauen. Ganz bewusst habe ich mich jahrelang so gekleidet, dass ich möglichst wenig Weiblichkeit zeigte, weil ich am Anfang meiner Politkarriere erlebt habe, dass sich im Landtag alle über meine Oberweite und Ähnliches unterhielten. Das sollte sich wirklich aufhören.
profil: „Ich mag sie gern, man hört bloß nie eine politische Aussage von ihr.“ Von wem, glauben Sie, stammt dieses Zitat?
Burgstaller: Keine Ahnung.
profil: Das haben Ihre Genossen über die steirische ÖVP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic gesagt.
Burgstaller: Das zeigt schon ein wenig den typisch männlichen Umgang mit Frauen in der Politik. Frauen mag man, oder man mag sie nicht, aber mit den Inhalten will man sich nicht beschäftigen. Politik ist offenbar noch immer das, was Männer darunter verstehen. Ich habe mir oft gedacht, der Franz Schausberger gilt als Macher, weil er ein Museum auf dem Berg durchgesetzt hat. Es ist anscheinend nicht Politik, wenn man sich darum kümmert, dass viele Initiativen zum Blühen kommen und dass Menschen in ihren Alltagssorgen entlastet werden. Aber genau das ist mein Politikverständnis.
profil: Üben Sie parteiübergreifende Frauensolidarität mit Waltraud Klasnic?
Burgstaller: Durchaus. Ich habe die Sehnsucht, dass sich das Politikverständnis etwas wandelt. Die Fürsten bauten große Häuser und die Bischöfe viele Kirchen. Ist das wirklich Politik, wenn man etwas hinklotzt, das jeder sehen kann? Oder bedeutet Politik nicht vielmehr, an einer Gesellschaft zu arbeiten, die gerechter, fairer und auch fröhlicher wird?
profil: Wie erklären Sie sich den Wahlerfolg von Jörg Haider in Kärnten?
Burgstaller: Jörg Haider gelingt es immer wieder, sich als Opposition zur Bundesregierung darzustellen, obwohl er dort ja maßgeblichen Einfluss hat. Außerdem hatte die Salzburger SPÖ eine Positivstrategie und bewies Geradlinigkeit. Wir haben die Almosenauszahlungen an enttäuschte Pensionisten abgelehnt, weil wir für alle Pensionisten in Österreich eine Verbesserung wollen. Die Kärntner SPÖ hat hier nicht eindeutig Stellung bezogen, was aus meiner Sicht nicht klug war.
profil: Halten Sie Jörg Haider für einen gefährlichen Politiker?
Burgstaller: Ich kenne ihn zu wenig, um ihm solche Attribute zuordnen zu können. Ich halte ihn, international gesehen, für eine peinliche Erscheinung. In keinem anderen Land wäre es möglich, einen Landeshauptmann zu haben, der Saddam Hussein noch vor gar nicht so langer Zeit besucht hat.
profil: Wie standen Sie eigentlich zur so genannten „Spargel-Koalition“ auf Bundesebene?
Burgstaller: Ich war vom ersten Augenblick an überzeugt, dass es wirkungslos sein wird. Ich dachte mir, es wird nichts nützen. Jörg Haider ist unzuverlässig.
profil: Jörg Haider lobt Sie als bürgerliche Sozialdemokratin. Haben Sie je Marx gelesen?
Burgstaller: Ich bin eine pragmatische Sozialdemokratin mit hohen Werthaltungen. Ich stehe für Solidarität statt Ellbogen. Ich will aber auch möglichst viel Freiheit für den Einzelnen, mit der klaren Grenze, wo die Freiheit des einen den anderen nicht beeinträchtigt. Aber eine Marxistin im Sinne der Lehre bin ich nicht.
profil: Sie haben in Ihrer Jugend Rhetorikseminare bei der ÖVP besucht. Wo liegen Ihre sozialdemokratischen Wurzeln?
Burgstaller: Ich habe meine Erfahrungen. Ich habe selbst erlebt, wie es ist, wenn man als armes Bauernkind in ein feines Internat kommt und erkennen muss, wie viel die Herkunft noch immer zählt. Es war die Kreisky-Zeit, die sozialdemokratische Bildungspolitik, die einer wie mir eine Chance gegeben hat.
profil: Hat die Sozialdemokratie nur noch eine Herkunft oder auch eine Zukunft?
Burgstaller: Ja, wenn sie sich nicht infizieren lässt vom Neoliberalismus in der Wirtschaftspolitik und wenn sie ihr soziales Gewissen behält. Wir werden oft zerrieben im Glauben, es allen recht machen zu müssen. Ich habe kein Problem damit, wenn in der Pensionspolitik nicht alle mit uns zufrieden sind und uns die Höchstpensionsbezieher zum Teufel wünschen.
profil: Wiens Bürgermeister Häupl sagt: „Die Burgstaller, die kann jetzt alles werden.“ Was wollen Sie denn noch werden?
Burgstaller: Ich schätze Michael Häupl sehr, aber ich bin schon mehr geworden, als ich mir in meinem Leben je vorgenommen habe. So ein Bundesland führen zu dürfen, das nötigt mir schon einigen Respekt ab. Es ist nicht so, dass ich mir denke: Hollodero – und jetzt auf zu neuen Ufern! Ich habe mir vorgenommen, in den nächsten fünf Jahren das Beste für Salzburg zu geben. Darüber hinaus möchte ich noch keinerlei Kommentare abgeben. Das Leben ändert sich so oft, und es gibt so viele Faktoren, die entscheidend sind.