Helmut A. Gansterer

Helmut A. Gansterer Das Starke der Stärken

Das Starke der Stärken

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"„Die Stärke ist die Grundlage aller Tugend.“ Jean-Jacques Rousseau

Andreas Salcher imponiert mir. Nicht nur wegen glänzender Bestseller wie „Der talentierte Schüler und seine Feinde“. Sondern, weil er so brennt. Mit unverbrauchtem Lodern erhitzt er sich für ideale Bildungspolitik. Seine eigenen Ideen finden sein Wohlgefallen, doch interessiert er sich fühlbar auch für Ideen von Dritten.

Ich erkannte dies jüngst in Linz. Ein kleines Rudel war dort verabredet, die Weine des Römerberg-Restaurants „La Cave“ zu prüfen. Wein schenkt nicht nur das ewige Leben, sondern stärkt als Wahrheitstrank auch Willen und Weisheit. So traten bald vinophile Fachbegriffe wie Adstringenz, ­Anthocyan und Abgang in den Hintergrund, um Gedanken über die Rettung der Welt zu weichen.

Die Retterrunde war paritätisch besetzt, je drei Mann für Wirtschaft, Politik, Medien und Kunst. Neben dem Salcher sitzend, spürte ich körperlich, wie er jede Anregung zum Thema Bildung begeistert aufschnappte. Selbst meine drei Tipps zur Kinderschulung griff er entzückt auf, als wären sie neu. Tatsächlich kannte er sie, doch wusste er sie unerhört ungehört. Man wird sie gerne noch einmal lesen.

Tipp 1: Man möge künftig in Schulaufsätzen nicht das Falsche blutrot zum Schlachtfeld korrigieren, sondern das Richtige in fröhlichem Türkis fett unterstreichen. Das Türkise würde frühlingshaft nach oben motivieren, wie das Blutrote herbstlich nach unten zieht. Ein Doppeleffekt. Er schützte Kinder vor Erniedrigung und bewirkte einen Siegeswillen nach „noch mehr Türkis“. Unbegreiflich daher, dass man diese Anregung nie aufgriff. Liegt dies am Einspruch eingeschliffener Lehrer, die Machtverlust befürchten? Falls ja, sollte man ihnen das Militär als Arbeitsstätte empfehlen. Obwohl das Bundesheer, wie fairerweise gesagt werden muss, auch nicht mehr das Wirkfeld von Komplexlern ist, das es einmal war.

Tipp 2: Dem Tipp 1 verwandt, aber auch für Erwachsene eine probate Erfolgsformel: „Stärkung der Stärken.“ Auf die Schwächen sollte zunächst gepfiffen werden. Die meisten Schwächen bügeln sich später von selbst glatt. Staaten wie Österreich, Deutschland und die Schweiz, die im Perfektionswahn die Ausmerzung der Schwächen über die Entwicklung der Stärken stellen, halbieren ihren Wirkungsgrad. Nach und nach setzt sich der Gedanke Stärke die Stärken aber auch dort durch.

Namhafte Zeugen der genannten Diskussionsrunde bestätigen das. Beispielsweise Christoph Leitl (Wirtschaftskammer) und Gerhard Riemer (Industriellenvereinigung), Unternehmer Helmut Fallmann (Fabasoft), Kultur-Bizeps Wolfgang Winkler (LIVA) und Medienkollege Kurt Rammerstorfer (ORF-OÖ-Boss). Und als Politiker der SPÖ-Langzeit-Bürgermeister von Linz, Franz Dobusch, der zum Thema eine spezielle Beziehung hat.

Einerseits gilt Dobusch als freundlicher Arbeitgeber, der für Schwächen seiner Mitarbeiter immer Nachsicht kannte, falls die Stärken überwältigend waren. Anderseits wandelte er die dunkelste Image-Schwäche von Linz zur Stärke. Mit einer transparenten Vergangenheitsbewältigung, gegen Widerstände in der eigenen Stammwählerschaft, machte er die „Lieblingsstadt Hitlers“ zu einem lichten Ort. Die aufwändigen Dobusch-Dokus etwa zum Thema „Zwangsarbeit“ gelten Abordnungen anderer Städte als weltweites Vorbild. Vorbei die Zeit, da Ingeborg Bachmann stolz bekannte, im Bahnhof Linz nie ausgestiegen zu sein. Für die beste Poetin ever war dies schon damals kindisch.

Tipp 3: Man möge keine Scheu haben, schon Jugendliche anzuhalten, zu allem Gedachten auch gleich das Gegenteil zu denken. Um daraus ein klügeres Drittes zu erkennen, das irgendwo dazwischen und höher liegt. Man darf diese ­Dialektik aber nicht zu früh ansetzen. Kinder brauchen noch die Geborgenheit von reinen Engeln, die sie vor bösen Geistern beschützen.
Andreas Salcher, 52, wie eingangs gelobt, schlürft dergleichen mit höflichem Durst. Wenn eine Spur von Neuem dabei ist, spürt man als Nachbar, wie ein Speicher gefüllt und eine Verarbeitungsmaschine angeworfen wird. Man spürt auch einen sofortigen Umsetzungswillen. So wünschte man sich einen Minister für ein Unterrichts-Superministerium, das jedwede Bildung von der Geburt bis zum Tod umfasst, unbelastet von Zusatzschwergewichten wie „Sport“ und „Kultur“, die aus teurer Sparsamkeit gern mal angehängt wurden und immer schon eigene Ministerien verdient hatten.

Salcher wäre ein Minister neuer Art. Er wäre selbst die Glühbirne, nicht einer, der mit den heißen Glühbirnen des Fachs jongliert und diese auf eine Durchschnittshelligkeit herunterregelt. Apropos Durchschnitt: Auch Markus Hengstschläger, Autor des begeisternden Bestsellers „Die Durchschnittsfalle“, wäre ein Kandidat, doch wähnt man ihn eher einem elitären Forschungsministerium zugehörig.

Andreas Salcher zeigte früh auch das Mengenpolitische. Er war ÖVP-Wunderkind mit klassen Karrierestationen. Sein Name ist verbunden mit fantastischen Projekten wie Waldzell, Sir-Karl-Popper-Schule und dem globalen Curriculum Project – Creating the Schools of Tomorrow. Menschlich steht er fühlbar an einer Wegkreuzung. Es mag sinnvoll sein, ihn in hohem Rang für die Politik wiederzugewinnen.

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