Helmut A. Gansterer

Helmut A. Gansterer Feinstaubfrauen

Feinstaubfrauen

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"Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“ Bernard Shaw

Wenn ich einen widerlichen Menschenschlag benennen müsste, wozu ich hoffentlich nie gezwungen werde, würde ich gewisse Damen nennen.

In meiner Hitparade der Abstoßenden führen jene Töchter, Ehefrauen und Witwen von reichen Männern, die nichts anderes zu tun wissen, als sich selbst darzustellen. Obgleich sie nur als Verwandte prominent wurden, halten sie sich für das Salz der Erde. Tatsächlich sind sie Ikonen einer sinnlosen Existenz, vergleichbar Stimmen ohne Schall und Schritten ohne Raumgewinn.

Optisch sind sie durchwegs passabel, Haut und Haar von fremder Hand gepflegt, die Garderobe kostbar, vereinzelt auch geschmackssicher und dem Alter angemessen. Ihre eigentliche Sünde liegt darin, die zugefallenen Privilegien nicht in splendider Isolation zu genießen. Stattdessen treten sie in die Mitte der Bühne, um ihre Wichtigkeit darzustellen. Dies muss misslingen. Jede Leistungsträgheit geht schnell in Geistesträgheit über. So reden sie, bevor sie denken, und ihre Gedanken sind "ohne Spur und ohne Geschwister“ (Joseph Roth).

Kurzum: Sie kontaminieren ihre Mitwelt mit Feinstaubdummheit. Ihr Meinungsmüll wird mit arttypisch-seifiger Stimme vorgetragen, die durch alle Ritzen rutscht. Im "Café Griensteidl“ übertönt sie zwei Tische, in der engeren "Onyx-Bar“ drei. Es gibt kein Entrinnen. Vor die Wahl gestellt, künftig alle guten Lokale zu meiden oder das Beste daraus zu machen, wählte ich ein bewusstes Studium dieser schattigen Frauen. Ich hörte ihnen zu.

Inhaltlich ist man schnell durch. Die Themen blieben wahrscheinlich seit Babylon, Athen und Rom die gleichen. Immer noch Thema 1: das Gfrett mit dem Hauspersonal. Thema 2: das Gfrett mit Esoterik-Coachs, Ärzten, Boutiquengänsen und neuerdings Bankern, die schlechte Aktientipps gaben. Der jüngst gehörte Satz "Wegen diesem Trottel mussten wir das Engadin aufgeben“ führt zu Thema 3: das Gfrett mit den Drittwohnsitzen. Alles irgendwie rundgelutscht. Interessanter das Thema 4: ein unvermutet immer noch wacher Zwangsreflex dieser reichen Frauen gegen "Kummerln“ und "Sozis“, obwohl der letzte österreichische Sozialdemokrat, der das Wort "Umverteilung“ noch kannte und fehlerlos schreiben konnte, vor dem Millennium gestorben ist.

Interessanter schienen die Antriebe. Warum treten diese Frauen so auf, wie sie auftreten? Um zu den Quellen zu gelangen, musste ich mich unter sie mischen. Das geht leicht. Wichtigster Grundsatz: Lobe keine Schöne für Schönheit, sondern für ihre Klugheit, auch wenn dir die Zunge bricht. Ich brauche diesen Trick nicht mehr. Seit mich die Barkeeper als "Professor“ vorstellen, bin ich grundsätzlich willkommen. Wissenschafter gelten in der Welt der Flachhoblerinnen als Trophäen. Wie zum Beispiel Opernsänger. Deren Sorgen über die Singbarkeit von Wagners Tristan langweilen zwar, aber die Abstrahlung von Prominenz gefällt.

So ermittelte ich undercover die Gemütswelt der Feinstaubfrauen. Das Ergebnis schreit nach Barmherzigkeit. Entweder begreifen sie tiefinnerlich, dass sie ihrem hohen, arbeitslosen Einkommen nicht entsprechen. Dann stehen sie Tag und Nacht unter Rechtfertigungsstress. Oder sie sind geistig in die Welt vor der Aufklärung zurückgefallen. Dann fühlen sie sich durch göttliche Auslese in die Welt der Aristokratie geworfen, wenn auch nur des käuflichen Geldadels. Himmlischer Ratschluss hob sie in den Rang von Herrschenden, bestimmt, Armeen von Putzfrauen, Schneiderinnen und Kellnerinnen mit gebotener Strenge zu dirigieren. Diesfalls sind sie juristisch unschuldig, da ihnen das Unrechtsbewusstsein fehlt. Nach christlicher Auslegung müsste man sogar Mitleid aufbringen. Dies gelingt aber nur Seelenhirten, und auch diesen nur, wenn die fraglichen Schafe brav brennen, beispielsweise für ein eigenes Kirchenbänklein mit Namensschild, in alter Adels-Art.

Ein wenig good news zum Thema, wie sie das Motto dieser Kolumne verlangt.

Erstens: Feministinnen und Korrektheitsfanatiker, die grundsätzlich ein geschlechtliches Spiegelbild verlangen, laufen bei diesem Thema ins Leere. Es gibt zwar auch Männer, die durch Frauen aufgewertet und/oder reich werden. Diese halten sich aber in der Regel aus männlichem Stolz im Hintergrund, vom virilen Ehemann der Maria Theresia bis zum blutjungen Théo der Edith Piaf. Auch Philip ist heilfroh, dass Elizabeth II. die widerliche Außenwelt abfedert. In Summe kann von diesen Männern keine Illustrierte leben und kein TV-Format wie "Seitenblicke“.

Zweitens: Die schrillen Feinstaubfrauen übertönen eine stille Mehrheit guter Geldfrauen, die glänzende Unternehmen leiten oder einem extrovertierten Konzern-Gemahl familiär den Rücken freihalten oder viel Geld und viel Freizeit in viel Gutes verwandeln. Eine, die ich besonders schätze, saniert Sozialeinrichtungen und Kirchen in Afrika, unter persönlicher Aufsicht. Wie alle ihrer Art kann sie einer beliebten Art von Wohltätigkeit, die der frühe Reinhard Mey spöttisch besang, wenig abgewinnen: der "noblen Idee“ (Mey) von Charity-Trüffel-Partys gegen den Hunger in der Dritten Welt.

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